30.07.2020

PRO ASYL for­dert Gleich­stel­lung mit nach der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on aner­kann­ten Flücht­lin­gen und sofor­ti­ge Umset­zung des Rechts auf Zusam­men­le­ben für betrof­fe­ne Familien

Am 01. August 2020 ist das soge­nann­te »Fami­li­en­nach­zugs­neu­re­ge­lungs­ge­setz« das zwei­te Jahr in Kraft. Seit­dem gilt die dürf­ti­ge Gna­den­lö­sung, wonach bis zu 1.000 Ange­hö­ri­ge von sub­si­di­är Geschütz­ten im Monat nach Deutsch­land zie­hen dür­fen. Regel­mä­ßig wird die­se nicht aus­ge­schöpft (sie­he Zah­len wei­ter unten). Das Recht auf Fami­li­en­nach­zug für die­se Betrof­fe­nen­grup­pe wur­de damit abgeschafft.

Fast in Ver­ges­sen­heit gera­ten ist, dass sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­te noch im August 2015 auf­grund ihrer Bedro­hungs­si­tua­ti­on bezüg­lich des Fami­li­en­nach­zugs mit GFK-Flücht­lin­gen gleich­ge­stellt wur­den. Dies wur­de – zu Recht – damit begrün­det, dass »(…) auch in die­sen Fäl­len eine Her­stel­lung der Fami­li­en­ein­heit im Her­kunfts­land nicht mög­lich ist« (sie­he Gesetz­ent­wurf vom Febru­ar 2015, S. 46). Ab März 2016 wur­de der Fami­li­en­nach­zug für sub­si­di­är Geschütz­te für über zwei Jah­re dann voll­stän­dig aus­ge­setzt. Gleich­zei­tig änder­te sich die Aner­ken­nungs­pra­xis des Bun­des­amts für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) für syri­sche Schutz­su­chen­de: Wur­den bis Ende 2015 Geflüch­te­te aus Syri­en noch in 99,7% der Fäl­le als Flücht­lin­ge im Sin­ne der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) bzw. als Asyl­be­rech­tig­te nach dem Grund­ge­setz aner­kannt, beka­men im Jahr 2016 nur noch 58% der syri­schen Antragsteller*innen Schutz nach der GFK bzw. dem Grund­ge­setz, 42% erhiel­ten sub­si­diä­ren Schutz.  Im Jahr 2017 wur­den 38% der syri­schen Antragsteller*innen nach der GFK bzw. dem Grund­ge­setz aner­kannt, dage­gen erhielt 61% die Mehr­heit den sub­si­diä­ren Schutz. Die größ­te von der ein­schnei­den­den Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zugs betrof­fe­ne Grup­pe waren also syri­sche Bürgerkriegsflüchtlinge.

Auch die Hoff­nung auf einen nor­ma­len Fami­li­en­nach­zug ab 2018 wur­de bit­ter ent­täuscht: Anstatt die Aus­set­zung aus­lau­fen zu las­sen, wur­de nach einer hit­zi­gen und durch fal­sche Zah­len ver­zerr­ten Debat­te die Kon­tin­gen­tie­rung ein­ge­führt. In den letz­ten zwei Jah­ren wur­de die­ses monat­li­che Kon­tin­gent meist noch nicht ein­mal erfüllt. Die Bun­des­re­gie­rung hat die Ange­hö­ri­gen über Jah­re in Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­ten oder in Flücht­lings­la­gern in Unge­wiss­heit belas­sen, immer wei­te­re büro­kra­ti­sche Hür­den gebaut und die Bot­schaf­ten und damit auch die Fall­be­ar­bei­tung im Aus­land chro­nisch unter­be­setzt. Dadurch sind Fami­li­en schon seit Jah­ren getrennt.

PRO ASYL for­dert für den Fami­li­en­nach­zug für sub­si­di­är Geschütz­te die Gleich­be­hand­lung mit Flücht­lin­gen nach der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on. Die wich­tigs­ten Her­kunfts­län­der der Betrof­fe­nen sind nach wie vor Syri­en, Afgha­ni­stan oder Eri­trea – alles Län­der, in denen Gewalt, Unter­drü­ckung und Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen seit Jah­ren an der Tages­ord­nung sind. »An der hor­ren­den Lage in den Her­kunfts­län­dern sub­si­di­är Geschütz­ter hat sich seit 2015 nichts geän­dert. Die betrof­fe­nen Fami­li­en sind am Ende ihrer Kräf­te, für die Geflüch­te­ten hier­zu­lan­de ist vor Sor­ge um ihre Fami­li­en kein nor­ma­les Leben mög­lich«, sagt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

Außer­dem braucht es mehr Kapa­zi­tät bei der Visa­be­ar­bei­tung und die teils viel zu hohen Anfor­de­run­gen an die zu beschaf­fen­den Doku­men­te müs­sen geän­dert wer­den. Hier­für demons­trier­ten im Juli auch eri­tre­ische Flücht­lin­ge in Ber­lin.

Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zum »Fami­li­en­nach­zugs­neu­re­ge­lungs­ge­setz«

Mit dem »Fami­li­en­nach­zugs­neu­re­ge­lungs­ge­setz«, das am 01. August 2018 in Kraft trat, wur­de das Recht auf Fami­li­en­nach­zug für sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­te end­gül­tig in ein Gna­den­recht umge­wan­delt. Einen Rechts­an­spruch haben die Fami­li­en nicht mehr, sie kön­nen nur dar­auf hof­fen, im Rah­men des ver­ein­bar­ten »huma­ni­tä­ren Kon­tin­gents« von 1.000 Begüns­tig­ten monat­lich Berück­sich­ti­gung zu fin­den. Für die  Umset­zung hat die Bun­des­re­gie­rung das Ver­fah­ren so kom­pli­ziert gestal­tet, dass das Kon­tin­gent von 1.000 Per­so­nen nur schwer erreich­bar ist. Es gibt drei behörd­li­che Prüf­in­stan­zen für die Prü­fung der Anträ­ge: Zuerst die deut­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen, dann die Aus­län­der­be­hör­den (sie­he hier  einen Fall, indem die ABH ablehn­te), dann das Bun­des­ver­wal­tungs­amt. Zuletzt ent­schei­den dann die deut­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen über die Ertei­lung des Visums. Durch die unzu­rei­chen­de Auf­sto­ckung von Per­so­nal und eine beschränk­te Frei­ga­be von Ter­mi­nen zur Vor­spra­che bei den deut­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen wur­de die Zahl der monat­lich bear­bei­te­ten Fäl­le begrenzt. Damit wur­de auch die Bear­bei­tung von Anträ­gen durch die Inlands­be­hör­den gebremst. So wird der Fami­li­en­nach­zug für vie­le auf die ganz lan­ge Bank gescho­ben: Von der Bean­tra­gung eines Ter­mins bei der deut­schen Aus­lands­ver­tre­tung bis zu einer Visum­ser­tei­lung ver­ge­hen oft Jah­re. Das orga­ni­sa­to­ri­sche Umset­zungs­ver­sa­gen der deut­schen Behör­den senkt die Zahl der Fami­li­en, für die der Fami­li­en­nach­zug mög­lich wird.

Mitt­ler­wei­le meh­ren sich auch Fäl­le einer Visums­ver­wei­ge­rung aus inhalt­li­chen Grün­den: Ehen, die vor der Flucht nach Deutsch­land in Tran­sit­län­dern geschlos­sen wur­den, wer­den nicht als Begrün­dung für ein huma­ni­tä­res Visum aner­kannt und immer häu­fi­ger wird den Betrof­fe­nen zuge­mu­tet, ein Fami­li­en­le­ben außer­halb Deutsch­lands in Tran­sit­län­dern zu füh­ren, wo Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge gezwun­ge­ner­ma­ßen in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ihr Leben fris­ten muss­ten. Eltern von unbe­glei­te­ten Min­der­jäh­ri­gen erhal­ten zwar ein Visum zum Fami­li­en­nach­zug, Geschwis­ter­kin­dern wird der Nach­zug aber ver­wei­gert, da sie auf­ent­halts­recht­lich nicht zur »Kern­fa­mi­lie« gehö­ren. Das hat zum Ergeb­nis, dass die Eltern sich zwi­schen ihren Kin­dern ent­schei­den oder sich auf­tei­len müssen.

Zah­len zum Monatskontingent 

Das monat­li­che Gna­den­kon­tin­gent wird regel­mä­ßig unter­bo­ten: Von August bis Dezem­ber 2018 wur­den 2.612 Visa für den Fami­li­en­nach­zug für sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­te aus­ge­stellt. Damit wur­de  nur die Hälf­te des anbe­raum­ten Kon­tin­gents von 5.000 Plät­zen für das Jahr 2018 tat­säch­lich aus­ge­schöpft. Ab Janu­ar bis Juli 2019 stie­gen die Zah­len zwar, aber seit August 2019 wer­den wie­der nur noch ca. zwei Drit­tel des 1.000 Visa-Kon­tin­gents erreicht. Ab März 2020 ist eine deut­li­che Beein­träch­ti­gung durch die Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus erkennbar.

Monat/Jahr                                 erteil­te Visa

Janu­ar 2019 1096

Febru­ar 2019 1052

März 2019 1083

April 2019 981

Mai 2019 1130

Juni 2019 804

Juli 2019 1035

August 2019 793

Sep­tem­ber 2019 764

Okto­ber 2019 834

Novem­ber 2019 889

Dezem­ber 2019 672

Janu­ar 2020 659

Febru­ar 2020 782

März 2020 480

April 2020 4

Quel­le: Zah­len für Janu­ar-April 2020, Okto­ber-Dezem­ber 2019, Janu­ar-Sep­tem­ber 2019.

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