19.10.2017

PRO ASYL for­dert Moratorium 

Trotz aller Berich­te über die sich wei­ter ver­schär­fen­de Sicher­heits­la­ge in Afgha­ni­stan ist nach Agen­tur­mel­dun­gen eine erneu­te Sam­mel­ab­schie­bung am kom­men­den Diens­tag, 24.10.2017 aus Leip­zig geplant. PRO ASYL for­dert ein Mora­to­ri­um von Abschie­bun­gen nach Afghanistan.

»Es gibt gegen­wär­tig über­haupt kei­nen sach­li­chen Grund, demons­tra­tiv den nächs­ten Sam­mel­char­ter star­ten zu las­sen. Ein Mora­to­ri­um ist das Gebot der Stun­de. Das Aus­wär­ti­ge Amt (AA) muss noch im Okto­ber end­lich den berech­tig­ten Erwar­tun­gen von Gerich­ten und Behör­den nach­kom­men und einen neu­en »Bericht über die asyl- und abschie­bungs­re­le­van­te Lage« vor­le­gen,« for­der­te Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

Der letz­te Bericht stammt vom Okto­ber 2016 und ist ver­al­tet. PRO ASYL äußert die Erwar­tung, dass end­lich klar gesagt wird, wo die angeb­lich siche­ren inlän­di­schen Flucht­al­ter­na­ti­ven lie­gen und die asyl­recht­lich rele­van­ten Fak­ten zur »Zumut­bar­keit und Erreich­bar­keit« der angeb­lich siche­ren Gebie­te ver­öf­fent­licht wer­den. Letz­te­re sind wohl kaum gege­ben. Selbst das Aus­wär­ti­ge Amt muss zuge­ben, dass Über­land­stra­ßen von Tali­ban häu­fig blo­ckiert wer­den und dass Auf­stän­di­sche in mehr Pro­vin­zen aktiv sind, als noch im letz­ten Jahr.

Auf die­ser Fak­ten­ba­sis kann man aber auch nicht ein­fach pau­schal behaup­ten, »Straf­tä­ter, Gefähr­der und hart­nä­cki­ge Iden­ti­täts­ver­wei­ge­rer« könn­ten wei­ter­hin abge­scho­ben wer­den. PRO ASYL weist dar­auf­hin, dass die­se Begrif­fe unbe­stimmt dehn­bar sind und man zudem regel­mä­ßig Asyl­su­chen­den unter­stellt, ihre Iden­ti­tät getäuscht zu haben. In jedem Ein­zel­fall müs­sen die Anfor­de­run­gen der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EMRK) erfüllt sein, Behaup­tun­gen genü­gen nicht. Arti­kel 3 der EMRK gilt abso­lut, in jedem Einzelfall.

Über Face­book hat die Ber­li­ner Rechts­an­wäl­tin Laa­ser gepos­tet: »Heu­te wur­de ein Man­dant fest­ge­nom­men und in Abschie­be­haft ver­bracht. Er soll nächs­te Woche nach Afgha­ni­stan abge­scho­ben wer­den. Straf­ta­ten lie­gen nicht vor, Gefähr­der ist er auch nicht. In Afgha­ni­stan war er auch noch nie.«

Die Lage in Afgha­ni­stan wird immer gefähr­li­cher und die Zahl der zivi­len Opfer durch Luft­an­grif­fe steigt wie die UNO berich­tet. Die Tali­ban haben in ver­schie­de­nen Lan­des­tei­len ihre Offen­si­ven ver­stärkt, die inner­halb einer Woche min­des­tens 85 Todes­op­fer for­der­ten, dar­un­ter vie­le Zivi­lis­ten. Als Reak­ti­on auf die ver­schlech­ter­te Sicher­heits­la­ge hat­te das Inter­na­tio­na­le Rote Kreuz sei­ne Büros im Nor­den Afgha­ni­stans geschlos­sen bzw. ver­klei­nert – dar­un­ter auch in der Regi­on Balkh, die noch ver­gan­ge­nes Jahr von deut­schen Behör­den als sicher dekla­riert wur­de. Über 20.000 Men­schen sind allein in der Woche vom 9.–15.Oktober 2017 inner­halb Afgha­ni­stans aus ihrer Hei­mat geflo­hen, berich­tet UNOCHA, seit Janu­ar sind es mehr als 280.000. Ins­ge­samt sind damit rund zwei Mil­lio­nen Per­so­nen – teil­wei­se seit vie­len Jah­ren – im eige­nen Land auf der Flucht. Ende 2016 waren es 1,8 Mil­lio­nen. Die Zahl der Bin­nen­ver­trie­be­nen steigt seit Jah­ren: von rund 350.000 im Jahr 2010 auf 805.000 im Jahr 2014, und zuletzt auf 2.080.000 Per­so­nen im Okto­ber 2017.

Über ein Drit­tel der in die­sem Jahr Bin­nen­ver­trie­be­nen stam­men aus dem Nor­den, in dem auch die Bun­des­wehr sta­tio­niert war. Mitt­ler­wei­le machen sich dort offen­bar als Tali­ban-Kon­kur­renz auch immer mehr loka­le IS-Able­ger breit. Eine wei­te­re Eska­la­ti­on ist zu erwar­ten. Dazu trägt auch die neue Stra­te­gie von US-Prä­si­dent Trump bei, die dafür sorgt, dass der Sep­tem­ber ein »Rekord­mo­nat für abge­feu­er­te Muni­ti­on in Afgha­ni­stan seit 2012« war.

In die­se Situa­ti­on hin­ein wer­den unbe­irrt wei­ter Men­schen abge­scho­ben. Amnes­ty Inter­na­tio­nal hat nun einen aus­führ­li­chen Bericht ver­öf­fent­licht, in dem auch auf die per­sön­li­che Situa­ti­on eini­ger Rück­keh­rer aus ver­schie­de­nen euro­päi­schen Staa­ten ein­ge­gan­gen wird. Die Erzäh­lun­gen sind erschüt­ternd. Unter ande­rem wird der Fall einer afgha­ni­schen Mut­ter doku­men­tiert, deren Ehe­mann nur weni­ge Mona­te nach der Abschie­bung der Fami­lie aus Nor­we­gen ent­führt und ermor­det wurde.

Hin­weis: PRO ASYL hat in einer umfang­rei­chen Stel­lung­nah­me zu den Lage­be­rich­ten des AA deren man­geln­de fach­li­che Qua­li­tät belegt.

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