06.07.2021

Am Diens­tag wol­len meh­re­re Bun­des­län­der erneut Men­schen in das Kriegs- und Kri­sen­land Afgha­ni­stan abschie­ben. PRO ASYL ver­ur­teilt dies als unver­ant­wort­lich und wider­spricht damit ent­schie­den Bun­des­au­ßen­mi­nis­ter Hei­ko Maas, der Abschie­bun­gen abge­lehn­ter Asyl­be­wer­ber nach Afgha­ni­stan trotz der sich immer wei­ter ver­schlech­tern­den Sicher­heits­la­ge nach wie vor für ver­tret­bar hält. 

PRO ASYL erwar­tet von Maas und sei­nem Aus­wär­ti­gen Amt, einen aktu­el­len Lage­be­richt zu Afgha­ni­stan zu erstel­len, der alle sich über­schla­gen­den Ent­wick­lun­gen der ver­gan­ge­nen Wochen auf­nimmt. Die Bun­des­län­der for­dert PRO ASYL erneut auf, sofort einen Abschie­be­stopp für drei Mona­te zu erlas­sen sowie die für Diens­tag von Han­no­ver aus geplan­te 40. Sam­mel­ab­schie­bung zu stoppen.

Abschie­bun­gen in ein lebens­ge­fähr­li­ches Land unverantwortlich

Die Bun­des­wehr hat ihre letz­ten Sol­da­ten aus Afgha­ni­stan aus­ge­flo­gen, die US-Armee ist kurz vor dem Abschluss ihres Rück­zugs,  die Tali­ban erobern immer mehr Gebie­te und gewin­nen mehr Ein­fluss. „Es ist unver­ant­wort­lich, dass sicher­heits­po­li­ti­sche Fak­ten von den Innen­mi­nis­te­ri­en der Län­der wei­ter­hin weg­ge­schwie­gen wer­den und Hei­ko Maas nichts ande­res ein­fällt, als Abschie­bun­gen in ein lebens­ge­fähr­li­ches Land zu recht­fer­ti­gen. Anstatt einen neu­en Lage­be­richt zu ver­an­las­sen, schaut Maas taten­los zu und recht­fer­tigt die Abschie­bun­gen“, kri­ti­siert Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

„Ein neu­er Lage­be­richt des Aus­wär­ti­gen Amts ist mehr als über­fäl­lig“, so Gün­ter Burk­hardt. Denn der der­zei­ti­ge Lage­be­richt des Aus­wär­ti­gen Amts, auf des­sen Grund­la­ge Behör­den und Gerich­te die Lage ein­schät­zen, ist vom Juli 2020 und somit ein Jahr alt. Dar­in heißt es laut tageschau.de: Dem Aus­wär­ti­gen Amt sei­en „kei­ne Fäl­le bekannt, in denen Rück­keh­rer nach­weis­lich auf­grund ihres Auf­ent­halts in Euro­pa Opfer von Gewalt­ta­ten wurden“.

Maas hat laut dpa am Mon­tag gesagt: „Bis­her gab es sicher­lich eine Zunah­me von Gewalt, die es auch in der Ver­gan­gen­heit gege­ben hat. Soll­te sich das wei­ter dra­ma­ti­sie­ren, wird sich das auch in unse­ren Berich­ten nie­der­schla­gen. Wel­che Aus­wir­kun­gen das dann auf die Fra­ge hat, ob Men­schen noch abge­scho­ben wer­den kön­nen nach Afgha­ni­stan, wird man dann sehen. Bei dem was, wir bis­her an Infor­ma­tio­nen haben, hal­te ich die bis­he­ri­ge Pra­xis aber nach wie vor für vertretbar.“

Lage­be­richt ist ein Jahr alt – Neu­er Bericht ist mehr als überfällig

Doch eine Anfang Juni ver­öf­fent­lich­te Stu­die der Afgha­ni­stan-Exper­tin Frie­de­ri­ke Stahl­mann zur Gefähr­dungs­la­ge Abge­scho­be­ner kommt zu ganz ande­ren Ergeb­nis­sen – und das bei Recher­chen, die vor dem von den west­li­chen Trup­pen ange­kün­dig­ten Trup­pen­ab­zug lagen: Nach den Erkennt­nis­sen der Lang­zeit­re­cher­che, her­aus­ge­ge­ben von Dia­ko­nie und Brot für die Welt, sind aus Deutsch­land abge­scho­be­ne Afgha­nen einer erneu­ten Ver­fol­gung durch die Tali­ban aus­ge­setzt. Ihnen wird wegen der Flucht nach Euro­pa Ver­rat, Ver­west­li­chung, unmo­ra­li­sches Ver­hal­ten oder die Abkehr vom Islam vorgeworfen.

Eine neue, für Asyl­an­trä­ge fun­da­men­tal wich­ti­ge, Erkennt­nis ist: Den Abge­scho­be­nen fehlt meist das für das Über­le­ben not­wen­di­ge sozia­le Netz. Das ist ein Abschie­be­hin­der­nis, denn Gerich­te, dar­un­ter auch der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof in Baden-Würt­tem­berg, hat­ten fest­ge­stellt, dass abge­lehn­ten Afgha­nen eine Rück­kehr ohne ein sta­bi­les fami­liä­res oder sozia­les Netz­werk in Afgha­ni­stan nicht zuzu­mu­ten ist.

Tali­ban rücken immer wei­ter vor

Seit den Recher­chen für die Stu­die ist die Situa­ti­on in Afgha­ni­stan aber noch schlim­mer gewor­den: Die Bun­des­wehr ist bereits abge­zo­gen, die US-Trup­pen wer­den ihren Rück­zug bald abge­schlos­sen haben, die Tali­ban erobern immer mehr Gebie­te (inter­ak­ti­ve Kar­te) und Ein­fluss, Zehn­tau­sen­de Men­schen wur­den bereits laut UNOCHA (Amt der Ver­ein­ten Natio­nen für die Koor­di­nie­rung huma­ni­tä­rer Ange­le­gen­hei­ten) durch die Kämp­fe ver­trie­ben, die Ver­sor­gungs­la­ge wird immer schlech­ter, die Del­ta-Covid-Wel­le droht und die Tali­ban kün­di­gen an, die Scha­ria ein­füh­ren zu wollen.

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