15.09.2022

Drei jun­gen Geflüch­te­ten droht auf Mal­ta lebens­lan­ge Haft, weil sie sich fried­lich der Zurück­schlep­pung nach Liby­en wider­setz­ten. Das Ver­fah­ren der „El Hiblu3“ wird am heu­ti­gen Don­ners­tag fort­ge­setzt. PRO ASYL for­dert die sofor­ti­ge Ein­stel­lung des Verfahrens.

Drei­ein­halb Jah­re sind Abdal­la, Ama­ra und Kader bereits auf Mal­ta und noch immer müs­sen sie sich vor lebens­lan­gen Haft­stra­fen fürch­ten. Der Grund: Die Geflüch­te­ten wider­setz­ten sich der Rück­füh­rung nach Liby­en und dran­gen dar­auf, in der EU einen Asyl­an­trag stel­len zu dür­fen. Der Gerichts­pro­zess um die drei Schutz­su­chen­den – bekannt als die El Hiblu3, benannt nach dem Schiff El Hib­lu, auf dem sie in die EU flo­hen – wird am heu­ti­gen Don­ners­tag in Mal­ta fort­ge­setzt. Ein inter­na­tio­na­les Bünd­nis, zu dem PRO ASYL gehört, for­dert die sofor­ti­ge Ein­stel­lung des Ver­fah­rens und hat einen Offe­nen Brief an die mal­te­si­sche Gene­ral­staats­an­wäl­tin Vic­to­ria Butt­i­gieg verfasst.

„Es ist gro­tesk, dass Schutz­su­chen­den vor euro­päi­schen Gerich­ten dra­ko­ni­sche Haft­stra­fen dro­hen, weil sie das Recht auf Asyl ein­for­dern und sich nicht wider­stands­los in die Fol­ter­la­ger Liby­ens zurück­schi­cken las­sen“, sagt Karl Kopp, Lei­ter der Euro­pa-Abtei­lung von PRO ASYL. „Wider­stand gegen die ille­ga­le Rück­schie­bung nach Liby­en ist kein Ver­bre­chen. Wir for­dern die mal­te­si­sche Staats­an­walt­schaft auf, das Ver­fah­ren einzustellen.“

Flücht­lin­ge sehen sich Ter­ro­ris­mus-Vor­wurf ausgesetzt

Am 27. März 2019 wur­de das Han­dels­schiff „El Hib­lu 1“ von einem Flug­zeug der EU-Mili­tär­mis­si­on EUNAVFOR MED-Ope­ra­ti­on „Iri­ni“ ange­wie­sen, 108 Men­schen aus See­not zu ret­ten. Nach der Ret­tung nahm der Kapi­tän ent­ge­gen sei­ner Ankün­di­gung gegen­über den Geret­te­ten Kurs auf Liby­en. Als den Schutz­su­chen­den dies bewusst wur­de, ver­such­ten sie den Kapi­tän von der Umkehr zu über­zeu­gen. Drei zu dem Zeit­punkt 15, 16 und 19 Jah­re alte Schutz­su­chen­de – Abdal­la, Kader und Ama­ra – ver­mit­tel­ten und über­setz­ten wäh­rend des fried­li­chen Pro­tests an Bord. Der Kapi­tän kehr­te schließ­lich um; nach der Ankunft in Mal­ta wur­den die drei Jugend­li­chen inhaf­tiert. Sie sind seit­dem mit einer schwer­wie­gen­den Ankla­ge kon­fron­tiert, unter ande­rem wegen Terrorismus.

„Nie­mand wur­de ver­letzt, das Schiff nicht beschä­digt, die jun­gen Män­ner waren nicht bewaff­net. Der Vor­wurf des Ter­ro­ris­mus rührt daher, dass der Kapi­tän die mal­te­si­schen Behör­den vor dem Ein­lau­fen in den Hafen dar­über infor­miert hat­te, dass das Schiff von den Migran­ten über­nom­men wor­den sei und er kei­ne Kon­trol­le mehr habe“, erklärt Rechts­an­walt Neil Fal­zon, der die Drei ver­tritt, in einem Inter­view mit PRO ASYL. „Um den Vor­wurf der Pira­te­rie und des Ter­ro­ris­mus zu ver­ste­hen, muss man die poli­ti­schen Zusam­men­hän­ge sehen: Mal­ta stellt eine Fes­tung dar, um ganz Euro­pa die Migran­ten vom Leib zu hal­ten“, ergänzt er.

Fal­zon kri­ti­sierte Ende ver­gan­ge­nen Jah­res, dass vor Gericht nur die Besat­zung und Beam­te ange­hört und nicht die ande­ren Boots­flücht­lin­gen als Zeug*innen gela­den wur­den. „Wir hof­fen, dass die Staats­an­walt­schaft mora­li­sches Urteils­ver­mö­gen an den Tag legt. Die Ankla­ge ist völ­lig über­zo­gen, die drei jun­gen Män­ner sind defi­ni­tiv kei­ne Pira­ten oder Ter­ro­ris­ten!“, so der Anwalt.

Der Offe­ne Brief im Fall der El Hiblu3 kann bis zum 26. Sep­tem­ber von Orga­ni­sa­tio­nen und Ein­zel­per­so­nen hier unter­zeich­net werden.

Hin­ter­grund

Mal­ta ver­hin­dert sys­te­ma­tisch die See­not­ret­tung und die Regie­rung ist immer wie­der in ille­ga­le Zurück­wei­sun­gen bezie­hungs­wei­se Pull-Backs von Geflüch­te­ten nach Liby­en invol­viert. Im Fall der El Hiblu3 fin­det eine Opfer-Täter-Umkehr statt. Die­se Kri­mi­na­li­sie­rung von Schutz­su­chen­den ist jedoch kein Ein­zel­fall und nicht auf Mal­ta beschränkt: Auch in Grie­chen­land und Ita­li­en wur­den in den ver­gan­ge­nen Jah­ren tau­sen­de Schutz­su­chen­de als ver­meint­li­che Schlep­per ver­ur­teilt. Boots­flücht­lin­ge wer­den mit dra­ko­ni­schen Stra­fen belegt, weil sie als angeb­li­che Kapi­tä­ne ver­meint­lich Men­schen­schmug­gel betrei­ben. Anfang Mai die­ses Jah­res wur­den bei­spiels­wei­se die „Paros3“, die syri­schen Fami­li­en­vä­ter Abdal­lah, Moha­mad und Khei­ral­din, in Grie­chen­land zu ins­ge­samt 439 Jah­ren Haft ver­ur­teilt wegen „Bei­hil­fe zur uner­laub­ten Einreise“.

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