06.07.2022

PRO ASYL begrüßt, dass die Bun­des­re­gie­rung mit dem heu­te vom Bun­des­ka­bi­nett ver­ab­schie­de­ten Chan­cen-Auf­ent­halts­recht Lang­zeit­ge­dul­de­ten eine Per­spek­ti­ve geben und Ket­ten­dul­dun­gen ver­mei­den will. Doch Nach­bes­se­run­gen sind nötig, sonst droht zum Bei­spiel eine Art Bleiberechtslotterie. 

„Um einen Para­dig­men­wech­sel in der Asyl- und Migra­ti­ons­po­li­tik zu voll­zie­hen, muss der Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren deut­lich nach­ge­bes­sert und prä­zi­siert wer­den“, sagt Karl Kopp, Lei­ter der Euro­pa-Abtei­lung von PRO ASYL.

Aus Sicht der Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on PRO ASYL sind unter ande­rem fol­gen­de Nach­jus­tie­run­gen essen­ti­ell für eine erfolg­rei­che Regelung:

Pro­ble­ma­ti­scher Stich­tag 1. Janu­ar 2022
Im Kabi­netts­ent­wurf ist wei­ter­hin der 1. Janu­ar 2022 als Stich­tag für das Chan­cen-Auf­ent­halts­recht vor­ge­se­hen. Da sich der Gesetz­ge­bungs­pro­zess aber unter ande­rem durch den Krieg in der Ukrai­ne ver­zö­ger­te, ist die­ser Stich­tag nicht mehr ange­bracht. Denn bei Inkraft­tre­ten des Geset­zes wer­den mehr Men­schen min­des­tens fünf Jah­re lang in Deutsch­land leben als am 1. Janu­ar 2022. Die­se wer­den jedoch nicht vom Chan­cen­auf­ent­halts­recht pro­fi­tie­ren dür­fen. Noch bes­ser wäre es, das Gesetz ganz zu ent­fris­ten, also kei­nen Stich­tag fest­zu­le­gen, um auch künf­tig Ket­ten-Dul­dun­gen zu vermeiden.

„Iden­ti­täts­klä­rung“ – dro­hen­der Fli­cken­tep­pich bei der Umsetzung 
Eine gro­ße Hür­de bei der Iden­ti­täts­klä­rung ist oft die Beschaf­fung eines Pas­ses. Und so droht auch mit dem heu­ti­gen Gesetz­ent­wurf die Gefahr, dass prak­ti­sche Pro­ble­me wie die Wei­ge­rung einer Bot­schaft, einen Pass aus­zu­stel­len, bestehen blei­ben und ver­hin­dern, dass die Men­schen von der neu­en Rege­lung profitieren.
Der Hin­weis im Gesetz­ent­wurf, dass „die Aus­län­der­be­hör­de auch kon­kre­te Hand­lungs­pflich­ten, die in zumut­ba­rer Wei­se zu erfül­len sind, bezeich­nen“ soll, ist sicher­lich als Prä­zi­sie­rung und Nach­schär­fung gedacht. Aus Sicht von PRO ASYL wird das aber nicht die not­wen­di­ge Klar­heit schaf­fen. „Die Gefahr ist sehr groß, dass sich ohne Prä­zi­sie­run­gen im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren völ­lig diver­gie­ren­de Prak­ti­ken bei den Aus­län­der­be­hör­den ent­wi­ckeln – eine Art Blei­be­rechts­lot­te­rie“, warnt Karl Kopp. PRO ASYL for­dert des­halb, dass die Iden­ti­täts­klä­rung durch „Ver­si­che­rung an Eides“ statt, die der Koali­ti­ons­ver­trag vor­sieht, schon jetzt umge­setzt wird.

Dro­hen­der Rück­fall in die Dul­dung nach einem Jahr
Sofern die Vor­aus­set­zun­gen für die Ertei­lung einer Auf­ent­halts­er­laub­nis nach der ein­jäh­ri­gen Auf­ent­halts­dau­er nicht erfüllt sind, „fal­len die Betrof­fe­nen in den Sta­tus der Dul­dung zurück, da es sich beim Chan­cen-Auf­ent­halts­recht um eine ein­ma­li­ge Son­der­re­ge­lung han­delt…“, heißt es im Kabinettsentwurf.
PRO ASYL befürch­tet, dass es vie­len Begüns­tig­ten des Chan­cen-Auf­ent­halts­rechts nicht gelin­gen wird, inner­halb eines Jah­res sämt­li­che Anfor­de­run­gen zu erfül­len. Ange­sichts der sich ein­trü­ben­den wirt­schaft­li­chen Lage ist es zum Bei­spiel sehr frag­lich, ob Betrof­fe­ne es schaf­fen, ihren Lebens­un­ter­halt über­wie­gend selbst zu sichern.

Vor­griffs­re­ge­lung in den Bun­des­län­dern notwendig 
Bis das Chan­cen­auf­ent­halts­recht wirk­lich in Kraft tritt, soll­te das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um zudem alle Bun­des­län­der dazu auf­for­dern, ent­spre­chen­de Vor­griffs­re­ge­lun­gen zu erlas­sen. Denn sonst kön­nen der­zeit Schutz­su­chen­de abge­scho­ben wer­den, die mit dem neu­en Gesetz in Deutsch­land blei­ben und sich ein Zukunft auf­bau­en könn­ten. Die Ver­zö­ge­run­gen dür­fen nicht zulas­ten der Betrof­fe­nen gehen.

Alle Presse­mitteilungen