10.09.2018

PRO ASYL appel­liert: Neu­er Bericht der UN muss zur Aus­set­zung der Abschie­bung führen

Der UNHCR hat in sei­nem Anfang Sep­tem­ber bekannt gewor­de­nen Report zur Lage in Afgha­ni­stan nun klar­ge­stellt, dass in Hin­blick auf die gegen­wär­ti­ge Sicher­heits- und Men­schen­rechts­la­ge sowie auf die huma­ni­tä­re Situa­ti­on, Kabul gene­rell kei­ne inter­ne Flucht­al­ter­na­ti­ve mehr ist. Die Eli­gi­bi­li­ty Gui­de­lines beschrei­ben aus­drück­lich die Gefah­ren, die sich durch die ver­schärf­te Sicher­heits­la­ge für Zivi­lis­tIn­nen erge­ben. Die von UNHCR genann­te Bedin­gun­gen für eine inter­ne Flucht­al­ter­na­ti­ve (effek­ti­ve Kon­trol­le durch die Regie­rung, Mög­lich­kei­ten das Exis­tenz­mi­ni­mum zu sichern, not­wen­di­ge Infra­struk­tur) sind nicht gegeben.

Das heißt inter­ne Flucht­al­ter­na­ti­ven gibt es für die Betrof­fe­nen in der Rea­li­tät nicht und wenn es sie gäbe, sind sie nicht erreich­bar. Die Über­land­stras­sen wer­den von den Tali­ban kon­trol­liert – was auch das Aus­wär­ti­ge Amt (AA) in sei­nem aktu­el­len Lage­be­richt vom 31. Mai ein­deu­tig fest­stellt hat. Das AA beschreibt die Lage als »vola­til« – das ist eine diplo­ma­ti­sche Beschrei­bung ange­sichts der Tat­sa­che, dass die Tabi­lan Städ­te wie Kun­dus und Ghaz­ni bereits vor­über­ge­hend ein­ge­nom­men haben und mili­tä­risch erstarken.

PRO ASYL-Geschäfts­füh­rer Gün­ter Burk­hardt for­dert die Innen­mi­nis­ter der Bun­des­län­der auf: »Neh­men Sie die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen in Afgha­ni­stan und die neu­en Lage­ein­schät­zung der Ver­ein­ten Natio­nen zu Kabul zur Kennt­nis! Die für Diens­tag geplan­te Abschie­bung nach Kabul ist unver­ant­wort­lich!« Die seit Dezem­ber 2016 monat­lich lau­fen­de Abschie­be­ma­schi­ne­rie füh­re »zu über­fall­ar­ti­gen Inhaf­tie­run­gen und einem Voll­zug – oft­mals ohne, dass Gerich­te, Behör­den oder die poli­ti­schen ver­ant­wort­li­chen Minis­ter, sich mit der ver­än­der­ten Lage und was sie für den Ein­zel­nen kon­kret bedeu­tet, auseinandersetzen.«

Was die neue Ein­schät­zung des UNHCR für Fol­gen haben muss, zeigt Finn­land: Unmit­tel­bar nach der Ver­öf­fent­li­chung des Berichts hat das Land die Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan gestoppt. Obwohl das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­nem Beschluss vom 25. April 2018 betont hat, dass die »tages­ak­tu­el­len« ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Tat­sa­chen­grund­la­gen zu erfas­sen und zu bewer­ten sind , wird in Deutsch­land wei­ter abge­scho­ben, ja es sol­len nach Wil­len von Uni­ons­po­li­ti­kern sogar die zur Abschie­bung anste­hen­den Grup­pen aus­ge­wei­tet wer­den. Dabei ver­geht kein Tag ohne Anschlä­ge mit zahl­rei­chen Todes­op­fern. Am 5. Sep­tem­ber hat der sog. »Isla­mi­sche Staat« mit einem Dop­pel­an­schlag auf einen Sport­klub in Kabul min­des­tens 20 Men­schen getö­tet und 70 wei­te­re ver­letzt, einen Tag spä­ter erfolg­ten Anschlä­ge der Tali­ban in den Pro­vin­zen Badghis und Tachar.

Es ist für PRO ASYL in kei­ner Wei­se ratio­nal nach­voll­zieh­bar aus dem Lage­be­richt des AA ver­mehr­te Abschie­bun­gen her­lei­ten zu wol­len. In Deutsch­land wur­den immer mehr Afgha­nIn­nen vom Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) trotz Ver­fol­gung mit der Begrün­dung abge­lehnt, sie könn­ten doch in Kabul »inter­nen Schutz« fin­den. Bis Ende Mai 2018 wur­de vom AA und vom BAMF pau­schal behaup­tet, jun­ge afgha­ni­sche Män­ner könn­ten zurück­keh­ren und in Groß­städ­ten am Ran­de des Exis­tenz­mi­ni­mums leben. Das AA stellt in sei­nem neu­en Lage­be­richt fest, dass die Absorp­ti­ons­fä­hig­keit der genutz­ten Aus­weich­mög­lich­kei­ten, vor allem im Umfeld grö­ße­rer Städ­te, durch die hohe Zahl der Bin­nen­ver­trie­be­nen und der Rück­keh­rer aus dem Iran und Paki­stan bereits stark in Anspruch genom­men sei.

PRO ASYL zusam­men­fas­send: Es gibt kei­ne siche­ren Gebie­te, weder in der Regi­on Kabul, dem Ziel­ort der Abschie­bun­gen, noch irgend­wo anders in Afgha­ni­stan. PRO ASYL for­dert daher ein Abschie­bungs­mo­ra­to­ri­um und eine Neu­be­wer­tung der abge­lehn­ten Asyl­an­trä­ge ange­sichts der aktu­el­len Lage in Afgha­ni­stan und den jüngs­ten Berich­ten von AA und UNHCR.

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