25.05.2016

Ver­bun­den mit groß­ko­ali­tio­nä­rem Ein­heits­ge­schun­kel wur­de ges­tern das Para­gra­phen­werk des Inte­gra­ti­ons­ge­set­zes bei der Kabi­netts­klau­sur im bran­den­bur­gi­schen Mese­berg beschlos­sen. Doch der jetzt bekannt gewor­de­ne Gesetz­ent­wurf zeigt: Neben den Punk­ten, die bereits in der öffent­li­chen Debat­te sind, sol­len mög­lichst still und ohne dass in der Geset­zes­be­grün­dung Bezug dar­auf genom­men wird, wei­te­re gra­vie­ren­de Ände­run­gen qua­si als Schmug­gel­gut in das Asyl­ge­setz ein­ge­schleust werden.

Im Gesetz­ent­wurf wer­den Fall­kon­stel­la­tio­nen auf­ge­lis­tet, in denen Asyl­an­trä­ge als unzu­läs­sig gewer­tet wer­den. Zum Bei­spiel fin­det sich im Ent­wurf jetzt der 29 Abs. 1 Nr. 4  AsylG‑E. Dem­nach ist ein Asyl­an­trag unzu­läs­sig, wenn „ein Staat, der kein Mit­glied­staat der Euro­päi­schen Uni­on und bereit ist, den Aus­län­der wie­der auf­zu­neh­men, als sons­ti­ger Dritt­staat, gemäß § 27 [AsylG] betrach­tet wird“.

PRO ASYL befürch­tet, dass hier ver­sucht wird, eine Art dau­er­haf­te Öff­nungs­klau­sel für die Abschie­bung in sons­ti­ge Dritt­staa­ten, wie bei­spiels­wei­se die Tür­kei oder nord­afri­ka­ni­sche Staa­ten, zu schaf­fen. Die Befra­gung, ob ein Asyl­an­trag zuläs­sig ist, wür­de in einem Hau­ruck-Ver­fah­ren erfol­gen, in dem sie „dafür geschul­ten Bediens­te­ten ande­rer Behör­den über­tra­gen wer­den“ kann (§ 29 Abs. 4 Gesetz­ent­wurf). Im Blick hat die Bun­des­re­gie­rung dabei offen­sicht­lich Behör­den wie die Bun­des­po­li­zei, die jedoch für Asyl­an­hö­run­gen kei­ner­lei Fach­kennt­nis­se haben. Auch Grund­schu­lun­gen dürf­ten die Logik der Behör­de, die Flucht und Migra­ti­on vor allem als Sicher­heits­pro­blem ver­steht, nicht ändern.

Die Fra­ge, unter wel­chen Umstän­den Flücht­lin­ge in einem Nicht-EU-Staat sicher gewe­sen sind, ist in der Pra­xis kom­pli­ziert. Die neue „Lösung“ heißt, Flücht­lin­ge nach dem Mus­ter des EU-Tür­kei-Deals recht­los zu stel­len. In Grie­chen­land hat PRO ASYL die Erfah­rung machen müs­sen, dass bei sol­chen pro-for­ma-Zuläs­sig­keits­prü­fun­gen die kon­kre­te Schutz­be­dürf­tig­keit sowie die Flucht­grün­de von Men­schen kei­ne Rol­le spielen.

Eben­falls bekannt gewor­den ist inzwi­schen die Absicht, die neue Wohn­ort­zwangs­zu­wei­sung bereits für Flücht­lin­ge gel­ten zu las­sen, die nach dem 1. Janu­ar 2016 aner­kannt wor­den sind. Das Cha­os bei den Aus­län­der­be­hör­den und in den Bun­des­län­dern ist abseh­bar. Kir­chen, Wohl­fahrts­ver­bän­de, Migra­ti­ons­for­scher, DGB und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen hat­ten hier­zu gra­vie­ren­de Beden­ken ange­mel­det, die durch die Rück­wir­kung des Geset­zes jetzt noch grö­ßer werden.

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