03.03.2022

Beim Jus­tiz- und Innenminister*innenrat der EU wird heu­te dar­über gespro­chen, Men­schen, die aus der  Ukrai­ne ver­trie­ben wur­den, den soge­nann­ten „vor­über­ge­hen­den Schutz“ zu gewäh­ren. Die­ser ist Teil der „Mas­sen­zu­stroms­richt­li­nie” von 2001 und wur­de bis­lang noch nie ange­wen­det. Die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on PRO ASYL plä­diert drin­gend dafür, einen sol­chen vor­rü­ber­ge­hen­den Schutz zu gewäh­ren, weist aber auch dar­auf hin, dass in dem  Vor­schlag der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on eine Grup­pe fehlt:  Men­schen, die sich schon vor dem rus­si­schen Angriff am 24. Febru­ar 2022 in einem EU-Land auf­hiel­ten. Hier kön­nen die Mit­glieds­staa­ten aber eigen­stän­dig ent­schei­den, den Schutz auf die­se Ukrainer*innen aus­zu­wei­ten. Das soll­te Deutsch­land drin­gend tun, for­dert PRO ASYL.

Sehr besorgt ist PRO ASYL zudem über den Umgang mit Men­schen aus ande­ren Staa­ten, die eben­so aus der Ukrai­ne flie­hen und dort zum Bei­spiel stu­diert oder gear­bei­tet haben. „Alle Men­schen, die der­zeit vor den rus­si­schen Angrif­fen in der Ukrai­ne flie­hen, brau­chen schnell und unkom­pli­zier­ten Schutz und Sicher­heit, egal wel­chen Pass sie besit­zen“, sagt Wieb­ke Judith, Rechts­po­li­ti­sche Refe­ren­tin bei PRO ASYL. Der Schutz der Richt­li­nie soll aber nur zusätz­lich für Men­schen mit lang­fris­ti­gem Auf­ent­halt in der Ukrai­ne gel­ten. Kom­plett unge­re­gelt wäre dann wei­ter­hin die Situa­ti­on für Per­so­nen mit kurz­fris­ti­gem Auf­ent­halt in der Ukrai­ne, die nun vor den Kampf­hand­lun­gen in EU-Län­der wie Deutsch­land kommen.

Innen­mi­nis­te­ri­um muss Klar­heit schaf­fen: Aus­nah­me­vi­sa erteilen

Alle Men­schen, die aus der Ukrai­ne flie­hen, machen in die­sen Tagen Schreck­li­ches durch. Zumin­dest aber kön­nen Ukrainer*innen visums­frei ein­rei­sen. Es darf kei­ne Kri­mi­na­li­sie­rung der Flucht vor dem Krieg in der Ukrai­ne geben – wie auch gene­rell Flucht nie kri­mi­na­li­siert wer­den soll­te. Streng genom­men ist die Ein­rei­se von Men­schen mit ande­rer Staats­an­ge­hö­rig­kei­ten ohne Visum aber wei­ter­hin rechts­wid­rig und die Unter­stüt­zung der Flucht nach Deutsch­land sogar straf­bar. Hier soll­te die Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Klar­heit schaf­fen, dass es zu kei­ner Straf­ver­fol­gung kom­men wird, und zudem die Bun­des­po­li­zei anwei­sen, die­sen Men­schen Aus­nah­me­vi­sa zu erteilen.

Denn für die­je­ni­gen ohne visums­freie Ein­rei­se, die nicht unter den Schutz der Richt­li­nie fal­len, muss es drin­gend eine Lösung geben. Sie müs­sen eine Ver­schnauf­pau­se bekom­men, in der sie sich aus­ru­hen, neu ori­en­tie­ren und bera­ten las­sen kön­nen. Sol­che Aus­nah­me­vi­sa sind in Para­graf 14 Absatz 2 des Auf­ent­halts­ge­set­zes vorgesehen.

Zum Hin­ter­grund:
Der Vor­schlag der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on umfasst fol­gen­de Personengruppen:

•          Ukrai­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, die seit dem 24. Febru­ar 2022 im Zuge des rus­si­schen Angriffs auf die Ukrai­ne ver­trie­ben wurden.

•          Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge oder Staa­ten­lo­se, die eben­so seit dem 24. Febru­ar 2022 aus der Ukrai­ne flie­hen muss­ten und die nicht in ihre Hei­mat­län­der zurück kön­nen. Hier­zu kön­nen in der Ukrai­ne als Flücht­lin­ge aner­kann­te Per­so­nen gehö­ren und Per­so­nen, die zum Zeit­punkt des Angriffs in der Ukrai­ne im Asyl­ver­fah­ren waren.  Außer­dem sol­len auch Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge, die einen lang­fris­ti­gen Auf­ent­halt in der Ukrai­ne hat­ten, von dem vor­über­ge­hen­den Schutz umfasst werden.

•          Fami­li­en­mit­glie­der von Ange­hö­ri­gen die­ser bei­den Grup­pen, wenn die Fami­lie schon in der Ukrai­ne bestand und unab­hän­gig davon, ob die Ange­hö­ri­gen in ihre Hei­mat­län­der zurück­keh­ren könn­ten. Zur Fami­lie gehö­ren Ehepartner*innen und unver­hei­ra­te­te Paa­re in lang­fris­ti­ger Bezie­hung, min­der­jäh­ri­ge Kin­der sowie ande­re im Haus­halt leben­de Ver­wand­te, die von der Haupt­per­son abhän­gig sind.

Die EU-Richt­li­nie ist in Deutsch­land in § 24 Auf­enthG umge­setzt. Der dar­in gere­gel­te „vor­über­ge­hen­de Schutz“ eröff­net das Recht auf Arbeit, Sozi­al­leis­tun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz sowie das Recht auf Fami­li­en­nach­zug (im Lau­fe des Tages wird PRO ASYL wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum § 24 Auf­enthG auf der Home­page veröffentlichen).

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