10.12.2020

PRO ASYL und die Flücht­lings­rä­te for­dern wei­te­re Flücht­lings­auf­nah­men aus Griechenland 

Wäh­rend die Bun­des­re­gie­rung Asyl­su­chen­de und bereits aner­kann­te Flücht­lin­ge aus Grie­chen­land aus­fliegt, hal­ten deut­sche Behör­den an Abschie­bun­gen ins dor­ti­ge Elend fest. PRO ASYL und die Lan­des­flücht­lings­rä­te for­dern, mehr Flücht­lin­ge aus Grie­chen­land auf­zu­neh­men und Abschie­bun­gen nach Grie­chen­land zu stoppen.

»Es ist ein Gebot der Men­schen­wür­de und des Flücht­lings­schut­zes, inter­na­tio­nal Schutz­be­rech­tig­te, die auf­grund der elen­den Ver­hält­nis­se in Grie­chen­land nach Deutsch­land wei­ter­flie­hen, genau­so zu behan­deln wie die­je­ni­gen Men­schen, die orga­ni­siert aus Grie­chen­land auf­ge­nom­men wer­den. Tau­sen­de aner­kann­te Flücht­lin­ge leben hier in einer uner­träg­li­chen Lim­bo-Situa­ti­on. Ihnen muss eben­falls ein siche­res Auf­ent­halts­recht gewährt wer­den. Für Schutz­su­chen­de im Dub­lin-Ver­fah­ren muss das BAMF ohne Wenn und Aber die Zustän­dig­keit für das Asyl­ver­fah­ren über­neh­men«, sagt Karl Kopp, Lei­ter der Euro­pa­ab­tei­lung von PRO ASYL.

Ange­sichts der dra­ma­ti­schen Situa­ti­on von Schutz­su­chen­den auf den grie­chi­schen Inseln sah sich die Bun­des­re­gie­rung in den letz­ten Mona­ten gezwun­gen, der Auf­nah­me von rund 2.750 Schutz­su­chen­den aus Grie­chen­land zuzu­stim­men. Neben 150 unbe­glei­te­ten min­der­jäh­ri­gen Geflüch­te­ten sowie 243 behand­lungs­be­dürf­ti­gen Kin­dern mit ihren engs­ten Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen sol­len ins­ge­samt 408 Fami­li­en (1.553 Per­so­nen) aus Grie­chen­land auf­ge­nom­men wer­den, die dort bereits inter­na­tio­na­len Schutz erhal­ten haben.

Auch wenn die­se Auf­nah­me­zu­sa­gen beschä­mend gering sind, sind sie den­noch ein impli­zi­tes Ein­ge­ständ­nis der Bun­des­re­gie­rung, dass die Lebens­be­din­gun­gen für Schutz­su­chen­de und aner­kann­te Flücht­lin­ge in Grie­chen­land men­schen­un­wür­dig und unzu­mut­bar sind.

Asyl­su­chen­de, die es eigen­stän­dig aus Grie­chen­land nach Deutsch­land schaf­fen, wer­den vom BAMF hin­ge­gen in aller Regel abge­lehnt, ihnen droht die Abschie­bung nach Grie­chen­land. Allei­ne im ers­ten Halb­jahr 2020 schick­te das BAMF 2.768 Anfra­gen zur Über­nah­me im Rah­men der Dub­lin-III-Ver­ord­nung nach Athen – fast genau­so vie­le wie Auf­nah­me­zu­sa­gen erteilt wurden.

In wei­te­ren 352 Fäl­len wur­de Grie­chen­land zwi­schen Janu­ar und April 2020 bila­te­ral von deut­schen Behör­den wegen der Rück­nah­me von Flücht­lin­gen ange­fragt, die dort einen Schutz­sta­tus haben.

Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on: Aner­kann­te Flücht­lin­ge ver­elen­den in Griechenland 

PRO ASYL und sei­ne grie­chi­sche Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on Refu­gee Sup­port Aege­an (RSA) doku­men­tie­ren seit Jah­ren die Situa­ti­on von Schutz­be­rech­tig­ten in Grie­chen­land und haben mehr­fach dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Schutz in Grie­chen­land nur auf dem Papier existiert.

In einer kürz­lich beim Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) ein­ge­reich­ten Stel­lung­nah­me kom­men die bei­den Orga­ni­sa­tio­nen zu dem Schluss, dass sich die Lage von Schutz­be­rech­tig­ten in Grie­chen­land in jüngs­ter Zeit wei­ter ver­schlech­tert hat. Men­schen, die mit inter­na­tio­na­lem Schutz nach Grie­chen­land abge­scho­ben wer­den, lan­den dort in der Obdach­lo­sig­keit, erhal­ten in der Pra­xis kei­nen Zugang zu ele­men­ta­ren Leis­tun­gen und kön­nen auch sonst auf kei­ne Unter­stüt­zung von staat­li­cher Sei­te hof­fen. Ihnen droht inner­halb kür­zes­ter Zeit Ver­elen­dung und ein Leben unter men­schen­rechts­wid­ri­gen Bedingungen.

Eine Zusam­men­fas­sung der wich­tigs­ten Erkennt­nis­se die­ser Stel­lung­nah­me ist hier zu finden.

Selbst wenn eine Abschie­bung nach Grie­chen­land abge­wen­det wer­den kann, sind die Belas­tun­gen für Tau­sen­de Betrof­fe­ne enorm. Lan­ge Gerichts­ver­fah­ren in stän­di­ger Angst vor Abschie­bung, mona­te­lan­ge Iso­la­ti­on in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen und Anker­zen­tren ohne Zugang zu Sprach­kur­sen, Schu­le und Arbeits­markt zer­mür­ben die betrof­fe­nen Schutz­su­chen­den. Es besteht kein Anspruch auf Sozi­al­leis­tun­gen. Im bes­ten Fall wird am Ende gericht­lich ein soge­nann­tes Abschie­bungs­ver­bot fest­ge­stellt. Wei­ter­ge­hen­de Rech­te, die den Betrof­fe­nen als inter­na­tio­nal Schutz­be­rech­tig­te zuste­hen, blei­ben ihnen meist verwehrt.

End­lich ankom­men: Flücht­lings­rech­te für die Aner­kann­ten aus Griechenland 

Die Auf­nah­me­an­ord­nung des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums vom 9. Okto­ber 2020 zur Auf­nah­me von 1.553 inter­na­tio­nal Schutz­be­rech­tig­ten aus Grie­chen­land zeigt, dass es recht­li­che Spiel­räu­me gibt, Men­schen mit Schutz­sta­tus in Grie­chen­land mit siche­rem Auf­ent­halts­recht und weit­ge­hen­den Rech­ten in Deutsch­land aus­zu­stat­ten. Die recht­li­chen Spiel­räu­me müs­sen von deut­schen Behör­den auch für all jene voll­um­fäng­lich aus­ge­schöpft wer­den, die eigen­stän­dig von Grie­chen­land nach Deutsch­land weiterfliehen.

Fall­skiz­zen: Maryam J. und Fer­as B.

Wir doku­men­tie­ren zwei exem­pla­ri­sche Fall­skiz­zen von Geflüch­te­ten mit inter­na­tio­na­lem Schutz in Grie­chen­land, die ange­sichts der kata­stro­pha­len Bedin­gun­gen dort eigen­stän­dig wei­ter nach Deutsch­land geflo­hen sind. Maryam J. und Fer­as B. wer­den in ihren Ver­fah­ren über den Rechts­hil­fe­fonds von PRO ASYL unterstützt.

Zwecks Kon­takt­auf­nah­me mit den Betrof­fe­nen sowie für Rück­fra­gen wen­den Sie sich bit­te an die Pres­se­stel­le von PRO ASYL.

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