10.11.2022

Anläss­lich der für heu­te geplan­ten Ver­ab­schie­dung des Bür­ger­geld­ge­set­zes im Bun­des­tag legen PRO ASYL und der Flücht­lings­rat Ber­lin eine umfas­sen­de Ana­ly­se des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes vor, die zeigt: Das Son­der­ge­setz für Asyl­su­chen­de ist dis­kri­mi­nie­rend und gehört abgeschafft. 

Mit dem geplan­ten Bür­ger­geld­ge­setz bekommt Hartz IV einen neu­en Namen. Die Beträ­ge wer­den infla­ti­ons­be­dingt ange­ho­ben und es soll Erleich­te­run­gen bei Frei­be­trä­gen und Sank­tio­nen geben. Etwas Wesent­li­ches ändert sich nicht: Vie­le Geflüch­te­te erhal­ten wei­ter­hin kei­ne regu­lä­ren Sozi­al­leis­tun­gen. Die dis­kri­mi­nie­ren­den Aus­schlüs­se für Asyl­su­chen­de und Gedul­de­te aus Hartz IV wer­den unver­än­dert in das Bür­ger­geld­ge­setz über­nom­men (§ 7 Abs. 1 SGB II) – sie wer­den wei­ter­hin auf das soge­nann­te Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz (Asyl­bLG) verwiesen.

Dabei hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt fest­ge­stellt, dass das Grund­recht auf Gewähr­leis­tung eines men­schen­wür­di­gen Exis­tenz­mi­ni­mums für alle in Deutsch­land leben­den Men­schen glei­cher­ma­ßen gilt, und dass die­ses Grund­recht nicht aus migra­ti­ons­po­li­ti­schen Grün­den rela­ti­viert wer­den darf (BVerfG vom 18.07.2012). Die Ampel-Koali­ti­on hält den­noch am dis­kri­mi­nie­ren­den Asyl­bLG fest.

„Hier wur­de eine gro­ße Chan­ce ver­tan, mit Ein­füh­rung des Bür­ger­gel­des alle Geflüch­te­te end­lich in das nor­ma­le Sozi­al­sys­tem zu inte­grie­ren. Das Fest­hal­ten am Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz mit sei­nem gekürz­ten Exis­tenz­mi­ni­mum für Geflüch­te­te, dem Ent­zug von Bar­geld und der Ver­sor­gung durch Sach­leis­tun­gen ist eine bewuss­te Demü­ti­gung und Ent­mün­di­gung von schutz­su­chen­den Per­so­nen in Deutsch­land“, so Georg Clas­sen vom Flücht­lings­rat Berlin.

Auch Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL, kri­ti­siert: „Ein sol­ches dis­kri­mi­nie­ren­des Son­der­ge­setz ist aus der Zeit gefal­len, das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz gehört end­lich abge­schafft. Ein men­schen­wür­di­ges und mög­lichst selbst­be­stimm­tes Leben soll­te allen Geflüch­te­ten von Anfang an in Deutsch­land ermög­licht wer­den. Die völ­lig unzu­rei­chen­den Leis­tun­gen in dem Gesetz sowie wei­te­re aus­gren­zen­den Maß­nah­men wie das Arbeits­ver­bot oder die Unter­brin­gung in Sam­mel­un­ter­künf­ten erschwe­ren Schutz­su­chen­den unnö­ti­ger­wei­se das Ankommen.“

Das Asyl­bLG sieht Sach­leis­tun­gen für Essen, Klei­dung und Unter­kunft, eine men­schen­rechts­wid­ri­ge Mini­mal­me­di­zin, im Fall von Geld­leis­tun­gen gene­rell gekürz­te Regel­sät­ze für Erwach­se­ne und Kin­der, eine noch­ma­li­ge 10%ige Kür­zung für Allein­ste­hen­de und Allein­er­zie­hen­de in Sam­mel­un­ter­künf­ten sowie Sank­tio­nen mit Kür­zun­gen der Regel­leis­tun­gen um weit mehr als die Hälf­te vor.

PRO ASYL legt heu­te gemein­sam mit dem Flücht­lings­rat Ber­lin anläss­lich der Ver­ab­schie­dung des Bür­ger­geld­ge­set­zes die umfas­sen­de Ana­ly­seDas Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz – Ein­schrän­kun­gen des Grund­rechts auf ein menschenwürdiges Exis­tenz­mi­ni­mum für Geflüchtete. Bedarfs­de­ckung und Regel­sät­ze nach Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz, Hartz IV und Bürgergeldgesetz vor. Dar­in wer­den im Detail His­to­rie und Ziel­set­zung des Geset­zes sowie die Metho­dik zur Ermitt­lung der Hartz-IV-Regel­sät­ze (künf­tig „Bür­ger­geld“ genannt) und der Leis­tungs­sät­ze des Asyl­bLG unter­sucht. Beson­ders pro­ble­ma­tisch tritt dabei das angeb­lich gerin­ge­re Exis­tenz­mi­ni­mum geflüch­te­ter Men­schen nach dem Asyl­bLG zuta­ge. Bei der schein­bar objek­ti­ven empi­ri­schen „Bedarfs­er­mitt­lung“ zei­gen sich gra­vie­ren­de Män­gel. Sehr vie­le Bedar­fe von Asyl­su­chen­den lässt der Gesetz­ge­ber ohne nach­voll­zieh­ba­re Begrün­dung ein­fach unter den Tisch fallen.

Das Gesetz steht der­zeit erneut beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in Karls­ru­he auf dem Prüf­stand (Akten­zei­chen 1 BvL 3/21 und 1 BvL 5/21). PRO ASYL und alle Lan­des­flücht­lings­rä­te for­dern die Abschaf­fung des dis­kri­mi­nie­ren­den Son­der­ge­set­zes und die Ein­be­zie­hung aller Geflüch­te­ten in das Bürgergeldgesetz.

Kon­takt für Presseanfragen:

Flücht­lings­rat Ber­lin: Georg Clas­sen, georg.classen@gmx.net

PRO ASYL: presse@proasyl.de, 069–242314-30

Alle Presse­mitteilungen