25.04.2023

Am heu­ti­gen Diens­tag­vor­mit­tag stimm­te das litaui­sche Par­la­ment einer Geset­zes­än­de­rung zu, die natio­nal­recht­lich die völ­ker­rechts­wid­ri­ge Pra­xis der Push­backs im Fall eines natio­na­len Not­stands legalisiert.

Die Abstim­mung heu­te war der for­mel­le letz­te Schritt des Gesetz­ge­bungs­pro­zes­ses, bereits am Don­ners­tag, 20. April, war der Geset­zes­vor­stoß per Schnell­ver­fah­ren ange­nom­men wor­den. Am 1. Juni 2023 soll das ein­deu­tig men­schen­rechts­wid­ri­ge Gesetz dann in Kraft treten.

„Die heu­ti­ge Ent­schei­dung des litaui­schen Par­la­ments, Push­backs im natio­na­len Recht zu lega­li­sie­ren, ist eine wei­te­re Bank­rott­erklä­rung für den Flücht­lings­schutz in Euro­pa. Wie bereits in Polen und Ungarn soll auch hier eine Pra­xis zum Gesetz wer­den, die erst kürz­lich vom Euro­pa­rat als Fol­ter ein­ge­stuft wur­de. Die Tal­fahrt des Flücht­lings­schut­zes in der EU hält an. Die Geset­zes­än­de­rung gefähr­det das Leben von Men­schen auf der Flucht und bricht euro­päi­sches und inter­na­tio­na­les Recht. Es braucht einen Auf­schrei der Bun­des­re­gie­rung und der ande­ren Mit­glied­staa­ten, der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on und des Par­la­ments. Ein sol­ches men­schen­rechts­wid­ri­ges Gesetz darf nicht tole­riert wer­den. Poli­ti­scher Druck, Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren und finan­zi­el­le Sank­tio­nen müs­sen die Fol­ge sein“, kom­men­tiert Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL.

Ohne Asyl­an­trag zurück nach Belarus

Die Ände­rung sieht vor, dass Schutz­su­chen­de, die inner­halb einer Fünf-Kilo­me­ter-Zone auf­ge­grif­fen wer­den, nach Bela­rus zurück­ge­bracht wer­den kön­nen, ohne zuvor einen Asyl­an­trag stel­len zu kön­nen und ohne wei­te­re Prü­fung. Zuletzt wur­den auf Vor­schlag des litaui­schen Men­schen­rechts­aus­schus­ses Aus­nah­men für schutz­be­dürf­ti­ge Men­schen wie Kriegs­flücht­lin­ge ein­ge­führt – doch ob und wie das in der Pra­xis grei­fen wür­de ist mehr als frag­lich. Nach­weis­lich droht flie­hen­den Men­schen bei Rück­füh­rung unmensch­li­che und ernied­ri­gen­de Behand­lung durch bela­rus­si­sche Ein­hei­ten sowie die Ver­elen­dung im Grenzgebiet.

Zudem wird durch die Geset­zes­än­de­rung der Ein­satz soge­nann­ter Paten erlaubt, die als Frei­wil­li­ge an der Gren­ze patrouil­lie­ren und Amts­hil­fe unter ande­rem bei Ver­haf­tun­gen von Flie­hen­den leis­ten dür­fen. Dabei gibt es kei­ne Beschrän­kung für „Paten“ aus dem Aus­land – auch rechts­ra­di­ka­le Grup­pie­run­gen dür­fen sich also dem litaui­schen Grenz­schutz anschlie­ßen. Zwar soll das Push­back-Gesetz auf „staat­li­che Not­si­tua­tio­nen“ beschränkt sein, jedoch wird die­se seit dem Som­mer 2021 regel­mä­ßig fest­ge­stellt, womit von einer unbe­grenz­ten Anwen­dung aus­zu­ge­hen ist. Zuletzt wur­de der Not­stand ent­lang der Gren­ze zu Bela­rus bis Mai 2023 verlängert.

EuGH ver­ur­teil­te Litau­ens Völ­ker­rechts­brü­che bereits im Juni 2022 

Bereits seit Som­mer 2021 sind Push­backs an der bela­rus­sisch-litaui­schen Gren­ze und will­kür­li­che Inhaf­tie­run­gen an der Tages­ord­nung. Schutz­su­chen­den wird in Litau­en der Zugang zum Asyl­ver­fah­ren ver­wehrt und sie wer­den in Haft­zen­tren unter­ge­bracht, in denen sie laut Recher­chen von Amnes­ty Inter­na­tio­nal Miss­hand­lun­gen aus­ge­setzt sind.

Der Gerichts­hof der Euro­päi­schen Uni­on ver­ur­teil­te schon im Juni 2022 die durch vor­he­ri­ge Geset­zes­än­de­run­gen kodi­fi­zier­ten Völ­ker­rechts­brü­che Litau­ens: Auch beim Vor­lie­gen von „außer­ge­wöhn­li­chen Umstän­den“ oder einem „mas­si­ven Zustrom“ von Schutz­su­chen­den darf das grund­sätz­li­che Recht auf Zugang zu einem Asyl­ver­fah­ren nicht aus­ge­he­belt wer­den. Das schließt auch das Ver­bot der Zurück­wei­sung und der will­kür­li­chen, sys­te­ma­ti­schen Inhaf­tie­rung von Geflüch­te­ten ein. Zusätz­lich wies der Gericht­hof die auto­ma­ti­sche Inhaf­tie­rung von Schutz­su­chen­den als euro­pa­rechts­wid­rig zurück. Litau­en hielt den­noch an der Pra­xis fest.

Men­schen­rechts­wid­ri­ge Pra­xis an den Gren­zen Euro­pas wird verankert

Erst vor weni­gen Wochen ver­öf­fent­lich­te der Aus­schuss zur Ver­hü­tung von Fol­ter des Euro­pa­rats einen Bericht dar­über, dass Län­der wie Litau­en mit ihrem Vor­ge­hen gegen schutz­su­chen­de Men­schen an der euro­päi­schen Gren­ze Prak­ti­ken ange­wen­det haben, die den Tat­be­stand der Fol­ter erfül­len. Die Men­schen­rechts­kom­mis­sa­rin des Euro­pa­ra­tes, Dun­ja Mija­to­vić, for­der­te das litaui­sche Par­la­ment auf, gegen den Gesetz­ent­wurf zu stimmen.

„Die­se Stopp­si­gna­le schei­nen in Litau­en nicht ange­kom­men zu sein. Statt­des­sen wird eine men­schen­rechts­wid­ri­ge Pra­xis an den Gren­zen Euro­pas ver­an­kert. Die Lis­te der EU-Län­der, die sich fun­da­men­tal von der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on und der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on abwen­den, wird immer län­ger. Ohne star­ke Inter­ven­ti­on aus Brüs­sel könn­te die­se Abwärts­spi­ra­le von Rechts­staat, Men­schen­rech­ten und Flücht­lings­schutz kaum noch auf­zu­hal­ten sein“, befürch­tet Karl Kopp, Lei­ter der Euro­pa-Abtei­lung von PRO ASYL.

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