02.07.2018

Ers­te Ein­schät­zung von PRO ASYL zu weit­rei­chen­den Verschärfungen

Der heu­te ver­öf­fent­lich­te CSU-»Masterplan« macht deut­lich: Ein fai­res Asyl­ver­fah­ren für schutz­su­chen­de Men­schen soll auf allen Ebe­nen ver­hin­dert wer­den. Unver­mit­telt schwingt auf jeder Sei­te des sog. Mas­ter­plans mit: Abschot­tung in allen Berei­chen, Schutz­su­chen­de sind hier nicht mehr will­kom­men. Dass wir von Men­schen, die v.a. vor Krieg, Ter­ror und schwe­ren Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen flie­hen, spre­chen, wird ver­ges­sen. Dabei müss­te es gera­de Horst See­ho­fer als Bun­des­in­nen­mi­nis­ter bes­ser wis­sen: In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat der Groß­teil der Asyl­su­chen­den einen Schutz­sta­tus erhal­ten. Und die zunächst vom Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) abge­lehn­ten Per­so­nen haben oft­mals noch vor Gericht ihren berech­tig­ten Schutz bekommen.

Nun aber soll erst gar nicht der Zugang zu fai­ren Ver­fah­ren ermög­licht wer­den. Und selbst den­je­ni­gen, denen doch noch die Mög­lich­keit gege­ben wird, in Deutsch­land einen Asyl­an­trag zu stel­len, wird es so schwer wie mög­lich gemacht. Wäh­rend in der Prä­am­bel das Ver­trau­en in den Rechts­staat betont wird (S. 2), sind es gera­de die Grund­prin­zi­pi­en des Rechts­staa­tes, die durch die­sen Plan in Fra­ge gestellt wer­den. Das Papier ist ein Rück­schritt zu längst als über­holt gedach­ten Maß­nah­men und gespickt mit For­mu­lie­run­gen, die schon lan­ge nicht mehr den Erkennt­nis­sen gera­de nach 2015 entsprechen.

Im Rah­men der natio­na­len Maß­nah­men fällt vor allem auf:

AnkER (Punkt 32). Schutz­su­chen­de wer­den in den sog. AnkER-Zen­tren zum Objekt staat­li­chen Han­delns. Unter der Abschre­ckungs­po­li­tik, die hier demons­triert wer­den soll, fal­len auch sol­che, die letzt­lich einen Schutz­sta­tus erhal­ten sol­len. Laut Punkt 32 sol­len schließ­lich alle Per­so­nen in die­sen Lagern unter­ge­bracht wer­den. Obwohl im Asyl­pro­zess­recht ohne­hin die Rechts­mit­tel­mög­lich­kei­ten und Fris­ten ein­ge­schränkt sind, sol­len die Zeit­räu­me noch­ma­lig ver­kürzt wer­den, Ver­wal­tungs­ge­rich­te müs­sen »schnellst­mög­lich ent­schei­den«. Dabei sind auf­grund der feh­ler­haf­ten Ent­schei­dungs­pra­xis des Bun­des­am­tes der letz­ten Jah­re die Gerich­te schon jetzt überlastet.

Erwei­te­rung der beschleu­nig­ten Asyl­ver­fah­ren nach § 30a AsylG (Punkt 35). Ein beschleu­nig­tes Ver­fah­ren soll nun bei allen Per­so­nen durch­ge­führt wer­den, die kei­ne Iden­ti­täts­do­ku­men­te vor­wei­sen kön­nen. Das war im ver­gan­ge­nen Jahr nach Schät­zung des BAMF rund die Hälf­te aller Betrof­fe­nen. Das bedeu­tet: Das BAMF muss inner­halb einer Woche ent­schei­den. Zusätz­lich muss der/die Schutz­su­chen­de in beson­de­ren Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen bis zur Aus­rei­se woh­nen blei­ben. Wie in die­sem kur­zen Zeit­raum eine indi­vi­du­el­le Asyl­ver­fah­rens­be­ra­tung mög­lich sein soll oder aber den beson­de­ren Bedürf­nis­sen vul­nerabler Betrof­fe­ner ent­spro­chen wird, ist nicht zu erkennen.

Auch wird es in die­ser kur­zen Zeit kaum mög­lich, einen Rechts­bei­stand zu errei­chen, die oft­mals feh­ler­haf­ten Ent­schei­dun­gen des Bun­des­am­tes wer­den recht­lich nicht über­prüft wer­den kön­nen. Dabei for­der­te das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt 1996, dass Schutz­su­chen­de bei beschleu­nig­ten Son­der­ver­fah­ren, die schon damals am Flug­ha­fen erfolg­ten, einen Anspruch auf eine kos­ten­lo­se asyl­recht­li­che Bera­tung und anwalt­li­che Unter­stüt­zung haben müs­sen. Euro­pa­recht­lich steht die­se Aus­wei­sung auf pau­schal alle Men­schen ohne Iden­ti­täts­do­ku­men­te Art. 31 Abs. 8 der Ver­fah­rens­richt­li­nie ent­ge­gen, da ihnen kein feh­ler­haf­tes Ver­hal­ten vor­zu­wer­fen ist. Zur Kri­tik an § 30a AsylG m.w.N. (S. 3).

Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz (Punkt 39). Die Bezie­hung von Asyl­be­wer­ber­leis­tun­gen soll von der­zeit 15 Mona­ten auf 36 Mona­te erwei­tert wer­den – eine Ver­schär­fung, die über den Koali­ti­ons­vor­trag hin­aus­geht. Dabei soll zunächst das Prin­zip der Sach­leis­tun­gen ange­wandt wer­den, Leis­tungs­kür­zun­gen wer­den erwei­tert. Auch hier fin­det eine Degra­die­rung der Schutz­per­so­nen statt. Die neu­er­li­chen Ein­schnit­te dürf­ten schwer in Ein­klang zu brin­gen sein mit dem Dik­tum des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts aus dem Jahr 2012: »Die Men­schen­wür­de ist migra­ti­ons­po­li­tisch nicht zu relativieren«.

Rechts­mit­tel­ver­fah­ren (Punkt 40). Erneut wer­den euro­päi­sche Vor­ga­ben igno­riert: Der »Mas­ter­plan« sieht vor, dass trotz ein­ge­leg­ter Rechts­mit­tel die Betrof­fe­nen abge­scho­ben wer­den sol­len. Dabei hat erst am 19. Juni der Gerichts­hof der Euro­päi­schen Uni­on aus­drück­lich ent­schie­den, dass wäh­rend einer Kla­ge gegen die Ableh­nung samt Aus­rei­se­ent­schei­dung nicht abge­scho­ben wer­den darf – das gebie­te schon die Grund­rech­te­char­ta der Euro­päi­schen Uni­on. Hier müss­ten viel­mehr die schon heu­te bestehen­den Ein­schrän­kun­gen drin­gend gesetz­lich auf­ge­ho­ben wer­den (Zur Ent­schei­dung).

Beschei­ni­gung unter­halb der Dul­dung (Punkt 53). Bis­her erhal­ten die­je­ni­gen, die aus recht­li­chen oder tat­säch­li­chen Grün­den nicht abge­scho­ben wer­den kön­nen eine Dul­dung. Jetzt soll eine Beschei­ni­gung unter­halb der Dul­dung für Aus­rei­se­pflich­ti­ge, denen die Rück­füh­rungs­hin­der­nis­se zuzu­rech­nen sind, ein­ge­führt wer­den. Beson­ders dras­tisch: Liest man die­sen Punkt zusam­men mit dem nächs­ten Punkt 54, wonach das Vor­lie­gen von gül­ti­gen Rei­se­do­ku­men­ten in die allei­ni­ge Ver­ant­wort­lich­keit der Betrof­fe­nen gestellt wird – obwohl bei­spiels­wei­se die Pro­ble­me an den Bot­schaf­ten und den Her­kunfts­län­dern lie­gen kann – kann auch der Anwen­dungs­be­reich zur Beschei­ni­gung unter­halb der Dul­dung enorm aus­ge­wei­tet wer­den. So wer­den Men­schen in die Ille­ga­li­tät getrieben.

Abschie­bungs­haft (Punkt 59). Auch hier will der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter sich gegen euro­päi­sches Recht stel­len und die EU-Rück­füh­rungs­richt­li­nie, die die Bedin­gun­gen für Abschie­bungs­haft regelt, aus­set­zen. Zurück zu den Ent­wick­lun­gen der 90er Jah­re sol­len wie­der Abschie­bungs­haft­plät­ze aus­ge­baut wer­den und sogar in Straf­an­stal­ten ein­ge­rich­tet wer­den. Abschie­bungs­haft ist aber kei­ne Straf­haft. Unter Abschie­bungs­haft fal­len auch Per­so­nen unter der Dub­lin-Ver­ord­nung, die noch in einem ande­ren Mit­glied­staat als Schutz­be­rech­tig­te aner­kannt wer­den können.

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