03.09.2022
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Andre­as Lipsch, Vor­sit­zen­der des Stif­tungs­ra­tes der Stif­tung PRO ASYL, über­reicht den dies­jäh­ri­gen Men­schen­rechts­preis an Maciej Nowi­cki und Mar­ta Górc­zyńs­ka von der Hel­sin­ki Foun­da­ti­on for Human Rights (Polen). Foto: PRO ASYL. 

Die Stif­tung PRO ASYL hat am heu­ti­gen Sams­tag ihren Men­schen­rechts­preis an die pol­ni­sche Anwäl­tin Mar­ta Górc­zyńs­ka und die Hel­sin­ki Foun­da­ti­on for Human Rights (Polen) ver­lie­hen. In ihrer Lau­da­tio benann­te Lui­se Amts­berg, Men­schen­rechts­be­auf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung, auch „die Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit der Euro­päi­schen Uni­on in der Flüchtlingsfrage“.

Die pol­nisch-bela­rus­si­sche Grenz­re­gi­on sei zu einem „rechts­frei­en Raum in euro­päi­scher Ver­ant­wor­tung“ gewor­den, in dem Men­schen ohne Zel­te, ohne Nah­rung, ohne ärzt­li­che Ver­sor­gung fest­sit­zen, „ein­ge­klemmt zwi­schen geo­po­li­ti­schem Macht­ge­ran­gel“. Das sag­te Lui­se Amts­berg, Men­schen­rechts­be­auf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung, am Sams­tag anläss­lich der Ver­lei­hung des PRO ASYL-Men­schen­rechts­prei­ses an Mar­ta Górczyńska.

Gemein­sam mit dem Prä­si­den­ten der Stif­tung, Maciej Nowi­cki, nahm sie die Aus­zeich­nung von PRO ASYL am 3. Sep­tem­ber in Frank­furt am Main ent­ge­gen. „Mar­ta Górc­zyńs­ka und die Hel­sin­ki Foun­da­ti­on for Human Rights stel­len sich seit vie­len Jah­ren gegen die Ver­schär­fung des Asyl­rechts in Polen und set­zen sich jeden ein­zel­nen Tag und sehr kon­kret für eine men­schen­rechts­ba­sier­te Flücht­lings­po­li­tik ein“, begrün­de­te Andre­as Lipsch, Vor­sit­zen­der des Stif­tungs­rats der Stif­tung PRO ASYL, die Ehrung. Die­se käme zur rech­ten Zeit, sag­te Maciej Nowi­cki – unter ande­rem, weil die „huma­ni­tä­re Kri­se an der pol­nisch-bela­rus­si­schen Gren­ze sich über­lappt mit der Kri­se der Rechts­staat­lich­keit in Polen“. Das sei eine Kri­se, in der man sich nie sicher sein kön­ne, ob die Urtei­le von Gerich­ten über­haupt befolgt würden.

Mar­ta Górc­zyńs­ka setzt sich in Polen für die Rech­te von Geflüch­te­ten ein, berät die­se juris­tisch und kämpft gegen ille­ga­le Zurück­wei­sun­gen und Gewalt an der Gren­ze. Zahl­rei­che Schutz­su­chen­de konn­ten sie und ihre Kolleg*innen dank Eil­an­trä­gen beim Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te vor ille­ga­len Push­backs bewah­ren. Die Hel­sin­ki Foun­da­ti­on ist zudem Teil des Netz­werks Grupa Gra­ni­ca, das in den Wäl­dern im pol­nisch-bela­rus­si­schen Grenz­ge­biet seit Som­mer ver­gan­ge­nen Jah­res huma­ni­tä­re Not­hil­fe leis­tet. Górc­zyńs­ka, die seit zehn Jah­ren für die Hel­sin­ki Foun­da­ti­on tätig ist, spricht mit Blick auf die kata­stro­pha­le Lage von Geflüch­te­ten, die über Bela­rus nach Polen kom­men, von einem „Aus­nah­me­zu­stand, der sich zu ver­ste­ti­gen droht“.

Muti­ge Frau­en gegen Menschenrechtsverletzungen

„Es ist dem Mut von Frau­en wie Mar­ta zu ver­dan­ken, dass mas­si­ve Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen sys­te­ma­tisch doku­men­tiert wer­den konn­ten“, fuhr Lui­se Amts­berg in ihrer Lau­da­tio auf Mar­ta Górc­zyńs­ka fort. „Es ist Ihnen zu ver­dan­ken, dass der Ver­such des pol­ni­schen Staa­tes, die­se Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen vor der Öffent­lich­keit zu ver­ber­gen, nicht gelun­gen ist. Ihr Ein­satz steht damit bei­spiel­ge­bend für die Ver­tei­di­gung der Men­schen­wür­de, Men­schen­rech­te und Rechts­staat­lich­keit in Euro­pa.“ Amts­berg beklag­te „die Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit der Euro­päi­schen Uni­on in der Flücht­lings­fra­ge“ und for­der­te „ein huma­ni­tä­res, fai­res euro­päi­sches Asyl­sys­tem auf der Grund­la­ge von Soli­da­ri­tät und Verantwortung“.

Das for­der­te auch Mar­ta Górc­zyńs­ka. Es sei unbe­schreib­lich, „in wel­chem Maße Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen statt­fin­den. Selbst Fami­li­en mit Kin­dern, die vor den Gräu­eln der Krie­ge in Syri­en, Afgha­ni­stan oder dem Jemen geflo­hen sind, wer­den von den pol­ni­schen Grenz­be­am­ten bru­tal zurück­ge­schickt, ohne Zugang zu einem fai­rem Asyl­ver­fah­ren, ohne Trink­was­ser, ohne Nah­rung, ohne ein Dach über dem Kopf.“ Schmerz­haft fehl­ten an der pol­nisch-bela­rus­si­schen Gren­ze pro­fes­sio­nel­le Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen. Die gesam­te huma­ni­tä­re Anstren­gung wur­de und wer­de aus­schließ­lich von Gras­wur­zel­or­ga­ni­sa­tio­nen geleis­tet, „also von Men­schen, die zuvor kei­ner­lei Erfah­rung hat­ten, Men­schen­le­ben zu ret­ten. Men­schen, die ein­fach ihren Ruck­sack gepackt haben und hin­ge­gan­gen sind, die Essen gebracht haben und Geflüch­te­te mit selbst­ge­bas­tel­ten Tra­gen ins nächs­te Kran­ken­haus gebracht haben“, sag­te sie in ihrer Rede.

Sie set­ze wenig Hoff­nung in die pol­ni­sche und die euro­päi­sche Poli­tik, aber gro­ße Hoff­nung in die Zivil­ge­sell­schaft und die mensch­li­che Soli­da­ri­tät, beton­te Górc­zyńs­ka und ende­te mit dem Appell, die Gewalt an den Gren­zen und das mas­sen­haf­te Leid, das sie ver­ur­sacht, „nie­mals zu akzep­tie­ren, uns nie dar­an zu gewöh­nen, es nie als nor­mal hinzunehmen“.

Hin­ter­grund

Den Men­schen­rechts­preis ver­leiht die Stif­tung PRO ASYL seit 2006 jähr­lich an Per­so­nen, die sich in her­aus­ra­gen­der Wei­se für die Ach­tung der Men­schen­rech­te und den Schutz von Flücht­lin­gen ein­set­zen. Der Preis ist mit 5.000 Euro und der Plas­tik der PRO-ASYL-Hand des Künst­lers Ari­el Aus­len­der, Pro­fes­sor an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Darm­stadt, dotiert. Bis­he­ri­ge Preisträger*innen waren bei­spiels­wei­se der Anwalt Peter Fahl­busch für sein Enga­ge­ment für Abschie­be­häft­lin­ge, das Netz­werk Watch the Med – Alarm Pho­ne, das Not­ru­fe von Flücht­lin­gen im Mit­tel­meer ent­ge­gen­nimmt, und der ita­lie­ni­sche Jour­na­list Fabri­zio Gat­ti, der seit den neun­zi­ger Jah­ren Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Flücht­lin­gen aufdeckt.

Inter­views mit Mar­ta Górc­zyńs­ka lesen Sie hier und hier, außer­dem hier einen Bericht zu Abschie­bun­gen von Deutsch­land nach Polen.

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