24.05.2022

Anläss­lich der Innenminister*innenkonferenz vom 1.–3. Juni 2022 in Würz­burg for­dern PRO ASYL und die Lan­des­flücht­lings­rä­te sowie vie­le wei­te­re Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven eine bun­des­wei­te Rege­lung, die den Schutz von allen aus der Ukrai­ne geflüch­te­ten Men­schen garan­tiert und einen sofor­ti­gen Stopp der Dis­kri­mi­nie­rung von Drittstaater*innen und Staa­ten­lo­sen aus der Ukraine.

Seit dem mili­tä­ri­schen Angriff Russ­lands auf die gesam­te Ukrai­ne sind bereits über sechs Mil­lio­nen Men­schen von dort geflo­hen, größ­ten­teils in die Anrai­ner­staa­ten, vie­le hun­dert­tau­send Men­schen sind aber auch in die Bun­des­re­pu­blik geflüchtet.

Ukrainer*innen erhal­ten in Deutsch­land gemäß der EU-Richt­li­nie 2001/55/EG zur Gewäh­rung vor­über­ge­hen­den Schut­zes und gemäß EU-Rats­be­schluss vom 4. März 2022 unbü­ro­kra­ti­schen Zugang zu Auf­ent­halts­ti­tel, Arbeits­er­laub­nis und Sozi­al­leis­tun­gen. Sie bekom­men so ein wich­ti­ges Stück Sicher­heit in der ihr Leben bestim­men­den Kata­stro­phe des Krieges.

Doch ande­re Kriegs­flücht­lin­ge, die in der Ukrai­ne gelebt, stu­diert oder gear­bei­tet haben und sogar Staa­ten­lo­se, die ihr gesam­tes Leben dort ver­bracht haben, wer­den größ­ten­teils schlech­ter gestellt, obwohl sie vor dem glei­chen Krieg, vor der glei­chen Gewalt geflo­hen sind: Nicht-ukrai­ni­sche Drittstaater*innen mit befris­te­tem Auf­ent­halts­recht in der Ukrai­ne sind einem Rund­schrei­ben des BMI zufol­ge bis­her von dem Recht auf tem­po­rä­ren Schutz als Kriegs­ver­trie­be­ne nach § 24 Auf­enthG  aus­ge­nom­men, wenn ange­nom­men wird, dass eine „siche­re und dau­er­haf­te Rück­kehr­mög­lich­keit“ ins Her­kunfts­land besteht.

Anstatt den Fokus auf den bis­he­ri­gen Lebens­mit­tel­punkt in der Ukrai­ne zu legen, soll also die ver­meint­li­che Rück­kehr­mög­lich­keit ins ursprüng­li­che Her­kunfts­land aus­schlag­ge­bend sein – und das, obwohl nach den Leit­li­ni­en der EU-Kom­mis­si­on für alle EU-Mit­glied­staa­ten die Mög­lich­keit besteht, Men­schen, die eine „sinn­vol­le­re Ver­bin­dung zur Ukrai­ne haben als zu ihrem Her­kunfts­land“, eben­so den Schutz für Kriegs­ver­trie­be­ne zu gewähren.

Zwar ist allen Men­schen aus der Ukrai­ne laut der Ukrai­ne-Auf­ent­halts-Über­gangs­ver­ord­nung erst ein­mal der Auf­ent­halt bis zum 31. August im Bun­des­ge­biet erlaubt. Das soll ihnen die Mög­lich­keit eröff­nen, ent­we­der den vor­über­ge­hen­den Schutz zu bean­tra­gen oder die Vor­aus­set­zun­gen für ande­re auf­ent­halts­recht­li­che Zwe­cke zu erfül­len. Letz­te­res ist jedoch in der Kür­ze der Zeit für vie­le Geflüch­te­te kaum mög­lich. Lang­fris­tig besteht die Gefahr, dass die Men­schen dau­er­haft in pre­kä­re Lebens­la­gen geraten.

„Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge und Staa­ten­lo­sen kön­nen auf­grund der unkla­ren Rechts­la­ge und des damit ein­her­ge­hen­den restrik­ti­ven Ver­wal­tungs­han­delns in Deutsch­land kaum Per­spek­ti­ven im Hin­blick auf Arbeit, Woh­nung, Erwerb von Deutsch­kennt­nis­sen, Aus­bil­dung und Stu­di­um ent­wi­ckeln. Sie haben kaum Mög­lich­kei­ten, hier anzu­kom­men, sich zu ori­en­tie­ren, die Erleb­nis­se des Krie­ges und der Flucht zu über­win­den und sich gesell­schaft­lich zu betei­li­gen – und dies, obwohl sie genau­so von Krieg und Flucht betrof­fen und womög­lich sogar trau­ma­ti­siert sind, wie ukrai­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge“, so Nora Brez­ger vom Flücht­lings­rat Berlin.

Wieb­ke Judith, Lei­te­rin des Teams Recht & Advo­ca­cy bei PRO ASYL, kri­ti­siert: „Alle Men­schen, die aus der Ukrai­ne vor Krieg und Gewalt flie­hen muss­ten, haben ihren Lebens­mit­tel­punkt ver­lo­ren, aber nicht alle wer­den in Deutsch­land gleich behan­delt. Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge und Staa­ten­lo­se wer­den trotz vor­läu­fig lega­lem Auf­ent­halt von Aus­län­der­be­hör­den zum Teil unter Druck gesetzt aus­zu­rei­sen. Anträ­ge auf den vor­über­ge­hen­den Schutz wer­den oft nicht ein­mal ange­nom­men. Das zeigt: für alle aus der Ukrai­ne geflüch­te­te Men­schen braucht es rich­ti­ge Sicher­heit und Per­spek­ti­ve durch einen Aufenthaltstitel.“

Wir for­dern von Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser eine bun­de­wei­te Rege­lung für ein zwei­jäh­ri­ges Auf­ent­halts­recht für alle aus der Ukrai­ne Geflüch­te­ten, um für alle Men­schen, die vor dem Angriffs­krieg Russ­lands flie­hen muss­ten, tat­säch­li­chen Schutz und Per­spek­ti­ven zu schaffen.

Außer­dem for­dern wir die Län­der auf, schon jetzt alle recht­li­chen Spiel­räu­me zu nut­zen und auch den aus der Ukrai­ne Geflüch­te­ten ohne ukrai­ni­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit ein Auf­ent­halts­recht zu gewähren.

 

Pres­se­kon­tak­te:

PRO ASYL, 069/24 23 14 30, presse@proasyl.de

Flücht­lings­rat Ber­lin, 030/22 47 63 11, 017677209320 (Mobil), brezger@fluechtlingsrat-berlin.de

 

Unter­zeich­nen­de:

Adopt a Revolution

Amnes­ty Inter­na­tio­nal Bad Kreuznach

Aus­län­der­ar­beit der Ev. Galiläa-Samariter-Kirchengemeinde

AWO Kreis­ver­band Ber­lin-Mit­te e.V.

BAfF e.V. – Bun­des­wei­te Arbeits­ge­mein­schaft Psy­cho­so­zia­ler Zen­tren für Flücht­lin­ge und Folteropfer

BBZ – Bera­tungs- und Betreu­ungs­zen­trum für jun­ge Geflüch­te­te und Migrant*innen

Bel­le­vue di Mona­co eG

BIPoC Ukrai­ne

BZSL e.V.

Dia­spo­ra Soli­da­ri­ty Group

Each One Teach One (EOTO) e.V.

Gemein­schafts­un­ter­kunft „Haus Leo“ – Ver­ein für Ber­li­ner Stadtmission

Hin­ter­land Magazin

Initia­tiv­aus­schuss für Migra­ti­ons­po­li­tik in Rheinland-Pfalz

Initia­ti­ve Schwar­zer Men­schen in Deutsch­land: ISD

JoG – Jugend­li­che ohne Grenzen

Komm­Mit e.V.

KuB – Kon­takt- und bera­tungs­stel­le für Flücht­lingse und Migrant_innen e.V.

Lan­des­netz­werk Migran­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen Sach­sen-Anhalt (LAMSA) e.V.

LIGA – Lei­nin­ger Initia­ti­ve Gegen Ausländerfeindlichkeit

MeG betreu­tes Woh­nen gGmbH

Migra­ti­ons­rat Berlin

Mul­ti­kul­tu­rel­les Zen­trum Trier e.V.

Münch­ner Flücht­lings­rat e.V.

Netz­werk Ras­sis­mus- und Dis­kri­mi­nie­rungs­frei­es Bayern-NRDB

PxP Embas­sy

rage against abschiebung

See­brü­cke Potsdam

Syria­Not­Safe

We’ll Come United Berlin-Brandenburg

Xen­ion – Psy­cho­so­zia­le Hil­fen für poli­tisch Ver­folg­te e.V.

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