07.04.2022

PRO ASYL und die Lan­des­flücht­lings­rä­te for­dern zum heu­ti­gen Bund-Län­der-Gip­fel zur Auf­nah­me der Geflüch­te­ten aus der Ukrai­ne, dass nicht nur ukrai­ni­sche Schutz­su­chen­de, son­dern auch geflüch­te­te Men­schen aus ande­ren Län­dern ins Sozi­al­hil­fe­sys­tem inte­griert wer­den. Denn die Men­schen­wür­de gilt für alle.

Heu­te trifft sich Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz mit den Ministerpräsident*innen der Bun­des­län­der, um über die Auf­nah­me von Geflüch­te­ten aus der Ukrai­ne und die Finan­zie­rungs­ver­tei­lung zwi­schen Bund und Län­dern zu spre­chen. Bis­lang sieht das Gesetz vor, dass sie auch mit dem Sta­tus des „vor­über­ge­hen­den Schut­zes“ Leis­tun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz bezie­hen, die gerin­ger aus­fal­len als die regu­lä­re Sozi­al­hil­fe. Auf der Ministerpräsident*innenkonferenz soll nun dis­ku­tiert wer­den, die ukrai­ni­schen Geflüch­te­ten schnel­ler in die nor­ma­le Sozi­al­hil­fe einzugliedern.

PRO ASYL und die Lan­des­flücht­lings­rä­te unter­stüt­zen die­sen Vor­schlag, for­dern aber, alle Men­schen sozi­al­recht­lich gleich zu behan­deln, auch Geflüch­te­te. Denn der ver­fas­sungs­recht­lich garan­tier­te Schutz der Men­schen­wür­de gilt für alle Men­schen in Deutsch­land, unab­hän­gig von ihrem Auf­ent­halts­ti­tel. Es ist des­we­gen rich­tig, dass über einen leis­tungs­recht­li­chen Sys­tem­wech­sel gespro­chen wird – aber die­ser muss grund­sätz­lich und für alle nach Deutsch­land geflüch­te­ten Men­schen erfol­gen. Das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz gehört end­lich abge­schafft, for­dern  PRO ASYL und die Lan­des­flücht­lings­rä­te. Die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung  durch das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz ist nied­ri­ger als in der nor­ma­len Sozi­al­hil­fe und garan­tiert kein men­schen­wür­di­ges Leben, zu dem auch eine aus­rei­chen­de Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben gehört.

Hin­ter­grund zum Asylbewerberleistungsgesetz

Das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz wur­de 1993 als ver­meint­li­che Abschre­ckungs­maß­nah­me ein­ge­führt. Es ist ver­fas­sungs­recht­lich höchst umstrit­ten. In einem weg­wei­sen­den Urteil zum Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz 2012 stell­ten die Verfassungsrichter*innen fest, dass der Anspruch auf das aus der Men­schen­wür­de abge­lei­te­te Exis­tenz­mi­ni­mum deut­schen und aus­län­di­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen glei­cher­ma­ßen zusteht. Ein beson­ders rele­van­tes Fazit aus dem Urteil ist: „Die Men­schen­wür­de ist migra­ti­ons­po­li­tisch nicht zu rela­ti­vie­ren“. Das heißt, dass Sozi­al­leis­tun­gen nicht zum Abschre­cken von Migrant*innen beson­ders nied­rig gehal­ten wer­den dürfen.

Mitt­ler­wei­le gibt es eine Viel­zahl von Regeln in dem Gesetz, die sogar über die gerin­gen Leis­tun­gen hin­aus­ge­hen­de Kür­zun­gen vor­se­hen – deren Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit ist ins­be­son­de­re seit dem Hartz IV-Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts von 2019 mehr als frag­lich. Aktu­ell ist ein Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zu der 2019 von der letz­ten Regie­rung ein­ge­führ­ten Ände­rung anhän­gig, nach der allein­ste­hen­de Asyl­su­chen­de und Gedul­de­te, die in einer Gemein­schafts­un­ter­kunft woh­nen, als „Schick­sals­ge­mein­schaft“ zäh­len und des­we­gen wie Ehepartner*innen behan­delt wer­den und gerin­ge­re Leis­tun­gen bekommen.

Die neue Bun­des­re­gie­rung hat in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag zum Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz vor­ge­se­hen: „Wir wer­den das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz im Lich­te der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts wei­ter­ent­wi­ckeln. Wir wol­len den Zugang für Asyl­be­wer­be­rin­nen und Asyl­be­wer­ber zur Gesund­heits­ver­sor­gung unbü­ro­kra­ti­scher gestal­ten. Min­der­jäh­ri­ge Kin­der sind von Leis­tungs­ein­schrän­kun­gen bzw. ‑kür­zun­gen aus­zu­neh­men.“ Doch selbst zu die­ser Mini­mal­lö­sung sind bis­lang kei­ne Umset­zungs­vor­schlä­ge bekannt.

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