24.11.2021

Posi­ti­ven Eini­gun­gen wie zum Fami­li­en­nach­zug,  zum Blei­be­recht  und zur Abschaf­fung der Arbeits­ver­bo­te steht die wei­ter fort­be­stehen­de bis zu 18-mona­ti­ge Iso­lie­rung Schutz­su­chen­der in Erst­auf­nah­me­la­gern gegen­über, ana­ly­siert PRO ASYL die Ergeb­nis­se der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen. Im Inland gibt es Licht und Schat­ten. PRO ASYL begrüßt die Ver­bes­se­run­gen beim Fami­li­en­nach­zug, die ver­ab­re­de­ten gesetz­li­chen Ver­bes­se­run­gen etwa beim Blei­be­recht, bei der Abschaf­fung der Arbeits- und Aus­bil­dungs­ver­bo­te. „Alle beschlos­se­nen Geset­zes­än­de­run­gen müs­sen nun in einem 100 Tage-Pro­gramm gesetz­lich auf den Weg gebracht wer­den“, for­dert Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL. 100 Tage-Pro­gramm nötigZu einem 100 Tage-Pro­gramm gehört auch die  Auf­nah­me von bedroh­ten Men­schen­rechts­ver­tei­di­gern aus Afgha­ni­stan. Ein Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm muss schnell kom­men, und auch  Afghan*innen, die über Sub­un­ter­neh­men für deut­sche Ein­rich­tun­gen und Minis­te­ri­en gear­bei­tet haben, sowie die bedroh­ten erwach­se­nen Fami­li­en­mit­glie­der schüt­zen. Tief ent­täuscht sind wir jedoch, dass die künf­ti­ge Regie­rung die bis zu 18-mona­ti­ge Iso­lie­rung in den Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen nicht antas­tet“, kri­ti­siert  Burk­hardt. „So wer­den gezielt Schutz­su­chen­de aus­ge­grenzt, das Ankom­men erschwert.“ Zwar spricht sich die künf­ti­ge Regie­rung gegen AnkER-Zen­tren aus,   ver­ab­re­det aber (noch) nicht, die gesetz­li­che Begren­zung der Auf­ent­halts­dau­er in der Erst­auf­nah­me von 18 Mona­te auf längs­tens drei Mona­te zurückzunehmen.

Der Koali­ti­ons­ver­trag weist eine wei­te­re bedenk­li­che Leer­stel­le auf: Dass wei­ter­hin Kran­ke und Trau­ma­ti­sier­te abge­scho­ben wer­den kön­nen, darf nicht das letz­te Wort sein.  Abschie­bun­gen in Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­te wer­den nicht klar aus­ge­schlos­sen. Abschie­bun­gen ins Elend an den EU-Gren­zen  müs­sen auf­hö­ren – zu die­sem Punkt ist der Koali­ti­ons­ver­trag inter­pre­ta­ti­ons­of­fen. Ent­schei­den­de Zukunfts­fra­ge des Asyl­rechts liegt in Euro­paDoch die Zukunft des Flücht­lings­schut­zes ent­schei­det sich in Euro­pa. Her­me­tisch abge­schlos­se­ne EU-Gren­zen kom­bi­niert mit sys­te­ma­ti­schen Push­backs zu Land und zu See dro­hen, das Asyl­recht zu zer­stö­ren. „Wir erwar­ten, dass die neue Koali­ti­on in Euro­pa  für das Asyl­recht kämpft und Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen gegen­über den EU Staa­ten klar benennt. Jeg­li­che finan­zi­el­le Unter­stüt­zung für Staa­ten wie Polen, Ungarn, Grie­chen­land und Kroa­ti­en muss ein­ge­stellt wer­den, wenn die Push­backs dort wei­ter­ge­hen. Kein Euro aus deut­schen oder EU-Mit­teln darf in den Bau neu­er Mau­ern und Fes­tungs­an­la­gen flie­ßen“, for­dert Gün­ter Burk­hardt.Neu­es Innen­mi­nis­te­ri­um muss sich in EU für Recht auf Asyl ein­set­zenDie Zukunft des Flücht­lings­schut­zes ent­schei­det sich nicht in Deutsch­land, son­dern auf den ägäi­schen Inseln, im Mit­tel­meer sowie an den pol­ni­schen, kroa­ti­schen und grie­chi­schen Land­gren­zen. Wenn ille­ga­le Zurück­wei­sun­gen – soge­nann­te  Push­backs – an die­sen Gren­zen wei­ter­ge­hen, dann haben auch natio­na­le Ver­bes­se­run­gen nur begrenz­te Wir­kung. „Die Ampel muss  in Euro­pa Far­be beken­nen: Wir erwar­ten, dass sich das neu geführ­te Innen­mi­nis­te­ri­um in der EU für den Zugang zum Recht auf Asyl an den EU-Gren­zen stark macht, Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen klar gegen­über den EU-Mit­glied­staa­ten benennt und sich mit allen Mit­teln für einen effek­ti­ven Men­schen­rechts­schutz ein­setzt.  Sol­chen Wor­ten müs­sen dann auch Taten fol­gen, wie ein Ende finan­zi­el­ler und ande­rer Unter­stüt­zung für den Grenz­schutz von Län­dern, die rechts­staat­li­che Prin­zi­pi­en miss­ach­ten“, betont Burk­hardt. Hoff­nung für getrenn­te Fami­li­enDie Ergeb­nis­se der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen machen getrenn­ten Fami­li­en Hoff­nung: Die Ver­bes­se­rung bei den Rechts­grund­la­gen und die vor­ge­se­he­ne Beschleu­ni­gung beim Fami­li­en­nach­zug bedeu­ten, dass die jah­re­lan­ge Tren­nung von ihren Fami­li­en abseh­bar ein Ende haben wird. „Nach jah­re­lan­gem Kampf der Betrof­fe­nen und der Zivil­ge­sell­schaft ist die not­wen­di­ge Ver­bes­se­rung beim Fami­li­en­nach­zug zum Grei­fen nahe. Doch auch bei erfolg­ter Ände­rung der Geset­ze  ist die Arbeit nicht vor­bei – wir brau­chen im Aus­wär­ti­gen Amt schnel­le­re, digi­ta­le und unbü­ro­kra­ti­sche Abläu­fe,  um end­lich eine zügi­ge Bear­bei­tung der Ver­fah­ren zu errei­chen“, kom­men­tiert Burk­hardt.  Auch bezüg­lich des Spur­wech­sels wer­den im Koali­ti­ons­ver­trag rich­ti­ge Wege ein­ge­schla­gen. Die­se zu beschrei­ten, liegt pri­mär beim Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, das in den letz­ten Jah­ren eine Geset­zes­ver­schär­fung nach der ande­ren vor­ge­legt hat und stets die restrik­tivs­te Aus­le­gungs­art von Vor­schrif­ten ver­tre­ten hat.  Auf­nah­me­pro­gram­me für Afghan*innen nötigWie ernst es die neue Bun­des­re­gie­rung mit dem Schutz von Men­schen­rech­ten meint, wird sich auch an der kon­kre­ten Aus­ge­stal­tung einer Auf­nah­me aus Afgha­ni­stan zei­gen. Ein Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm muss so aus­ge­stal­tet wer­den, dass auch Afghan*innen, die über Sub­un­ter­neh­men für deut­sche Ein­rich­tun­gen und Minis­te­ri­en gear­bei­tet haben, sowie die bedroh­ten erwach­se­nen Fami­li­en­mit­glie­der geschützt wer­den. Die Auf­nah­me von bedroh­ten Men­schen aus Afgha­ni­stan muss – inklu­si­ve der erwach­se­nen Fami­li­en­mit­glie­der – wei­ter­ge­führt wer­den. „Wir erwar­ten jetzt sofort ein groß­zü­gi­ges und ent­schie­de­nes Auf­nah­me­pro­gramm für ver­folg­te Afghan*innen im Rah­men eines 100 Tage-Pro­gram­mes“, sagt Burk­hardt. Schutz­su­chen­de Men­schen die Gren­zen pas­sie­ren las­senFür PRO ASYL geht es in den nächs­ten Jah­ren um die alles ent­schei­den­de Fra­ge, ob der Zugang zum indi­vi­du­el­len Recht auf Asyl an Euro­pas Gren­zen über­haupt noch mög­lich ist. Zwar bekennt sich die Ampel „zur huma­ni­tä­ren Ver­ant­wor­tung, die sich aus dem Grund­ge­setz, aus der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on sowie der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ergibt“ und ver­spricht, mit den euro­päi­schen Part­nern Anstren­gun­gen zu unter­neh­men, „das Ster­ben auf dem Mit­tel­meer genau­so wie das Leid an den euro­päi­schen Außen­gren­zen zu been­den“.Aber die­sen Wor­ten müs­sen nun Taten fol­gen. Das Kanz­ler­amt, Innen- und Außen­mi­nis­te­ri­um müs­sen wirk­sa­men Druck auf ande­re EU-Staa­ten aus­üben, Schutz­su­chen­de die Gren­zen pas­sie­ren zu las­sen und den Zugang zum Recht zu ermög­li­chen. „Dies wird zur Nagel­pro­be für die Glaub­wür­dig­keit die­ser Regie­rung wer­den“, sagt Burkhardt.

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