07.05.2021

VG Mün­chen: Abge­scho­be­ner Asyl­su­chen­der muss umge­hend zurück­ge­holt wer­den – Grie­chi­scher Flücht­lings­rat und PRO ASYL for­dern: Ent­schei­dung sofort umsetzen 

Die als „See­ho­fer-Deal“ bekannt­ge­wor­de­ne Ver­ein­ba­rung zwi­schen Deutsch­land und Grie­chen­land, um Flücht­lin­ge direkt an der deutsch-öster­rei­chi­schen Gren­ze nach Grie­chen­land zurück­schi­cken zu kön­nen, ist „ein­deu­tig rechts­wid­rig“ und ver­stößt gegen Unionsrecht.

Zu die­ser Bewer­tung gelangt das Ver­wal­tungs­ge­richt Mün­chen in einer Kam­mer­ent­schei­dung vom 4. Mai 2021. Das Gericht ver­pflich­tet die Bun­des­po­li­zei, den betrof­fe­nen Schutz­su­chen­den, der im August 2020 nach Grie­chen­land abge­scho­ben wur­de, umge­hend nach Deutsch­land zurück­zu­ho­len. Der Betrof­fe­ne wird durch den Ber­li­ner Rechts­an­walt Mat­thi­as Leh­nert ver­tre­ten. Das Ver­fah­ren wird vom Grie­chi­schen Flücht­lings­rats (GCR) und von PRO ASYL unterstützt.

„Das Ver­wal­tungs­ge­richt Mün­chen sagt klar und deut­lich: Ver­fah­rens­vor­ga­ben und die Ver­pflich­tung, die Ein­hal­tung der Men­schen­rech­te zu prü­fen, kön­nen nicht durch Schnell­ver­fah­ren an der Gren­ze, zumal durch die Bun­des­po­li­zei, ersetzt wer­den. Die Dub­lin-Ver­ord­nung kann nicht ein­sei­tig oder durch eine Ver­ein­ba­rung zwi­schen zwei Mit­glied­staa­ten umgan­gen wer­den“, hebt Rechts­an­walt Mat­thi­as Leh­nert her­vor. „Das aber hat die Bun­des­re­gie­rung gemacht und damit sehen­den Auges das Euro­pa­recht gebrochen.“

Der Grie­chi­sche Flücht­lings­rat und PRO ASYL erwar­ten, dass  die Ent­schei­dung umge­setzt und dem Betrof­fe­nen umge­hend die Ein­rei­se ermög­licht wird. 

Hin­ter­grün­de zum Fall 

Der Betrof­fe­ne hat­te zunächst in Grie­chen­land einen Asyl­an­trag gestellt. Dort droh­te ihm auf­grund des EU-Tür­kei-Deals die Abschie­bung in die Tür­kei. Er floh wei­ter nach Deutsch­land. Am 13. August 2020 wur­de er an der deutsch-öster­rei­chi­schen Gren­ze durch die Bun­des­po­li­zei auf­ge­grif­fen und äußer­te sei­nen Wunsch, einen Asyl­an­trag zu stel­len. Statt das euro­pa­recht­lich gebo­te­ne Ver­fah­ren im Rah­men der Dub­lin-III-Ver­ord­nung beim Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) ein­zu­lei­ten, schob die Bun­des­po­li­zei den betrof­fe­nen Syrer unmit­tel­bar in Anwen­dung des See­ho­fer-Deals am nächs­ten Tag (14. August 2020) nach Grie­chen­land ab. Dort saß er meh­re­re Wochen in Haft, bevor die Rechts­an­wäl­tin des Grie­chi­schen Flücht­lings­rats sei­ne Frei­las­sung erwir­ken konn­te. Seit­dem lebt er obdach­los in Athen, ihm droht die Abschie­bung in die Türkei.

Der „See­ho­fer-Deal“: Rechts­wid­ri­ge Zurück­wei­sun­gen an der deutsch-öster­rei­chi­schen Grenze 

Der See­ho­fer-Deal zwi­schen Deutsch­land und Grie­chen­land (eine ähn­li­che Ver­ein­ba­rung exis­tiert auch mit Spa­ni­en) wur­de 2018 geschlos­sen. Er sieht vor, dass Schutz­su­chen­den, die in Grie­chen­land regis­triert wur­den und dann über die Gren­ze mit Öster­reich nach Deutsch­land ein­rei­sen, die Ein­rei­se ver­wei­gert wird. Sie sol­len inhaf­tiert und inner­halb von 48 Stun­den nach Grie­chen­land abge­scho­ben wer­den. Mit Stand Juni 2020 waren 39 Per­so­nen von dem Deal zwi­schen Grie­chen­land und Deutsch­land betrof­fen (BT-Ant­wort auf Fra­ge 42).

Wie Gut­ach­te­rin Prof. Dr. Anna Lüb­be bereits im Dezem­ber 2018 bestä­tig­te, legt die ver­bind­li­che euro­päi­sche Dub­lin-Ver­ord­nung das Ver­fah­ren und die Kri­te­ri­en fest, ob und wie ein*e Asylsuchende*r von einem Mit­glied­staat in einen ande­ren Mit­glied­staat über­stellt wer­den kann – nach aus­rei­chen­der Prü­fung und mit effek­ti­vem Zugang zu Rechts­schutz. Der See­ho­fer-Deal igno­riert das und stellt sich außer­halb des gel­ten­den Rechts.

Der Deal selbst wur­de zunächst nicht ein­mal den Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten zugäng­lich gemacht. Erst dank der grie­chi­schen Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on von PRO ASYL, Refu­gee Sup­port Aege­an, wur­de er öffentlich.

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