PRO ASYL: Drastischer Rechtsruck auf Kosten der Menschenrechte von Flüchtlingen
Als »drastischen Rechtsruck auf Kosten der Menschenrechte von Flüchtlingen« kritisiert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, den Leitantrag des CDU-Vorstandes. »Die CDU redet zwar von Europa als Wertegemeinschaft, in der konkreten Politik sollen die Werte Europas ausgehebelt werden. Das Recht auf Asyl in Europa wird zur Fata Morgana – schön aber unerreichbar.« Die CDU will im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge direkt nach Afrika zurückbringen.
Rückführungszentren in Afrika führen zu einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 2012 im Verfahren Hirsi Jamaa gegen Italien entschieden, dass die Unterzeichnerstaaten der EMRK geretteten Flüchtlingen Zugang zum Asylverfahren gestatten müssen und sie nicht kollektiv in Staaten abschieben dürfen, in denen ihnen möglicherweise Verfolgung oder unmenschliche Behandlung droht. Italien hatte Gerettete nach Libyen zurückgebracht. PRO ASYL kritisiert das Vorhaben, Rückführungszentren außerhalb Europas zu installieren, als Versuch, sich von der Verantwortung für Flüchtlinge freizukaufen. »Täglich wächst das Entsetzen über die Eskalation des Krieges in Syrien und auf der anderen Seite hat Europas Politik zur Schließung der syrisch-türkischen Grenze und der Fluchtroute über die Türkei geführt. Wer Grenzen unpassierbar macht und Europa zur Festung ausbaut, braucht keine Obergrenze. Für Schutzsuchende gibt es kein Entrinnen mehr.«
Auf Kritik stößt auch der verschärfte Abschiebungskurs. Abschiebungen in Staaten wie Afghanistan sind unverantwortlich. Gebiete, die heute angeblich sicher sind, sind es morgen nicht mehr. »Die geplanten Abschiebungsflüge nach Afghanistan sind ein Ausdruck von Kälte und Herzlosigkeit. Rechtspopulistische Forderungen werden aufgegriffen. Tausende Tote, Kampfhandlungen in 31 von 34 Provinzen, Hundertausende von Binnenvertriebenen sind die Realität. Das postfaktische Zeitalter hat nun die CDU erreicht. Fakten werden nicht mehr zur Kenntnis genommen, Skrupellosigkeit scheint sich durchzusetzen,« analysiert Günter Burkhardt.
Bezüglich Afghanistan hat die Bundesregierung im November 2015 beschlossen, »die Entscheidungsgrundlagen des BAMF [zu] überarbeiten und an[zu]passen«, um eine » Intensivierung der Rückführungen« zu ermöglichen. Angesichts der immer brisanter werdenden sicherheitspolitischen Lage in Afghanistan ist dies ein mehr als gefährliches Vorhaben – mit fatalen Folgen für die Betroffenen. Obwohl sich in Afghanistan nichts zum Besseren verändert hat, hat sich die Entscheidungspraxis in Deutschland bei afghanischen Flüchtlingen drastisch gewandelt: 2015 lag die bereinigte Gesamtschutzquote für afghanische Flüchtlinge noch bei rund 78 Prozent – im August 2016 nun nur noch bei rund 48 Prozent. Asylanträge von rund 14 000 Afghanen wurden in 2016 abgelehnt, oft ohne Würdigung des individuellen Fluchtschicksals.
Die Ausweitung des Ausreisegewahrsams auf vier Wochen ist rechtsstaatlich höchst fragwürdig. Das angebliche »Vollzugsdefizit« ist nicht das Ergebnis zurückhaltender Behördenpraxis, sondern oft der Situation im Herkunftsland oder gesundheitlichen Abschiebungshindernissen geschuldet. »Wer im Asylverfahren abgelehnt wurde, darf noch lange nicht abgeschoben werden«, sagte Burkhardt. Auch künftig wird es Menschen geben, deren Antrag auf Flüchtlingsschutz abgelehnt wurde, die jedoch gleichwohl über längere Zeit geduldet werden. Über 80% der abgelehnten Asylsuchenden leben mittlerweile mit einem legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland: Von ca. 550.000 abgelehnten Asylsuchenden lebten Mitte 2016 knapp 47% mit unbefristetem und knapp 35% mit befristetem Aufenthaltsrecht in Deutschland.
Die Union will die Duldung (das ist rechtlich die Aussetzung der Abschiebung) durch eine »Bescheinigung über die Ausreisepflicht« ersetzen. Damit würde das größte humanitäre Projekt der Regierungskoalition, die Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete, ad absurdum geführt. Die von Kirchen Verbänden und Menschenrechtsorganisationen und auch von SPD und CDU/CSU im Bundestag mitbeschlossenen Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete würde ins Leere laufen. Die Verweigerung von Arbeits- und Ausbildungserlaubnis zwingt abgelehnte Asylsuchende, die nicht abgeschoben werden können, in die staatliche Zwangsversorgung.