25.09.2025

Wie Anfang der Woche bekannt gewor­den ist, ver­wei­gert Polen lan­des­weit die Annah­me von Asyl­an­trä­gen von Schutz­su­chen­den, die über Bela­rus geflo­hen sind. Ihnen dro­hen Inhaf­tie­rung und Abschie­bun­gen in ihre Her­kunfts­län­der. Ange­sichts die­ser neu­en ver­schärf­ten Pra­xis for­dert PRO ASYL die Bun­des­re­gie­rung auf, Zurück­wei­sun­gen von Asyl­su­chen­den an der deutsch-pol­ni­schen Gren­ze und Über­stel­lun­gen nach Polen im Rah­men des Dub­lin-Ver­fah­rens sofort zu stoppen.

Die pol­ni­sche Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on Sto­war­zy­sze­nie Inter­wen­c­ji Praw­nej (SIP, dt.: Ver­ein für Recht­li­che Inter­ven­ti­on) mach­te am 22. Sep­tem­ber bekannt, dass die pol­ni­sche Grenz­be­hör­de sich im gesam­ten Staats­ge­biet wei­gert, Asyl­an­trä­ge von Per­so­nen anzu­neh­men, die über die pol­nisch-bela­rus­si­sche Gren­ze ein­ge­reist sind. Damit hat die pol­ni­sche Regie­rung die rechts­wid­ri­ge vor­über­ge­hen­de Aus­set­zung des Asyl­rechts an der Gren­ze zwi­schen Polen und Bela­rus, die im März 2025 gesetz­lich ver­an­kert wur­de, offen­sicht­lich geo­gra­fisch ausgeweitet.

„Indem die pol­ni­sche Regie­rung die Annah­me von Asyl­an­trä­gen im gesam­ten Staats­ge­biet sys­te­ma­tisch ver­wei­gert, treibt sie die Aus­höh­lung des Asyl­rechts wei­ter vor­an. Schon lan­ge sind die teils mas­si­ven Defi­zi­te im pol­ni­schen Asyl­sys­tem offen­sicht­lich. Wo der Zugang zu rechts­staat­li­chen Asyl­ver­fah­ren nicht gewähr­leis­tet ist, lie­gen ein­deu­tig sys­te­mi­sche Män­gel vor. Spä­tes­tens jetzt muss die Bun­des­re­gie­rung Abschie­bun­gen nach Polen stop­pen!“, kom­men­tiert Meral Zel­ler, Refe­ren­tin der Euro­pa­ab­tei­lung von PRO ASYL.

Eigent­lich soll­te die rechts­wid­ri­ge Aus­set­zung des Asyl­rechts laut Geset­zes­text von März 2025 aus­schließ­lich auf das Grenz­ge­biet zu Bela­rus beschränkt sein. Von der Aus­set­zung sind nun jedoch auch Asyl­su­chen­de betrof­fen, die sich Hun­der­te Kilo­me­ter ent­fernt von der Gren­ze im Lan­des­in­ne­ren befin­den, bei­spiels­wei­se in War­schau oder Stet­tin, in Grenz­nä­he zu Deutschland.

Deut­sche Bun­des­re­gie­rung muss reagieren

PRO ASYL for­dert den sofor­ti­gen Stopp von Dub­lin-Abschie­bun­gen nach Polen und von rechts­wid­ri­gen Zurück­wei­sun­gen an der deutsch-pol­ni­schen Gren­ze. Ohne jemals die Mög­lich­keit gehabt zu haben, ihre Flucht­grün­de vor­zu­tra­gen, dro­hen betrof­fe­nen Schutz­su­chen­den Abschie­bun­gen in ihre Her­kunfts­län­der, in denen eine Gefahr für Leib und Leben nicht aus­ge­schlos­sen ist. Die deut­sche Bun­des­re­gie­rung ist hier klar in der Ver­ant­wor­tung, den Zugang zu rechts­staat­li­chen Asyl­ver­fah­ren an der deutsch-pol­ni­schen Gren­zen umge­hend sicher­zu­stel­len und bei Geflüch­te­ten aus Polen, die sich bereits im Inland befin­den, durch Selbst­ein­tritt den Zugang zum deut­schen Asyl­ver­fah­ren zu ermöglichen.

Zum Hin­ter­grund

Die pol­ni­sche Grenz­schutz­be­hör­de bezieht sich bei der Ver­wei­ge­rung, im gan­zen Land kei­ne Asyl­an­trä­gen mehr zu regis­trie­ren, auf das Gesetz von März 2025 zur vor­über­ge­hen­den Aus­set­zung des Asyl­rechts an der Gren­ze zwi­schen Polen und Bela­rus. Die­ses Gesetz ver­stößt ein­deu­tig gegen euro­päi­sches und inter­na­tio­na­les Recht. Denn das Non-Refou­le­ment-Gebot ver­pflich­tet Staa­ten dazu, stets zu prü­fen, ob im Fall einer Abschie­bung oder Zurück­wei­sung die Gefahr von Fol­ter und unmensch­li­cher Behand­lung besteht. Um das aus­schlie­ßen zu kön­nen, muss der Zugang zu fai­ren und rechts­staat­li­chen Asyl­ver­fah­ren sicher­ge­stellt werden.

PRO ASYL hat­te auf­grund von teils mas­si­ven Defi­zi­ten im pol­ni­schen Asyl­sys­tem und rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen des pol­ni­schen Staa­tes bereits Anfang Juli 2025 ein­dring­lich vor Abschie­bun­gen nach Polen gewarnt. Asyl­su­chen­de in Deutsch­land, die sich zuvor in Polen auf­ge­hal­ten hat­ten, berich­ten regel­mä­ßig davon, dort will­kür­lich inhaf­tiert wor­den sowie erheb­li­chen Hür­den beim Zugang zum Asyl­ver­fah­ren aus­ge­setzt gewe­sen zu sein – auch als Dub­lin-Rück­keh­ren­de. Pol­ni­sche Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen bestä­ti­gen die­se Berich­te (zum Bei­spiel Danish Refu­gee Coun­cil und AIDA-Bericht Polen). Die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen in Polen ver­schär­fen die Situa­ti­on vor Ort weiter.

Laut Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Klei­ne Anfra­ge der Frak­ti­on Die Lin­ke wur­den im ers­ten Halb­jahr 2025 231 Asyl­su­chen­de über das Dub­lin-Ver­fah­rens nach Polen abge­scho­ben. An der deutsch-pol­ni­schen Gren­ze wur­den laut Berich­ten pol­ni­scher Medi­en im Zeit­raum 01. Mai bis 15. Juni 2025 1.087 Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge zurück­ge­wie­sen. In der Ver­gan­gen­heit stamm­te ein Groß­teil der Betrof­fe­nen aus den Haupt­her­kunfts­län­dern von Asyl­su­chen­den in Deutsch­land. Dies sowie Berich­te von Betrof­fe­nen legen nahe, dass es sich bei einem Groß­teil der Zurück­wei­sun­gen um Schutz­su­chen­de handelt.

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