PRO ASYL und Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) ziehen für die Unverletzlichkeit der Wohnung in Erstaufnahmeeinrichtungen vor das Bundesverfassungsgericht.
GFF und PRO ASYL erheben heute mit dem Kläger Alassa Mfouapon Verfassungsbeschwerde, um den grundrechtlichen Schutz der Wohnung für geflüchtete Menschen zu stärken. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Bundesverwaltungsgerichts-Urteil im Juni dieses Jahres, das nach Auffassung der Organisationen das Grundrecht auf Schutz der Wohnung verletzte.
Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Polizei 2018 ohne Durchsuchungsbeschluss nachts in das Schlafzimmer von Alassa Mfouapon in der Erstaufnahmeeinrichtung Ellwangen eindringen durfte, um ihn abzuschieben. Die Polizei habe das kleine Wohnheimzimmer auf einen Blick erfassen können, eine Durchsuchung im engen Sinne habe nicht stattgefunden. Außerdem begründe die Ausreisepflicht des Klägers eine dringende Gefahr und rechtfertige das Betreten des Zimmers.
Die eingereichte Verfassungsbeschwerde zielt darauf ab, dass das Bundesverfassungsgericht die geltenden Schutzstandards zum Schutz der Wohnung klarzieht.
„Dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts können wir nicht stehenlassen. Das Gericht entkernt den grundrechtlichen Schutz der Wohnung. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist wenig wert, wenn staatliche Akteure die Zimmer in Erstaufnahmeeinrichtungen nach Belieben und sogar nachts betreten können“, kritisiert Sarah Lincoln, Rechtsanwältin bei der GFF. „Dabei brauchen gerade Geflüchtete, die häufig durch Krieg, Verfolgung und Flucht schwer traumatisiert sind, einen geschützten Rückzugsraum.“
„Warum kann die Polizei nicht klopfen und warten, bis ich an die Tür komme? Stattdessen stürmt sie einfach nachts mein Zimmer, ohne Vorankündigung, ohne Abwarten und vor allem ohne einen Durchsuchungsbeschluss“, kritisiert der Beschwerdeführer Alassa Mfouapon. „Ich wünsche mir eine Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Rechte von Geflüchteten genauso viel zählen, wie die Rechte von anderen Menschen.“
„Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts fügt sich nahtlos in den derzeitigen Trend ein, die Grundrechte von Geflüchteten für populistische migrationspolitische Forderungen zu opfern. Mit dem neusten Hau-Ab-Gesetz aus dem Bundesinnenministerium soll dies nun noch verschärft werden. Wenn die Polizei nachts in jedes Zimmer darf, verbreitet das große Angst und ist vollkommen unverhältnismäßig“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL. „Es ist Zeit für ein klares Signal aus Karlsruhe: Geflüchtete und Migranten dürfen grundrechtlich nicht wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden!“
Die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt für alle Menschen in Deutschland und schützt davor, dass der Staat in den Rückzugsraum der eigenen vier Wände eindringt. Das Recht auf räumliche Privatsphäre hat einen starken Bezug zur Menschenwürde. Auch deswegen stellt das Grundgesetz strenge Anforderungen an staatliche Eingriffe in die Privatsphäre der Wohnung. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte im Juni zwar, dass die grundrechtliche Unverletzlichkeit der Wohnung auch für Zimmer in Erstaufnahmeeinrichtungen gilt. Gleichzeitig riss das Gericht jedoch die bewusst hoch gesetzten Hürden für Eingriffe in dieses Grundrecht wieder ein, indem es eine Durchsuchung nur bei tatsächlich erforderlichem Suchen annahm und für eine dringende Gefahr wiederum die vollziehbare Ausreisepflicht genügen ließ.
Derzeit stehen mehrere einschneidende Vorschläge der Bundesregierung im Raum – wie das Auslesen von Handys geflüchteter Menschen oder die Kürzung von Sozialleistungen für Menschen in Sammelunterkünften –, die bereits von obersten Gerichten für verfassungswidrig erklärt wurden. Aus Sicht der GFF und von PROASYL werden Verfahren wie diese zur Beweisprobe, dass staatliche Stellen die Bindung an Verfassung und Grundrechte ernstnehmen.
Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/themen/soziale-teilhabe/lea-ellwangen
Bei Rückfragen wenden Sie sich an:
Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF): Dr. Maria Scharlau, presse@freiheitsrechte.org, 030/549 08 10 55 oder 01579/2493108
PRO ASYL: presse@proasyl.de, 069/24231430