20.08.2010

Ber­lin (DAV/PA/IR). Mit der Reform des Staats­an­ge­hö­rig­keits­rechts im Jah­re 2000 wur­de die so genann­te Opti­ons­re­ge­lung für Kin­der nicht deut­scher Eltern ein­ge­führt. Danach erhal­ten die­se Kin­der mit der Geburt in Deutsch­land neben der Staats­an­ge­hö­rig­keit der Eltern auch die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit, wenn die Eltern schon acht Jah­re in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land leben. Auf Antrag erhiel­ten im Rah­men der Reform auch die seit 1990 in Deutsch­land gebo­re­nen Kin­der nicht deut­scher Eltern die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit zugesprochen.

Der Opti­ons­zwang im Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht führt nach Auf­fas­sung von PRO ASYL, Deut­schem Anwalt­ver­ein (DAV) und Inter­kul­tu­rel­lem Rat in Deutsch­land (IR) zu einer durch nichts zu recht­fer­ti­gen­den Ungleich­be­hand­lung von „Opti­ons­kin­dern“ und zu einem voll­kom­men über­flüs­si­gen Ver­wal­tungs­auf­wand. Nega­tiv betrof­fen sind ins­be­son­de­re Kin­der aus Haupt- und Urein­wan­de­rer­fa­mi­li­en, bei­spiels­wei­se aus der Tür­kei oder Ser­bi­en. Die drei Orga­ni­sa­tio­nen for­dern des­halb erst­mals gemein­sam die ersatz­lo­se Abschaf­fung die­ses Optionszwangs.

„Mit dem Opti­ons­zwang beharrt der Gesetz­ge­ber auf dem Grund­satz der Ver­mei­dung der Mehr­staa­tig­keit, obwohl die­ser gera­de dabei ist, auf den Müll­hau­fen der Geschich­te trans­por­tiert zu wer­den“, erläu­tert Rechts­an­walt Vic­tor Pfaff vom DAV-Aus­schuss Aus­län­der- und Asyl­recht. In Deutsch­land wür­den rund 4,5 Mil­lio­nen Mehr­fach­staa­ter leben, ohne dass der deut­sche Staat damit je das gerings­te Pro­blem gehabt hät­te. Knapp 53 Pro­zent aller Ein­bür­ge­run­gen in Deutsch­land wür­den unter Hin­nah­me der Mehr­staa­tig­keit vorgenommen.

Die gene­rel­le Hin­nah­me der Mehr­staa­tig­keit bei in Deutsch­land gebo­re­nen Kin­dern sei des­halb und aus einem wei­te­ren Grund der rich­ti­ge Weg. „Sie davon abhän­gig zu machen, ob der ande­re Staat aus der Staats­an­ge­hö­rig­keit ent­lässt, bedeu­tet, dass der deut­sche Gesetz­ge­ber die Ent­schei­dung, wer Mehr­staa­ter bleibt und wer nicht, weit­ge­hend der Will­kür aus­län­di­scher Gesetz­ge­ber über­lässt“, betont Pfaff. Des­halb müs­se sich z. B. ein Deutsch-Tür­ke für eine sei­ner Staats­an­ge­hö­rig­kei­ten ent­schei­den, wäh­rend ein Deutsch-Marok­ka­ner die­se Ent­schei­dung nicht tref­fen müsse.

„Die Opti­ons­pflicht drängt jun­ge Men­schen aus der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit her­aus“, erklärt Marei Pel­zer von PRO ASYL. So ver­grö­ße­re sich die Kluft zwi­schen Wahl­volk und Bevöl­ke­rung immer mehr. Dies sei mit dem Demo­kra­tie­prin­zip und mit dem Selbst­ver­ständ­nis einer moder­nen Ein­wan­de­rungs­ge­sell­schaft nicht ver­ein­bar. Das deut­sche Opti­ons­mo­dell sei ein­ma­lig in Euro­pa. In Frank­reich bei­spiels­wei­se erhiel­ten Kin­der von Aus­län­dern nach dem ius soli die fran­zö­si­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit, ohne auf die Natio­na­li­tät ihrer Eltern ver­zich­ten zu müs­sen. Pel­zer: „Deutsch­land soll­te den Opti­ons­zwang zuguns­ten eines moder­nen Geburts­ort­rechts end­lich aufgeben.

Der Inter­kul­tu­rel­le Rat in Deutsch­land bezeich­net den Opti­ons­zwang als ein Instru­ment der Des­in­te­gra­ti­on. Hier­zu Tors­ten Jäger, Geschäfts­füh­rer der Orga­ni­sa­ti­on: „Wir bekla­gen zu Recht kon­stant zu nied­ri­ge Ein­bür­ge­rungs­zah­len. Es ist des­halb ganz unsin­nig, Kin­der, die seit ihrer Geburt Deut­sche sind, über die Opti­ons­pflicht mit dem Ver­lust der Staats­an­ge­hö­rig­keit zu bedro­hen.“ Die Opti­ons­pflicht sei außer­dem unge­recht! Sie schaf­fe Deut­sche „ers­ter“, „zwei­ter“ und „drit­ter“ Klas­se. „Das gefähr­det sowohl den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt als auch indi­vi­du­el­le Inte­gra­ti­ons­pro­zes­se“, so Jäger wei­ter. Daher habe der Inter­kul­tu­rel­le Rat im Juni 2009 den Auf­ruf „Sie gehö­ren zu uns! – Wider den Opti­ons­zwang für Kin­der unse­res Lan­des“ initi­iert, der von zahl­rei­chen pro­mi­nen­ten Per­sön­lich­kei­ten aus Poli­tik und Gesell­schaft getra­gen wer­de und dem sich bereits meh­re­re tau­send Men­schen ange­schlos­sen hätten.

Mit Voll­endung des 18. Lebens­jah­res wer­den die „Opti­ons­kin­der“ dazu auf­ge­for­dert, sich zu ent­schei­den. Von der Opti­ons­pflicht sind aller­dings die Kin­der nicht betrof­fen, deren Eltern Staats­bür­ger eines Mit­glied­staats der Euro­päi­schen Uni­on oder aber eines Lan­des sind, das sei­ne Bür­ger nicht aus der Staats­an­ge­hö­rig­keit entlässt.

Die ers­ten Betrof­fe­nen wur­den im Jah­re 2008 von den zustän­di­gen Aus­län­der­be­hör­den und Regie­rungs­prä­si­di­en ange­schrie­ben und auf­ge­for­dert, für eine der bei­den Staats­bür­ger­schaf­ten zu optie­ren. „Opti­ons­kin­der“ der Gebur­ten­jahr­gän­ge 1990 bis 2008 gibt es in der Bun­des­re­pu­blik rund 385.000.

Anfang 2010 haben die Frak­tio­nen der SPD und Bünd­nis 90/Die Grü­nen Gesetz­ent­wür­fe in den Deut­schen Bun­des­tag ein­ge­bracht, die die Strei­chung des Opti­ons­zwangs aus dem Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht vor­se­hen. Das Par­la­ment wird sich im Herbst die­ses Jah­res daher mit dem The­ma befas­sen müs­sen. Des­halb, so die Ver­tre­ter der drei Orga­ni­sa­tio­nen, sei es an der Zeit, dass die Bun­des­re­gie­rung die Opti­ons­pflicht end­lich in ver­fah­rens- und mate­ri­ell­recht­li­cher Hin­sicht über­prü­fe. Dar­auf habe sie sich im Okto­ber 2009 in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag verständigt.

Pfaff, Pel­zer und Jäger erklär­ten abschlie­ßend, ihre Orga­ni­sa­tio­nen wür­den sich gemein­sam und aktiv an die­sem Über­prü­fungs­pro­zess betei­li­gen. Bei objek­ti­ver Abwä­gung aller Argu­men­te kön­ne am Ende die­ses Pro­zes­ses kein ande­res Ergeb­nis ste­hen als die ersatz­lo­se Strei­chung der Opti­ons­pflicht und die Hin­wen­dung zu einem moder­nen Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht – inklu­si­ve Geburts­ort­prin­zip und dem gelas­se­nen Umgang mit mehr­fa­chen Staatsangehörigkeiten.

Anla­ge: Der Opti­ons­zwang ist Unsinn! Ein Beispiel.

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