PRO ASYL fordert die Bundesregierung auf, keine Schutzsuchenden aus Deutschland nach Polen zurückzuschieben. Das wird zwar ab dem 1. August wieder möglich sein – doch Deutschland muss diese Überstellungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Polen stoppen und die Asylverfahren der betreffenden Schutzsuchenden selbst übernehmen.
„Polen hat ein massives Rechtsstaatsproblem, und die Asylaufnahmebedingungen dort sind menschenrechtswidrig. Schutzsuchende werden systematisch in Lager gesperrt, die schlimmer sind als Gefängnisse – nur weil sie einen Asylantrag gestellt haben. Angesichts der systematischen Verstöße der polnischen Regierung gegen Europa- und Völkerrecht dürfen in keinem Fall Schutzsuchende in solche Verhältnisse zurück geschickt werden“, fordert Karl Kopp, Leiter Europa der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL.
Asylsuchenden droht Inhaftierung
Klar ist, dass die Inhaftierung in solchen Lagern auch den Asylsuchenden droht, die im Rahmen des Dublin-Verfahrens aus Deutschland nach Polen zurückgeschickt werden. Das bestätigen polnische Anwält*innen und weisen darauf hin, dass die Anwendung von Haft im polnischen Asylverfahren automatisch stattfindet (AIDA Bericht Polen 2021 Update May 2022, S. 91).
Der UN-Sonderberichterstatter Felipe González Morales hat erst am 29. Juli diese Praxis angeprangert und Polen aufgefordert, zumindest unbegleitete Kinder, Kinder mit ihren Familien, schwangere Frauen und Menschen mit psychischen Erkrankungen unverzüglich in offene Einrichtungen zu entlassen.
Systemische Mängel im polnischen Asylsystem
Hanna Machińska, stellvertretende Kommissarin für Menschenrechte in Polen, sprach im Februar 2022 vor dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten des EU-Parlaments, bezeichnete die Zustände zum Beispiel im Haftlager Wędrzyn (600 Personen) als unhaltbar und sagte: »Wędrzyn sollte von der polnischen Landkarte verschwinden. Es ist der schlimmste Ort.«
„Es geht also nicht um einzelne Versäumnisse oder ein Fehlverhalten von einzelnen Verantwortlichen, sondern um systemische Mängel im polnischen Asylsystem“, so Kopp. „Hinzu kommt, dass Schutzsuchende, die über Polen nach Deutschland flohen, brutale Gewalt an der polnisch-belarussischen Grenze erfahren haben: Sie wurden Opfer von Gewalt und völkerrechtswidrigen Zurückweisungen durch polnische Grenzbeamte“, sagt Karl Kopp.
Wenige Informationen, dafür Gitter und Stacheldraht
In den Haftlagern mit vergitterten Fenstern und Stacheldrahtzäunen, die Polen im vergangenen Jahr ausgebaut hat, haben die Menschen zum Teil weniger Platz als die EU für Strafgefangene vorschreibt. Zudem erhalten die Schutzsuchenden kaum Beratung, Informationen und Übersetzungen, so gut wie keine medizinische Versorgung und haben kaum die Möglichkeit, über Internet mit Familie, Anwält*innen und Unterstützer*innen zu kommunizieren. So versäumen sie wichtige juristische Fristen, und ihre Familien werden im Unklaren gelassen, ob sie überhaupt noch leben.
Weitere Informationen zu den Bedingungen in den Haftlagern finden Sie auf der Homepage von PRO ASYL.
Zum Hintergrund: Grundsätzlich sieht das sognannte Dublinverfahren vor, dass Schutzsuchende, die aus einem EU-Land nach Deutschland weitergeflohen sind, in der Regel in das Land zurückgeschoben werden sollen, in dem sie die EU zuerst betreten haben. Zu Beginn des Krieges in der Ukraine hatte Polen im Februar 2022 diese sogenannten Dublin-Rückübernahmen eingestellt – ist aber ab Montag, 1. August 2022, wieder bereit, Überstellungen aus anderen EU-Ländern zu akzeptieren.