31.07.2022

PRO ASYL for­dert die Bun­des­re­gie­rung auf, kei­ne Schutz­su­chen­den aus Deutsch­land nach Polen zurück­zu­schie­ben. Das wird zwar ab dem 1. August wie­der mög­lich sein – doch Deutsch­land muss die­se Über­stel­lun­gen im Rah­men des Dub­lin-Ver­fah­rens nach Polen stop­pen und die Asyl­ver­fah­ren der betref­fen­den Schutz­su­chen­den selbst übernehmen.

„Polen hat ein mas­si­ves Rechts­staats­pro­blem, und die Asyl­auf­nah­me­be­din­gun­gen dort sind men­schen­rechts­wid­rig. Schutz­su­chen­de wer­den sys­te­ma­tisch in Lager gesperrt, die schlim­mer sind als Gefäng­nis­se – nur weil sie einen Asyl­an­trag gestellt haben. Ange­sichts der sys­te­ma­ti­schen Ver­stö­ße der pol­ni­schen Regie­rung gegen Euro­pa- und Völ­ker­recht dür­fen in kei­nem Fall Schutz­su­chen­de in sol­che Ver­hält­nis­se zurück geschickt wer­den“, for­dert Karl Kopp, Lei­ter Euro­pa der Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on PRO ASYL.

Asyl­su­chen­den droht Inhaftierung

Klar ist, dass die Inhaf­tie­rung in sol­chen Lagern auch den Asyl­su­chen­den droht, die im Rah­men des Dub­lin-Ver­fah­rens aus Deutsch­land nach Polen zurück­ge­schickt wer­den. Das bestä­ti­gen pol­ni­sche Anwält*innen und wei­sen dar­auf hin, dass die Anwen­dung von Haft im pol­ni­schen Asyl­ver­fah­ren auto­ma­tisch statt­fin­det (AIDA Bericht Polen 2021 Update May 2022, S. 91).

Der UN-Son­der­be­richt­erstat­ter Feli­pe Gon­zá­lez Mora­les hat erst am 29. Juli die­se Pra­xis ange­pran­gert und Polen auf­ge­for­dert, zumin­dest unbe­glei­te­te Kin­der, Kin­der mit ihren Fami­li­en, schwan­ge­re Frau­en und Men­schen mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen unver­züg­lich in offe­ne Ein­rich­tun­gen zu entlassen.

Sys­te­mi­sche Män­gel im pol­ni­schen Asylsystem 

Han­na Machińs­ka, stell­ver­tre­ten­de Kom­mis­sa­rin für Men­schen­rech­te in Polen, sprach im Febru­ar 2022 vor dem Aus­schuss für bür­ger­li­che Frei­hei­ten des EU-Par­la­ments, bezeich­ne­te die Zustän­de zum Bei­spiel im Haft­la­ger Wędrzyn (600 Per­so­nen) als unhalt­bar und sag­te: »Wędrzyn soll­te von der pol­ni­schen Land­kar­te ver­schwin­den. Es ist der schlimms­te Ort.«

„Es geht also nicht um ein­zel­ne Ver­säum­nis­se oder ein Fehl­ver­hal­ten von ein­zel­nen Ver­ant­wort­li­chen, son­dern um sys­te­mi­sche Män­gel im pol­ni­schen Asyl­sys­tem“, so Kopp. „Hin­zu kommt, dass Schutz­su­chen­de, die über Polen nach Deutsch­land flo­hen, bru­ta­le Gewalt an der pol­nisch-bela­rus­si­schen Gren­ze erfah­ren haben: Sie wur­den Opfer von Gewalt und völ­ker­rechts­wid­ri­gen Zurück­wei­sun­gen durch pol­ni­sche Grenz­be­am­te“, sagt Karl Kopp.

Weni­ge Infor­ma­tio­nen, dafür Git­ter und Stacheldraht

In den Haft­la­gern mit ver­git­ter­ten Fens­tern und Sta­chel­draht­zäu­nen, die Polen im ver­gan­ge­nen Jahr aus­ge­baut hat, haben die Men­schen zum Teil weni­ger Platz als die EU für Straf­ge­fan­ge­ne vor­schreibt. Zudem erhal­ten die Schutz­su­chen­den kaum Bera­tung, Infor­ma­tio­nen und Über­set­zun­gen, so gut wie kei­ne medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung und haben kaum die Mög­lich­keit, über Inter­net mit Fami­lie, Anwält*innen und Unterstützer*innen zu kom­mu­ni­zie­ren. So ver­säu­men sie wich­ti­ge juris­ti­sche Fris­ten, und ihre Fami­li­en wer­den im Unkla­ren gelas­sen, ob sie über­haupt noch leben.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu den Bedin­gun­gen in den Haft­la­gern fin­den Sie auf der Home­page von PRO ASYL.

Zum Hin­ter­grund
: Grund­sätz­lich sieht das sog­nann­te Dub­lin­ver­fah­ren vor, dass Schutz­su­chen­de, die aus einem EU-Land nach Deutsch­land wei­ter­ge­flo­hen sind, in der Regel in das Land zurück­ge­scho­ben wer­den sol­len, in dem sie die EU zuerst betre­ten haben. Zu Beginn des Krie­ges in der Ukrai­ne hat­te Polen im Febru­ar 2022 die­se soge­nann­ten Dub­lin-Rück­über­nah­men ein­ge­stellt – ist aber ab Mon­tag, 1. August 2022, wie­der bereit, Über­stel­lun­gen aus ande­ren EU-Län­dern zu akzeptieren.

Alle Presse­mitteilungen