11.09.2020

Heu­te ver­öf­fent­li­chen 12 Orga­ni­sa­tio­nen einen offe­nen Brief an Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel und appel­lie­ren an die Bun­des­kanz­le­rin, sich für die not­wen­di­ge Kata­stro­phen­hil­fe nach dem Brand in Moria sowie für den sofor­ti­gen Beginn der Eva­ku­ie­rung der geflüch­te­ten Men­schen von den grie­chi­schen Inseln ein­zu­set­zen. Die Orga­ni­sa­tio­nen beto­nen, dass es nach dem Brand von Moria kein »Wei­ter so« in der euro­päi­schen Flücht­lings­po­li­tik geben kann und es einen Para­dig­men­wech­sel geben muss.

Kata­stro­phe von Moria: Sofort­hil­fe und Eva­ku­ie­rung jetzt!

Sehr geehr­te Frau Bundeskanzlerin,

der EU-Hot­spot Moria auf der grie­chi­schen Insel Les­bos ist weit­ge­hend zer­stört, tau­sen­de Schutz­su­chen­de sind obdach­los und ohne Ver­sor­gung. Es braucht einen kon­zer­tier­ten euro­päi­schen Ret­tungs­plan, die sofor­ti­ge Eva­ku­ie­rung der Flücht­lin­ge und die Auf­nah­me der Men­schen in Deutsch­land und ande­ren euro­päi­schen Staa­ten. Jetzt!

Im Lager Moria leb­ten vor der Kata­stro­phe über zwölf­tau­send Men­schen, cir­ca das Fünf­fa­che der offi­zi­el­len Kapa­zi­tät. Sie leb­ten dort seit Mona­ten, zum Teil seit Jah­ren, unter erschüt­tern­den Bedin­gun­gen, zer­mürbt von der Per­spek­tiv­lo­sig­keit. Mit Ver­brei­tung der Coro­na-Pan­de­mie wur­den sie ab Mit­te März 2020 völ­lig isoliert.

Die beschä­men­de Lage in dem Lager und die Brand­ka­ta­stro­phe sind direk­tes Ergeb­nis einer ver­fehl­ten euro­päi­schen Flücht­lings­po­li­tik – jetzt muss die EU den betrof­fe­nen Men­schen end­lich hel­fen! Deutsch­land hat aktu­ell die EU-Rats­prä­si­dent­schaft inne. Wir appel­lie­ren an Sie und die Bun­des­re­gie­rung, sich in die­ser wich­ti­gen Funk­ti­on für fol­gen­de Maß­nah­men ein­zu­set­zen und selbst kon­kre­te Schrit­te einzuleiten:

  1. Kata­stro­phen­hil­fe jetzt! 

Um die ver­zwei­fel­ten Schutz­su­chen­den kurz­fris­tig zu ver­sor­gen (Obdach, Essen, medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung etc.), muss der Kata­stro­phen­schutz akti­viert wer­den. Anstatt Schutz­su­chen­de im Umfeld von Moria mit Poli­zei­ge­walt unter frei­em Him­mel fest­zu­set­zen, muss die Erst­ver­sor­gung der Men­schen gewähr­leis­tet wer­den. Es ist gut, dass die deut­sche Bun­des­re­gie­rung Grie­chen­land ihre Unter­stüt­zung ange­bo­ten hat. Kata­stro­phen­schutz­maß­nah­men rei­chen aber nicht aus.

  1. Sofor­ti­ger Beginn der Evakuierung! 

Die huma­ni­tä­ren Zustän­de in Moria und den ande­ren Hot­spots auf den grie­chi­schen Inseln hät­ten schon vor dem Brand zur Auf­lö­sung der Lager füh­ren müs­sen. Die dra­ma­ti­sche Zuspit­zung auf Les­bos macht klar: Die Schutz­su­chen­den von den grie­chi­schen Inseln müs­sen eva­ku­iert werden!

Einer Kata­stro­phe die­ses Aus­ma­ßes kann nicht mit Mini­mal­lö­sun­gen begeg­net wer­den – wie einem Trans­fer von 400 unbe­glei­te­ten Min­der­jäh­ri­gen auf das grie­chi­sche Fest­land. Es braucht eine dau­er­haf­te Lösung für alle Betrof­fe­nen – und die heißt Auf­nah­me in ande­ren euro­päi­schen Ländern.

Auf dem grie­chi­schen Fest­land sind bereits tau­sen­de Flücht­lin­ge obdach­los, eine Ver­le­gung der Über­le­ben­den des Bran­des auf das grie­chi­sche Fest­land ist des­we­gen auch kei­ne Alternative.

In Deutsch­land haben sich Bun­des­län­der und hun­der­te Kom­mu­ne zur frei­wil­li­gen Auf­nah­me von Geflüch­te­ten bereit erklärt. Die­se Bestre­bun­gen dür­fen nicht mehr blo­ckiert wer­den, sie müs­sen unter­stützt und aus­ge­baut wer­den. Der Ver­weis auf eine euro­päi­sche Lösung darf nicht dazu füh­ren, dass deut­sches Han­deln ver­zö­gert wird.

  1. Para­dig­men­wech­sel in der Flüchtlingspolitik! 

Ein „Wei­ter so“ in der euro­päi­schen Flücht­lings­po­li­tik kann nach dem Brand von Moria kei­ne Opti­on sein. Die Stra­te­gie, Schutz­su­chen­de mit dem Ziel an den Außen­gren­zen Euro­pas fest­zu­hal­ten, sie direkt von dort in auto­ri­tä­re Staa­ten wie die Tür­kei zurück­zu­schi­cken, obwohl die­se ihnen kei­nen tat­säch­li­chen Schutz bie­ten, ist gescheitert.

Trotz­dem set­zen die bis­her bekann­ten Vor­schlä­ge für eine Reform des Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems auf Asyl­ver­fah­ren und Lager an den euro­päi­schen Außen­gren­zen. Nach dem Brand von Moria kann an die­sen Plä­nen nicht mehr fest­ge­hal­ten wer­den. Bit­te nut­zen Sie die deut­sche Rats­prä­si­dent­schaft, um den not­wen­di­gen Para­dig­men­wech­sel in der Flücht­lings­po­li­tik einzuleiten!

Zum offe­nen Brief und der Auf­lis­tung aller mit­zeich­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen geht es hier.

Für Rück­fra­gen, auch zur aktu­el­len Situa­ti­on und Debat­te, ste­hen wir ger­ne zur Ver­fü­gung. PRO ASYL ist seit 2007 mit einem Anwält*innenteam auf Les­bos und in der Ägä­is aktiv.

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