Europäischer Gerichtshof folgt nicht dem Antrag des Generalanwalts: Ein trauriger Tag für den Flüchtlingsschutz – ein Feiertag für die Festungsbauer und die Schlepperindustrie
Der Europäische Gerichtshof ist dem Antrag von Generalanwalt Paolo Mengozzi nicht gefolgt: EU-Staaten seien nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, humanitäre Visa für Schutzsuchende auszustellen. Es stehe ihnen weiterhin frei, dies auf Grundlage ihres nationalen Rechts zu tun. »Das heutige Urteil ist ein trauriger Tag für den Flüchtlingsschutz und ein Feiertag für die Festungsbauer und die Schlepperindustrie«, so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL.
PRO ASYL dankt Professor Mengozzi. Der renommierte Jurist hat die Europäische Union daran erinnert, was die Essenz des europäischen Projektes einmal ausgemacht hat: Flüchtlingsschutz, Menschenwürde, das Recht auf Leben, das Verbot unmenschlicher Behandlung, das absolute Verbot der Folter und der Schutz des Kindeswohls. Nach Ansicht Mengozzis müssen Staaten abklären, ob humanitäre Gründe im individuellen Fall vorliegen würden und falls dies bejaht würde, so erfordere der Visakodex die Erteilung eines Visums. Das Folterverbot in Art. 4 der Charta der Grundrechte und Art. 3 EMRK enthalte eine Verpflichtung der Staaten, so Mengozzi, zu handeln, falls eine Verletzung absehbar sei. Deshalb hätten die EU-Staaten die Pflicht, in diesen Fällen ein Visum zu erteilen. Das Argument, dass eine solche Auslegung zu einem Massenzustrom führen würde, ist nach Mengozzi hintanzustellen, da die fundamentalen Rechte schutzbedürftiger Personen viel höher zu gewichten seien.
PRO ASYL wird weiterhin für legale und gefahrenfreie Wege für Schutzsuchende kämpfen, um das Sterben vor Europas Grenzen zu beenden. Dazu gehören u.a. humanitäre Visa, großzügige Resettlement-Programme, die Erleichterung des Familiennachzugs, aber auch eine andere Migrationspolitik.