Wie Anfang der Woche bekannt geworden ist, verweigert Polen landesweit die Annahme von Asylanträgen von Schutzsuchenden, die über Belarus geflohen sind. Ihnen drohen Inhaftierung und Abschiebungen in ihre Herkunftsländer. Angesichts dieser neuen verschärften Praxis fordert PRO ASYL die Bundesregierung auf, Zurückweisungen von Asylsuchenden an der deutsch-polnischen Grenze und Überstellungen nach Polen im Rahmen des Dublin-Verfahrens sofort zu stoppen.
Die polnische Nichtregierungsorganisation Stowarzyszenie Interwencji Prawnej (SIP, dt.: Verein für Rechtliche Intervention) machte am 22. September bekannt, dass die polnische Grenzbehörde sich im gesamten Staatsgebiet weigert, Asylanträge von Personen anzunehmen, die über die polnisch-belarussische Grenze eingereist sind. Damit hat die polnische Regierung die rechtswidrige vorübergehende Aussetzung des Asylrechts an der Grenze zwischen Polen und Belarus, die im März 2025 gesetzlich verankert wurde, offensichtlich geografisch ausgeweitet.
„Indem die polnische Regierung die Annahme von Asylanträgen im gesamten Staatsgebiet systematisch verweigert, treibt sie die Aushöhlung des Asylrechts weiter voran. Schon lange sind die teils massiven Defizite im polnischen Asylsystem offensichtlich. Wo der Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren nicht gewährleistet ist, liegen eindeutig systemische Mängel vor. Spätestens jetzt muss die Bundesregierung Abschiebungen nach Polen stoppen!“, kommentiert Meral Zeller, Referentin der Europaabteilung von PRO ASYL.
Eigentlich sollte die rechtswidrige Aussetzung des Asylrechts laut Gesetzestext von März 2025 ausschließlich auf das Grenzgebiet zu Belarus beschränkt sein. Von der Aussetzung sind nun jedoch auch Asylsuchende betroffen, die sich Hunderte Kilometer entfernt von der Grenze im Landesinneren befinden, beispielsweise in Warschau oder Stettin, in Grenznähe zu Deutschland.
Deutsche Bundesregierung muss reagieren
PRO ASYL fordert den sofortigen Stopp von Dublin-Abschiebungen nach Polen und von rechtswidrigen Zurückweisungen an der deutsch-polnischen Grenze. Ohne jemals die Möglichkeit gehabt zu haben, ihre Fluchtgründe vorzutragen, drohen betroffenen Schutzsuchenden Abschiebungen in ihre Herkunftsländer, in denen eine Gefahr für Leib und Leben nicht ausgeschlossen ist. Die deutsche Bundesregierung ist hier klar in der Verantwortung, den Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren an der deutsch-polnischen Grenzen umgehend sicherzustellen und bei Geflüchteten aus Polen, die sich bereits im Inland befinden, durch Selbsteintritt den Zugang zum deutschen Asylverfahren zu ermöglichen.
Zum Hintergrund
Die polnische Grenzschutzbehörde bezieht sich bei der Verweigerung, im ganzen Land keine Asylanträgen mehr zu registrieren, auf das Gesetz von März 2025 zur vorübergehenden Aussetzung des Asylrechts an der Grenze zwischen Polen und Belarus. Dieses Gesetz verstößt eindeutig gegen europäisches und internationales Recht. Denn das Non-Refoulement-Gebot verpflichtet Staaten dazu, stets zu prüfen, ob im Fall einer Abschiebung oder Zurückweisung die Gefahr von Folter und unmenschlicher Behandlung besteht. Um das ausschließen zu können, muss der Zugang zu fairen und rechtsstaatlichen Asylverfahren sichergestellt werden.
PRO ASYL hatte aufgrund von teils massiven Defiziten im polnischen Asylsystem und rechtswidrigen Handlungen des polnischen Staates bereits Anfang Juli 2025 eindringlich vor Abschiebungen nach Polen gewarnt. Asylsuchende in Deutschland, die sich zuvor in Polen aufgehalten hatten, berichten regelmäßig davon, dort willkürlich inhaftiert worden sowie erheblichen Hürden beim Zugang zum Asylverfahren ausgesetzt gewesen zu sein – auch als Dublin-Rückkehrende. Polnische Nichtregierungsorganisationen bestätigen diese Berichte (zum Beispiel Danish Refugee Council und AIDA-Bericht Polen). Die aktuellen Entwicklungen in Polen verschärfen die Situation vor Ort weiter.
Laut Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke wurden im ersten Halbjahr 2025 231 Asylsuchende über das Dublin-Verfahrens nach Polen abgeschoben. An der deutsch-polnischen Grenze wurden laut Berichten polnischer Medien im Zeitraum 01. Mai bis 15. Juni 2025 1.087 Drittstaatsangehörige zurückgewiesen. In der Vergangenheit stammte ein Großteil der Betroffenen aus den Hauptherkunftsländern von Asylsuchenden in Deutschland. Dies sowie Berichte von Betroffenen legen nahe, dass es sich bei einem Großteil der Zurückweisungen um Schutzsuchende handelt.