20.01.2022

Die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on kri­ti­siert die Dar­stel­lung des Minis­te­ri­ums zur Situa­ti­on afgha­ni­scher Orts­kräf­te als „rea­li­täts­fern und ver­harm­lo­send“. PRO ASYL lie­gen zahl­rei­che Fäl­le von ehe­ma­li­gen Mitarbeiter*innen der deut­schen Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit vor, die von den Tali­ban bedroht oder ver­folgt werden. 

PRO ASYL wider­spricht der heu­te vom BMZ ver­kün­de­ten Dar­stel­lung, dass afgha­ni­sche Orts­kräf­te der deut­schen Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit in Afgha­ni­stan nicht in Gefahr sei­en. „Alle, die sicht­bar für west­li­che Orga­ni­sa­tio­nen gear­bei­tet haben, sind in Gefahr“, erklärt Geschäfts­füh­rer Gün­ter Burk­hardt. PRO ASYL kri­ti­siert eine völ­li­ge Fehl­ein­schät­zung des BMZ bei der Aus­le­gung des Begriffs Orts­kraft. Es ist ein unge­lös­tes Pro­blem, dass das BMZ nur die als Orts­kraft defi­niert, die mit Arbeits­ver­trä­gen aus­ge­stat­tet waren – und Hono­rar­kräf­te sowie Sub­un­ter­neh­mer aus­schließt. Burk­hardt appel­liert an die neue Spit­ze des BMZ, „nicht die Augen zu ver­schlie­ßen vor der bedroh­li­chen Situa­ti­on vie­ler ehe­ma­li­ger de fac­to Mitarbeiter*innen.  Die Orts­kräf­te-Defi­ni­ti­on der Vor­gän­ger­re­gie­rung muss der Rea­li­tät ange­passt wer­den. Die Tali­ban ori­en­tie­ren sich nicht am Arbeits­ver­trag, son­dern an der Tätig­keit. Die heu­ti­gen Äuße­run­gen des BMZ ver­harm­lo­sen die Lage“, sagt Burkhardt.

PRO ASYL lie­gen dra­ma­ti­sche Fäl­le vor, die zei­gen, dass Orts­kräf­te der deut­schen Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit sehr wohl von den Tali­ban ver­folgt wer­den – etwa Said (Name geän­dert), der zwei Jah­re lang als eine Art Hono­rar­kraft in einem GIZ‑Projekt gear­bei­tet hat und mehr­fach von den Tali­ban bedroht wur­de. Nach ihrer Macht­über­nah­me haben die Tali­ban nach ihm gesucht und ihm Droh­schrei­ben geschickt; sein Vater und Bru­der waren von ihnen getö­tet worden.

BMZ beruft sich dar­auf, die Gefähr­dung kön­ne nicht vor Ort über­prüft werden

Das ist kein Ein­zel­fall: PRO ASYL hat zahl­rei­che Hil­fe­ru­fe von soge­nann­ten »Faci­li­ta­tors«, Ver­mitt­lern, erhal­ten, die im Rah­men eines GIZ-Pro­jekts tätig und bei­spiels­wei­se zustän­dig für die Alpha­be­ti­sie­rung von Polizist*innen waren. Sie haben zum Teil mehr­fach täg­lich Kur­se gege­ben, waren also sehr expo­niert. Da sie aber kei­ne direk­ten Ver­trä­ge bei der GIZ hat­ten, wer­den sie nicht als Orts­kräf­te aner­kannt. Doch auch jene, die unter die klas­si­sche Orts­kräf­te­de­fi­ni­ti­on fal­len, sind gefähr­det. Auch hier­zu sind PRO ASYL Fäl­le bekannt.

Der Flücht­lings­rat Nie­der­sach­sen berich­te­te bereits Anfang Dezem­ber, dass 161 afgha­ni­sche Orts­kräf­te, die für die GIZ tätig waren, ihr Recht auf Eva­ku­ie­rung ein­for­der­ten. Ihre Fäl­le hät­ten sich BMZ, Aus­wär­ti­ges Amt und GIZ gegen­sei­tig zuge­scho­ben. „Vie­le Men­schen, die die Kri­te­ri­en erfül­len, haben bis­lang weder eine Rück­mel­dung, geschwei­ge denn eine Auf­nah­me­zu­sa­ge von deut­schen Stel­len erhal­ten“, kri­ti­siert Maryam Moham­ma­di, Refe­ren­tin beim Flücht­lings­rat Nie­der­sach­sen und ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­te­rin der GIZ in Afghanistan.

Das BMZ führt an, ihm lägen kei­ne eige­nen, nach­prüf­ba­ren Erkennt­nis­se zur Bedro­hungs­la­ge ehe­ma­li­ger Mitarbeiter*innen vor und Berich­te von Afghan*innen könn­ten „nicht veri­fi­ziert“ wer­den, weil kei­ne Deut­schen vor Ort sind. Eine sol­che Argu­men­ta­ti­on bestraft die bedroh­ten Men­schen gleich dop­pelt: Erst sehen sie sich mit dem Abzug der west­li­chen Trup­pen allein­ge­las­sen und den Tali­ban hilf­los aus­ge­lie­fert, und jetzt wird ihren ver­zwei­fel­ten Hil­fe­ru­fen von­sei­ten deut­scher Behör­den miss­traut – weil deut­sche Beam­te das nicht vor Ort nach­prü­fen können.

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