09.05.2023

Beim Flücht­lings­gip­fel am Mitt­woch, 10. Mai 2023, wer­den die Ergeb­nis­se der Arbeits­grup­pen des Febru­ar­gip­fels vor­ge­stellt und dis­ku­tiert. Ers­te Ein­bli­cke in die Ergeb­nis­se las­sen neben ein paar sinn­vol­len Maß­nah­men, wie die zur Ent­las­tung der Aus­län­der­be­hör­den, Schlim­mes erah­nen: Die Bun­des­re­gie­rung will nun wie die Vor­gän­ger­re­gie­rung auf AnkER-Zen­tren, auf „siche­re Her­kunfts­staa­ten”, auf mehr und län­ge­re Abschie­bungs­haft sowie auf stär­ke­re Abschot­tung an den Außen­gren­zen set­zen.

„Anstatt den Bun­des­län­dern bei der Finan­zie­rungs­fra­ge ent­ge­gen­zu­kom­men, will die Bun­des­re­gie­rung sie mit Geset­zes­ver­schär­fun­gen auf Kos­ten der Geflüch­te­ten ruhig stel­len. Innen­mi­nis­te­rin Fae­ser setzt dabei auf alte See­ho­fer-Rezep­te, die den Druck auf geflüch­te­te Men­schen erhö­hen, sie iso­lie­ren und letzt­lich vor allem ein Ziel haben: Dass mög­lichst weni­ge Flie­hen­de nach Deutsch­land kom­men. Der aktu­el­le Abschie­bungs- und Abschot­tungs­ak­tio­nis­mus löst nicht die Pro­ble­me der Kom­mu­nen, son­dern ver­stärkt ras­sis­ti­sche Stim­mun­gen. Die meis­ten Schutz­su­chen­den kom­men aus Län­dern wie Syri­en, Afgha­ni­stan, Tür­kei oder dem Iran, in denen Gewalt, Dik­ta­tur und Ver­fol­gung herr­schen. Die­se Men­schen haben ein Recht auf Schutz”, kom­men­tiert Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL.

Unter­brin­gungs­po­li­tik: Auf­wär­mung des AnkER-Kon­zepts ist kei­ne Lösung

Seit Mona­ten berich­ten vie­le Kom­mu­nen und Behör­den von gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen bei der men­schen­wür­di­gen Unter­brin­gung von geflüch­te­ten Men­schen und der Bear­bei­tung ihrer ver­schie­de­nen Anlie­gen sowie der unzu­rei­chen­den finan­zi­el­len Unter­stüt­zung durch den Bund. Hier gilt es, schnel­le und prak­ti­sche Lösun­gen zu fin­den, wie im letz­ten Jahr mit den geflüch­te­ten Men­schen aus der Ukrai­ne gesche­hen. Mehr­fach haben PRO ASYL und Flücht­lings­rä­te an Bun­des­re­gie­rung und Län­der appel­liert, auf star­re Rege­lun­gen zu ver­zich­ten, die Men­schen zwin­gen, in staat­li­chen Unter­künf­ten statt pri­vat zu woh­nen, oder sie bei ihrer Woh­nungs­su­che einschränken.

Statt sol­che prag­ma­ti­schen Wege zu gehen, will die Bun­des­re­gie­rung wohl ein Pres­ti­ge­pro­jekt des frü­he­ren CSU-Innen­mi­nis­ters Horst See­ho­fer neu auf­le­ben las­sen: Die AnkER-Zen­tren. Dabei steht ein­deu­tig im Koali­ti­ons­ver­trag: „Das Kon­zept der AnkER-Zen­tren wird von der Bun­des­re­gie­rung nicht weiterverfolgt.”

Die gewünsch­te Beschleu­ni­gung von Asyl­ver­fah­ren in AnkER-Zen­tren wird aber gar nicht erreicht, sie sind dort laut Eva­lua­ti­ons­be­richt des BAMF mit 77 statt 82 Tagen kaum kür­zer. Dafür lei­det die Qua­li­tät der Asyl­ver­fah­ren, die Gesund­heit der Men­schen und sie haben weni­ger Mög­lich­kei­ten, in Deutsch­land anzu­kom­men. Auch Abschie­bun­gen sind nicht leich­ter in sol­chen gro­ßen Unter­brin­gun­gen durch­zu­füh­ren, füh­ren aber der Erfah­rung nach zu (Re-)Traumatisierung der ande­ren Bewohner*innen. Ein brei­tes Bünd­nis deut­scher zivil­ge­sell­schaft­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen sprach sich des­we­gen vor der Bun­des­tags­wahl 2021 gegen AnkER-Zen­tren und für eine zukunfts­ori­en­tier­te Erst­auf­nah­me aus (sie­he hier die Erklä­rung und hier die Erläu­te­run­gen zu den Pro­ble­men).

Rea­li­täts­fern: Mol­dau und Geor­gi­en als „siche­re Her­kunfts­staa­ten“

Laut Medi­en­be­rich­ten sol­len Geor­gi­en und Mol­dau als soge­nann­te “siche­re Her­kunfts­staa­ten” ein­ge­stuft wer­den.

“Beson­ders nega­tiv über­rascht sind wir davon, dass die Bun­des­re­gie­rung mit dem alten Trick der angeb­lich siche­ren Her­kunfts­staa­ten um die Ecke kommt – und das bei grü­ner Regie­rungs­be­tei­li­gung, obwohl die Grü­nen zurecht die­ses Kon­zept auf­grund der nega­ti­ven Kon­se­quen­zen für fai­re Asyl­ver­fah­ren stets abge­lehnt haben. Dass hier aus­ge­rech­net Mol­dau und Geor­gi­en ins Spiel gebracht wer­den, ist ange­sichts der dor­ti­gen Angst vor einem rus­si­schen Ein­marsch beson­ders rea­li­täts­fremd”, so Wieb­ke Judith.

Im Koali­ti­ons­ver­trag ist eine Aus­wei­tung der “siche­ren Her­kunfts­staa­ten” expli­zit nicht vor­ge­se­hen, son­dern ledig­lich eine inter­ne Prio­ri­sie­rung der Her­kunfts­län­der mit nied­ri­ger Aner­ken­nungs­quo­te beim BAMF – was nicht mit der Vor­ver­ur­tei­lung und schlech­te­ren Ver­fah­rens­rech­ten wie bei “siche­ren Her­kunfts­staa­ten” ein­her­geht.

Von geor­gi­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen wur­den bis Ende April 3.400 Asy­l­erst­an­trä­ge (cir­ca 3% der gesam­ten Erst­an­trä­ge) und von mol­daui­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen wur­den 690 Erst­an­trä­ge gestellt (weni­ger als 1% der gesam­ten Erst­an­trä­ge). Folg­lich sind durch die­se Maß­nah­me kei­ne erheb­li­chen Aus­wir­kun­gen auf die Flücht­lings­zah­len zu erwar­ten. Die gro­ße Mehr­heit der Schutz­su­chen­den in Deutsch­land hat ein Recht auf Schutz, wie die Rekord­schutz­quo­te 2022 von 72% zeigt. Auch hat die Ver­gan­gen­heit gezeigt, dass die Anwen­dung des Kon­zepts der “siche­ren Her­kunfts­staa­ten” nur zu einem Zeit­er­spar­nis von 10 Minu­ten führt.

Umset­zung des Koali­ti­ons­ver­trags statt Abschot­tungs­po­li­tik

PRO ASYL kri­ti­siert auch stark die neue Posi­ti­on der Bun­des­re­gie­rung bezüg­lich Grenz­ver­fah­ren unter Haft­be­din­gun­gen an den EU-Außen­gren­zen (sie­he hier­zu Pres­se­er­klä­rung vom 28. April 2023). Es ist dabei beson­ders maka­ber, die­se Ein­schnit­te in Men­schen­rech­te als Lösung für die aktu­el­len Pro­ble­me der Kom­mu­nen zu ver­kau­fen.

PRO ASYL for­dert die kon­se­quen­te Umset­zung des Koali­ti­ons­ver­trags, ein sofor­ti­ges Ende der Stim­mungs­ma­che gegen geflüch­te­te Men­schen und den unbe­ding­ten Zugang zu fai­ren und sorg­fäl­ti­gen Asyl­ver­fah­ren für alle schutz­su­chen­den Menschen.

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