10.11.2022

Mehr als 60 Orga­ni­sa­tio­nen for­dern das Land Bran­den­burg sowie die Bun­des­re­gie­rung auf, auf die geplan­te Errich­tung und Inbe­trieb­nah­me eines sog. Ein- und Aus­rei­se­zen­trums am Flug­ha­fen Ber­lin Bran­den­burg (BER) in Schö­ne­feld zu ver­zich­ten. Sie leh­nen das Pro­jekt „aus men­schen­recht­li­chen und huma­ni­tä­ren Grün­den“ ab, so die Unter­zeich­nen­den in einer heu­te ver­öf­fent­lich­ten Stel­lung­nah­me. Sie for­dern die Abschaf­fung von Flug­ha­fen­asyl­ver­fah­ren, die Schlie­ßung der bestehen­den Haft­an­stalt am BER und ein Ende der Inhaf­tie­rung von Geflüchteten.

Am Flug­ha­fen Ber­lin Bran­den­burg (BER) soll laut Grund­satz­ver­stän­di­gung zwi­schen Bun­des- und Lan­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um vom 25.10.2021 ein „inte­grier­tes Ein­rei­se- und Aus­rei­se­zen­trum“ ent­ste­hen. Neben einem Funk­ti­ons- und Jus­tiz­ge­bäu­de ist ein „Gewahr­sams- und Tran­sit­ge­bäu­de“ vor­ge­se­hen, in dem ins­ge­samt bis zu 120 Per­so­nen zum Zweck der Abschie­bung bzw. für Asyl­schnell­ver­fah­ren (sog. Flug­ha­fen­asyl­ver­fah­ren) inhaf­tiert wer­den kön­nen. Außer­dem soll ein „Rück­füh­rungs­ge­bäu­de“ zur Abwick­lung von Abschie­bun­gen unter der Ägi­de der Bun­des­po­li­zei ent­ste­hen, das vom Bund ange­mie­tet wird.

„Die Rück­füh­rungs­of­fen­si­ve der Bun­des­re­gie­rung zeigt mit dem hun­der­te Mil­lio­nen schwe­ren Pres­ti­ge­pro­jekt eines Abschie­bungs­zen­trums am BER ihr häss­li­ches Gesicht. Das glei­che Geld könn­te für die Auf­nah­me und Unter­brin­gung von Schutz­su­chen­den ver­wen­det wer­den und geht statt­des­sen in rechts­staat­lich höchst pro­ble­ma­ti­sche Schnell­ver­fah­ren und Inhaf­tie­run­gen von unschul­di­gen Men­schen. Wir for­dern die Bun­des­re­gie­rung auf, die Errich­tung und Inbe­trieb­nah­me des Abschie­be­zen­trums sofort zu stop­pen“, kom­men­tiert Tareq Alaows, flücht­lings­po­li­ti­scher Spre­cher von PRO ASYL.

Am BER gibt es bereits ein Haft­ge­bäu­de, das als Aus­rei­se­ge­wahr­sam und zur Inhaf­tie­rung von Men­schen im Flug­ha­fen­asyl­ver­fah­ren genutzt wird. Die aktu­el­len Plä­ne sehen einen Aus­bau der Haft­plät­ze für Geflüch­te­te, eine mas­si­ve Aus­wei­tung des Flug­ha­fen­asyl­ver­fah­rens und einen Anstieg von Abschie­bun­gen vor. Die Unter­zeich­nen­den der Stel­lung­nah­me leh­nen das Vor­ha­ben ab. Sie for­dern die Abschaf­fung von Flug­ha­fen­asyl­ver­fah­ren, die Schlie­ßung der bestehen­den Haft­an­stalt am BER und ein Ende der Inhaf­tie­rung von Geflüchteten.

Abschie­be­zen­trum wird bei Haus­halts­ver­hand­lun­gen in Bran­den­burg beschlossen

Die Plä­ne zum Bau des Abschie­be­zen­trums sol­len bei den aktu­el­len Haus­halts­ver­hand­lun­gen im Land Bran­den­burg beschlos­sen wer­den: Der Haus­halts­plan 2023/2024 ent­hält u.a. eine Ver­pflich­tungs­er­mäch­ti­gung für Mie­ten und Pach­ten für das Zen­trum ab 2026 in Höhe von 315 Mil­lio­nen Euro.

„Bei dem schön­fär­be­risch als Ein- und Aus­rei­se­zen­trum bezeich­ne­ten Pro­jekt han­delt es sich um ein Abschie­be­zen­trum. Das Bran­den­bur­ger Innen­mi­nis­te­ri­um will um jeden Preis ein ‚Vor­zei­ge­pro­jekt von inter­na­tio­na­ler Bedeu­tung‘ – wir wol­len die Ein­hal­tung von Grund- und Men­schen­rech­ten. Wir for­dern die Bran­den­bur­ger Lan­des­re­gie­rung und ins­be­son­de­re die Mit­glie­der des Land­tags sowie das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um auf, auf die geplan­te Errich­tung und Inbe­trieb­nah­me des Abschie­be­zen­trums zu ver­zich­ten. Schö­ne­feld darf nicht zu einem Hot-Spot für Abschie­bun­gen, Inhaf­tie­run­gen und Asyl­schnell­ver­fah­ren wer­den“, kom­men­tiert Hen­ri­ke Koch, Spre­che­rin vom Flücht­lings­rat Brandenburg.

Die Unter­zeich­nen­den der Stel­lung­nah­me kri­ti­sie­ren mit Blick auf die heu­ti­ge Sit­zung des Bran­den­bur­ger Innen­aus­schus­ses am 10.11.2022 und des Land­ta­ges Bran­den­burg Mit­te Novem­ber, dass die Plä­ne als Ver­mächt­nis des ehe­ma­li­gen Bun­des­in­nen­mi­nis­ters Horst See­ho­fer „in einer Kon­ti­nui­tät der Abschre­ckung und Abschot­tung“ ste­hen. In Bran­den­burg und bun­des­weit müss­ten statt­des­sen „die För­de­rung von Teil­ha­be von Geflüch­te­ten sowie das Aus­schöp­fen von Blei­be­rechts­mög­lich­kei­ten im Zen­trum stehen“.

Zu den Unter­zeich­nen­den gehö­ren unter ande­rem PRO ASYL, die Lan­des­flücht­lings­rä­te, der Repu­bli­ka­ni­sche Anwäl­tin­nen- und Anwäl­te­ver­ein, Sea-Watch, Women in Exi­le, JUMEN, See­brü­cke und das Ber­li­ner Netz­werk für beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge geflüch­te­te Men­schen (BNS). Zu der Stel­lung­nah­me geht es hier.

Hin­ter­grund

In dem geplan­ten Zen­trum sol­len auf einer Flä­che von rund 4 Hekt­ar neben Bun­des­po­li­zei und Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) auch die zen­tra­le Aus­län­der­be­hör­de des Lan­des Bran­den­burg (ZABH) und Depen­den­zen des Ver­wal­tungs- und Amts­ge­richts ver­tre­ten sein. Außer­dem sol­len dort „Unter­brin­gungs­mög­lich­kei­ten“ für Men­schen geschaf­fen wer­den, die ein Flug­ha­fen­asyl­ver­fah­ren durch­lau­fen oder die abge­scho­ben wer­den sol­len fak­tisch han­delt es sich dabei um Haftplätze.

Ansprech­per­so­nen

PRO ASYL: presse@proasyl.de, 069–24231430
Flücht­lings­rat Bran­den­burg: Hen­ri­ke Koch, koch@fluechtlingsrat-brandenburg.de, 0176–21425057

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