06.12.2016

PRO ASYL: Dras­ti­scher Rechts­ruck auf Kos­ten der Men­schen­rech­te von Flüchtlingen

Als »dras­ti­schen Rechts­ruck auf Kos­ten der Men­schen­rech­te von Flücht­lin­gen« kri­ti­siert Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL, den Leit­an­trag des CDU-Vor­stan­des. »Die CDU redet zwar von Euro­pa als Wer­te­ge­mein­schaft, in der kon­kre­ten Poli­tik sol­len die Wer­te Euro­pas aus­ge­he­belt wer­den. Das Recht auf Asyl in Euro­pa wird zur Fata Mor­ga­na – schön aber uner­reich­bar.«  Die CDU will im Mit­tel­meer geret­te­te Flücht­lin­ge  direkt nach Afri­ka zurückbringen.

Rück­füh­rungs­zen­tren in Afri­ka füh­ren zu einer Ver­let­zung der  Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EMRK).  Der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te hat 2012 im Ver­fah­ren Hir­si Jamaa gegen Ita­li­en ent­schie­den, dass die Unter­zeich­ner­staa­ten der EMRK geret­te­ten Flücht­lin­gen Zugang zum Asyl­ver­fah­ren gestat­ten müs­sen und sie nicht kol­lek­tiv in Staa­ten abschie­ben dür­fen, in denen ihnen mög­li­cher­wei­se Ver­fol­gung oder unmensch­li­che Behand­lung droht. Ita­li­en hat­te Geret­te­te nach Liby­en zurück­ge­bracht. PRO ASYL kri­ti­siert das Vor­ha­ben, Rück­füh­rungs­zen­tren außer­halb Euro­pas zu instal­lie­ren, als Ver­such, sich von der Ver­ant­wor­tung für Flücht­lin­ge frei­zu­kau­fen. »Täg­lich wächst das Ent­set­zen über die Eska­la­ti­on des Krie­ges in Syri­en und auf der ande­ren Sei­te hat Euro­pas Poli­tik zur Schlie­ßung der syrisch-tür­ki­schen Gren­ze und der Flucht­rou­te über die Tür­kei geführt. Wer Gren­zen unpas­sier­bar macht und Euro­pa zur Fes­tung aus­baut, braucht kei­ne Ober­gren­ze. Für Schutz­su­chen­de gibt es kein Ent­rin­nen mehr.«

Auf Kri­tik stößt auch der ver­schärf­te Abschie­bungs­kurs. Abschie­bun­gen in Staa­ten wie Afgha­ni­stan sind unver­ant­wort­lich. Gebie­te, die heu­te angeb­lich sicher sind, sind es mor­gen nicht mehr. »Die geplan­ten Abschie­bungs­flü­ge nach Afgha­ni­stan sind ein Aus­druck von Käl­te und Herz­lo­sig­keit. Rechts­po­pu­lis­ti­sche For­de­run­gen wer­den auf­ge­grif­fen. Tau­sen­de Tote, Kampf­hand­lun­gen in 31 von 34 Pro­vin­zen, Hun­der­tau­sen­de von Bin­nen­ver­trie­be­nen sind die Rea­li­tät. Das post­fak­ti­sche Zeit­al­ter hat nun die CDU erreicht. Fak­ten wer­den nicht mehr zur Kennt­nis genom­men, Skru­pel­lo­sig­keit scheint sich durch­zu­set­zen,« ana­ly­siert Gün­ter Burkhardt.

Bezüg­lich Afgha­ni­stan hat die Bun­des­re­gie­rung im Novem­ber 2015 beschlos­sen, »die Ent­schei­dungs­grund­la­gen des BAMF [zu] über­ar­bei­ten und an[zu]passen«, um eine » Inten­si­vie­rung der Rück­füh­run­gen« zu ermög­li­chen. Ange­sichts der immer bri­san­ter wer­den­den sicher­heits­po­li­ti­schen Lage in Afgha­ni­stan ist dies ein mehr als gefähr­li­ches Vor­ha­ben – mit fata­len Fol­gen für die Betrof­fe­nen. Obwohl sich in Afgha­ni­stan nichts zum Bes­se­ren ver­än­dert hat, hat sich die Ent­schei­dungs­pra­xis in Deutsch­land bei afgha­ni­schen Flücht­lin­gen dras­tisch gewan­delt: 2015 lag die berei­nig­te Gesamt­schutz­quo­te für afgha­ni­sche Flücht­lin­ge noch bei rund 78 Pro­zent – im August 2016 nun nur noch bei rund 48 Pro­zent. Asyl­an­trä­ge von rund 14 000 Afgha­nen wur­den in 2016 abge­lehnt, oft ohne Wür­di­gung des indi­vi­du­el­len Fluchtschicksals.

Die Aus­wei­tung des Aus­rei­se­ge­wahr­sams auf vier Wochen ist rechts­staat­lich höchst frag­wür­dig. Das angeb­li­che »Voll­zugs­de­fi­zit« ist nicht das Ergeb­nis zurück­hal­ten­der Behör­den­pra­xis, son­dern oft der Situa­ti­on im Her­kunfts­land oder gesund­heit­li­chen Abschie­bungs­hin­der­nis­sen geschul­det. »Wer im Asyl­ver­fah­ren abge­lehnt wur­de, darf noch lan­ge nicht abge­scho­ben wer­den«, sag­te Burk­hardt. Auch künf­tig wird es Men­schen geben, deren Antrag auf Flücht­lings­schutz abge­lehnt wur­de, die jedoch gleich­wohl über län­ge­re Zeit gedul­det wer­den. Über 80% der abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den leben mitt­ler­wei­le mit einem lega­len Auf­ent­halts­sta­tus in Deutsch­land: Von ca. 550.000 abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den leb­ten Mit­te 2016 knapp 47% mit unbe­fris­te­tem und knapp 35% mit befris­te­tem Auf­ent­halts­recht in Deutschland.

Die Uni­on will die Dul­dung (das ist recht­lich die Aus­set­zung der Abschie­bung) durch eine »Beschei­ni­gung über die Aus­rei­se­pflicht« erset­zen. Damit wür­de das größ­te huma­ni­tä­re Pro­jekt der Regie­rungs­ko­ali­ti­on, die Blei­be­rechts­re­ge­lung für lang­jäh­rig Gedul­de­te, ad absur­dum geführt. Die von Kir­chen Ver­bän­den und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen und auch von SPD und CDU/CSU im Bun­des­tag mit­be­schlos­se­nen Blei­be­rechts­re­ge­lung für lang­jäh­rig Gedul­de­te wür­de ins Lee­re lau­fen. Die Ver­wei­ge­rung von Arbeits- und Aus­bil­dungs­er­laub­nis zwingt abge­lehn­te Asyl­su­chen­de, die nicht abge­scho­ben wer­den kön­nen, in die staat­li­che Zwangsversorgung.

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