04.11.2025

Mit dem heu­te ver­öf­fent­lich­ten Posi­ti­ons­pa­pier „Kei­ne Sicher­heit in Syri­en“ zeigt PRO ASYL auf, wie pre­kär und insta­bil die Lage in dem Land ist. Wer den­noch syri­sche Men­schen zur Aus­rei­se drän­gen oder gar abschie­ben will, ver­kennt die men­schen­recht­li­chen und völ­ker­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen Deutsch­lands. Die Bun­des­re­gie­rung muss einen bun­des­wei­ten Abschie­be­stopp nach Syri­en erlas­sen und den von dort geflo­he­nen Men­schen in Deutsch­land Sicher­heit bieten.

„14 Jah­re Krieg, zer­stör­te Infra­struk­tu­ren, huma­ni­tä­re Not und feh­len­de Sicher­heit. Und Uni­ons­po­li­ti­kern fällt wie­der ein­mal nichts ande­res ein, als Abschie­bun­gen zu for­dern. Damit sto­ßen sie Hun­dert­tau­sen­de vor den Kopf, die sich längst unse­rer Gesell­schaft zuge­hö­rig füh­len”, sagt Tareq Alaows, flücht­lings­po­li­ti­scher Spre­cher von PRO ASYL. „Anstatt die­se rea­li­täts­fer­nen Debat­ten zu füh­ren, soll­te die Bun­des­re­gie­rung dar­über spre­chen, wie Deutsch­land den Auf­bau einer Demo­kra­tie und den Wie­der­auf­bau Syri­ens unter­stüt­zen kann”, führt Alaows wei­ter aus.

Kata­stro­pha­le huma­ni­tä­re Not

Die huma­ni­tä­re Lage ist nach 14 Jah­ren Krieg und inter­na­tio­na­len Sank­tio­nen kata­stro­phal. Mehr als 16 Mil­lio­nen Men­schen sind 2025 auf huma­ni­tä­re Hil­fe ange­wie­sen, an vie­len Orten ist die Gesund­heits­ver­sor­gung zusam­men­ge­bro­chen. Mil­lio­nen Kin­der lei­den unter Hun­ger und Krank­hei­ten und kön­nen kei­ne Schu­len besu­chen. Hin­zu kom­men die schlimms­te Dür­re seit Jahr­zehn­ten und eine mas­siv geschwäch­te Landwirtschaft. 

Syri­en hat Mil­lio­nen von Bin­nen­ver­trie­be­nen. Allein in der Regi­on as-Suwai­da sind seit den Angrif­fen im Juli 2025 mehr als 187.000 Men­schen ver­trie­ben wor­den. In vie­len Regio­nen haben Blo­cka­den und die geziel­te Unter­bin­dung huma­ni­tä­rer Hil­fe dazu geführt, dass selbst grund­le­gen­de Güter wie Was­ser, Medi­ka­men­te und Strom fehlen.

Etli­che Häu­ser sind wegen Jah­re zurück­lie­gen­der Bom­bar­de­ments durch das Assad-Regime oder wegen Bom­bar­die­run­gen und Angrif­fen unter der Über­gangs­re­gie­rung zer­stört. Die ange­spann­te Lage auf dem Arbeits­markt und die Infla­ti­on ver­stär­ken die Armut in der Bevölkerung.

Kein Schutz vor Angrif­fen und Gewaltexzessen

Weder die Über­gangs­re­gie­rung unter Ahmed al-Scha­raa noch loka­le Sicher­heits­kräf­te sind in der Lage oder gewillt, Min­der­hei­ten und ande­re vul­nerable Grup­pen in dem Land zu schüt­zen. Die Mas­sa­ker an Alawit*innen im März 2025 und an Drus*innen im Juli 2025 in der Pro­vinz as-Suwai­da sind beson­ders bru­ta­le Bei­spie­le für Angrif­fe auf die Zivil­be­völ­ke­rung und zwar nicht  allein durch isla­mis­ti­sche HTS-Mili­zen und aus­län­di­sche Söld­nern, son­dern auch durch akti­ve Betei­li­gung staat­li­cher Kräf­te (Amnes­ty Inter­na­tio­nal im Sep­tem­ber 2025 und UN-Syri­en-Kom­mis­si­on im August 2025). Auch Christ*innen, Kurd*innen und Ange­hö­ri­ge der LGTBIQ+-Community sind oft unge­schützt Angrif­fen aus­ge­setzt. Dabei sind laut UN-Expert*innen sowie Amnes­ty Inter­na­tio­nal ins­be­son­de­re Frau­en von Ver­ge­wal­ti­gun­gen, Ent­füh­run­gen und Ver­schlep­pun­gen betroffen. 

Selbst Ange­hö­ri­ge der syri­schen Mehr­heits­ge­sell­schaft erlei­den Repres­sio­nen, wenn ihnen zum Bei­spiel „fal­sche Ver­hal­tens­wei­sen” wie angeb­li­che „Gotteslästerung“vorgeworfen wer­den. Eine der größ­ten Gefah­ren für alle Men­schen in dem Land sind die zahl­rei­chen Waf­fen, die im Umlauf sind. Wie in einem Pul­ver­fass kann eine klei­ne Aus­ein­an­der­set­zung schnell zu einem gewalt­vol­len Kon­flikt eskalieren.

Bereits im Dezem­ber 2024 for­der­te der UNHCR die Staa­ten­ge­mein­schaft auf, ange­sichts der huma­ni­tä­ren und wirt­schaft­li­chen Not, der mas­si­ven Zer­stö­run­gen und der poli­tisch unsi­che­ren Lage in dem Land syri­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge nicht zur Rück­kehr in ihr Land zu zwingen.

Aus­zü­ge der For­de­run­gen aus dem Positionspapier:

PRO ASYL for­dert unter ande­rem von der deut­schen Bundesregierung:

  • Bun­des­wei­ter Abschie­be­stopp nach Syri­en, denn Rück­füh­run­gen in ein Land, in dem Men­schen schwe­ren Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Ver­elen­dung aus­ge­setzt sind, ver­sto­ßen gegen das Völkerrecht.
  • Zeit­na­he Aner­ken­nung der Asyl­an­trä­ge, wenn Bedro­hung oder Ver­fol­gung klar erkenn­bar sind (zum Bei­spiel bei Ange­hö­ri­gen eth­ni­scher, reli­giö­ser oder ande­rer vul­ner­ablen Grup­pen). Ent­schei­dungs­stopp aller ande­ren Asyl­an­trä­ge, solan­ge die Situa­ti­on in Syri­en unbe­re­chen­bar ist.
  • Wie­der­auf­nah­me des Fami­li­en­nach­zugs zu sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ten und Beschleu­ni­gung des Fami­li­en­nach­zugs zu in Deutsch­land aner­kann­ten Flücht­lin­gen aus Syri­en. Fami­li­en gehö­ren zusam­men, immer  und erst recht, wenn im Her­kunfts­land kein siche­res Leben mög­lich ist.
  • Huma­ni­tä­re Auf­nah­me­pro­gram­me für beson­ders gefähr­de­te Personen.
  • Hei­ma­trei­sen dür­fen nicht zum Wider­ruf des Schutz­sta­tus füh­ren, denn wer sich kurz in Syri­en auf­hält, um die dor­ti­ge Lage zu son­die­ren, erfüllt kei­nen Widerrufsgrund.
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