17.02.2023

Am 6. Febru­ar 2023 töte­ten und ver­letz­ten zwei Erd­be­ben Zehn­tau­sen­de Men­schen in der Tür­kei und in Syri­en, zer­stör­ten Dör­fer und Städ­te in zehn Pro­vin­zen und lie­ßen die Über­le­ben­den ohne Obdach im har­ten Win­ter zurück. Das Kata­stro­phen­ge­biet ist so groß wie die Flä­che Deutsch­lands. PRO ASYL, Repu­bli­ka­ni­scher Anwäl­tin­nen- und Anwäl­te­ver­ein (RAV), Bor­der­line Euro­pe, Flücht­lings­rat Bran­den­burg, med­ico inter­na­tio­nal, Flücht­lings­rat Ber­lin, Ver­ein Ira­ni­scher Flücht­lin­ge und adopt a revo­lu­ti­on spre­chen den Betrof­fe­nen und Ange­hö­ri­gen ihr tiefs­tes Bei­leid aus.

Das Erd­be­ben mach­te kei­nen Unter­schied zwi­schen Natio­na­li­tät, sozia­ler Her­kunft, Spra­che, Reli­gi­on, Geschlecht, Alter, sexu­el­ler Ori­en­tie­rung und ver­wüs­te­te das gesam­te Leben in die­ser Regi­on. „Es darf kei­ne Unter­schei­dung nach Natio­na­li­tät und Pass für die Betrof­fe­nen der­sel­ben Kata­stro­phe geben“, so Tareq Alaows von PRO ASYL. Bei der huma­ni­tä­ren Hil­fe muss die Nicht­dis­kri­mi­nie­rung und Unpar­tei­lich­keit die Grund­ma­xi­me sein. In der betrof­fe­nen Regi­on leben vie­le Men­schen ale­vi­ti­scher und kur­di­scher Her­kunft. Sehr vie­le Men­schen aus Syri­en und Afgha­ni­stan im Erd­be­ben­ge­biet ste­hen erneut vor dem Nichts. Nach Anga­ben der Direk­ti­on für Migra­ti­ons­ma­nage­ment beläuft sich die Zahl der regis­trier­ten Flücht­lin­ge in den zehn vom Erd­be­ben betrof­fe­nen Pro­vin­zen auf min­des­tens 1,7 Millionen.

Aus den sozia­len Medi­en und von Flücht­lings­or­ga­ni­sa­ti­on in der Tür­kei kom­men aber alar­mie­ren­de Nach­rich­ten: Neben dis­kri­mi­nie­ren­den Maß­nah­men bei der Ver­tei­lung von Hilfs­gü­tern wird zu Hass­ver­bre­chen auf­ge­sta­chelt. Nach eini­gen Posts in den sozia­len Medi­en, in denen vor­ge­schla­gen wur­de, dass Flücht­lin­ge von Such- und Ret­tungs­ak­tio­nen und huma­ni­tä­rer Hil­fe aus­ge­schlos­sen wer­den soll­ten, ver­wan­del­te sich die­ser dis­kri­mi­nie­ren­de Dis­kurs in einen über die „Plün­de­rung“ durch Flücht­lin­ge – es soll gezielt der Ein­druck erweckt wer­den, dass Geflüch­te­te plün­dern. Man­cher­orts schlug dies bereits in phy­si­sche Gewalt und Fol­ter um. Eine wei­te­re Eska­la­ti­on droht.

„Die erneut trau­ma­ti­sier­ten Men­schen dür­fen nicht allein gelas­sen wer­den. Andern­falls wer­den sie zuneh­mend zur Ziel­schei­be von Hass­ver­bre­chen, in einem Land, das schon vor dem Erd­be­ben in einer schwe­ren Wirt­schafts­kri­se steck­te und in dem in drei Mona­ten gewählt wer­den soll. Es muss sicher­ge­stellt wer­den, dass die Men­schen und ihre Schick­sa­le nicht wie­der zu Spiel­bäl­len der Poli­tik gemacht wer­den“, so Rechts­an­wäl­tin Bere­nice Böh­lo vom Vor­stand des Repu­bli­ka­ni­schen Anwäl­tin­nen- und Anwäl­te­ver­eins (RAV).

Nach dem von Prä­si­dent Erdoğan am 7. Febru­ar 2023 ver­häng­ten Aus­nah­me­zu­stand erlaubt die Direk­ti­on für Migra­ti­ons­ma­nage­ment nur den Flücht­lin­gen eine Rei­se­ge­neh­mi­gung in ande­re Regio­nen, deren Ver­wand­te ihre Grund­be­dürf­nis­se, ins­be­son­de­re eine Unter­kunft, befrie­di­gen kön­nen, oder die für sich ein Haus mie­ten kön­nen. Es wur­de ange­kün­digt, dass öffent­li­che Ein­rich­tun­gen und Orga­ni­sa­tio­nen, ein­schließ­lich loka­ler Regie­run­gen, den vom Erd­be­ben betrof­fe­nen Flücht­lin­gen außer­halb des Erd­be­ben­ge­biets kei­ne Unter­stüt­zung bei der Unter­brin­gung gewäh­ren dür­fen und dass auch Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen kei­ne Unter­stüt­zung bei der Unter­brin­gung leis­ten dürfen.

Über die Situa­ti­on in Syri­en erfah­ren wir kaum etwas. Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen vor Ort berich­ten, dass Men­schen allein gelas­sen sind und von Hilfs­maß­nah­men kaum erreicht wer­den. Statt­des­sen wer­den Hilfs­maß­nah­men von Assad poli­tisch instru­men­ta­li­siert. Hier muss ein breit ange­leg­tes Eva­ku­ie­rungs­pro­gramm unter der Kon­trol­le der UNO sofort beginnen.

Die acht Orga­ni­sa­tio­nen for­dern die Bun­des­re­gie­rung auf, Erd­be­ben­op­fern schnell, unbü­ro­kra­tisch und groß­zü­gig die Ein­rei­se zu ermög­li­chen ohne Unter­schied nach Her­kunft und Natio­na­li­tät. Geflüch­te­te und von der Kata­stro­phe betrof­fe­ne Men­schen, die sich in der Tür­kei auf­hal­ten, müs­sen eben­falls huma­ni­tä­re Visa erhal­ten. Vie­le von ihnen haben Ver­wand­te im Bun­des­ge­biet und war­ten seit Jah­ren dar­auf, ein­rei­sen zu dür­fen, was in der aktu­el­len Situa­ti­on umso dring­li­cher ist.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen fin­den Sie hier: Kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung bei der Visa­ver­ga­be: Nach dem Beben lei­den alle Men­schen gleich

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