29.04.2022

Die der­zei­ti­ge restrik­ti­ve Aner­ken­nungs­pra­xis deut­scher Behör­den für Deser­teu­re ver­hin­dert, dass die­se hier Schutz erhal­ten. Damit der gest­ri­ge Bun­des­tags­be­schluss wirk­sam wird, müs­sen das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um und das BAMF jetzt umge­hend ihre Pra­xis ändern, for­dern PRO ASYL und Con­nec­tion e.V.

In dem gest­ri­gen Beschluss zur umfas­sen­den Unter­stüt­zung der Ukrai­ne fin­det sich unter Punkt 31 auch der Appell an rus­si­sche Sol­da­ten, die Waf­fen nie­der­zu­le­gen. Zugleich ver­weist der Bun­des­tag dar­auf, dass ihnen der Weg ins deut­sche und euro­päi­sche Asyl­ver­fah­ren offen stün­de. Das Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rungs­netz­werk Con­nec­tion e.V. und PRO ASYL war­nen, dass nach der­zei­ti­ger Pra­xis rus­si­sche Sol­da­ten und Sol­da­tin­nen, die sich auf die­sen Beschluss ver­las­sen, mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit in den Asyl­ver­fah­ren abge­lehnt wer­den. „Der Bun­des­tag weckt hier Hoff­nun­gen“, so Rudi Fried­rich von Con­nec­tion e.V., „die auf­grund der bis­he­ri­gen repres­si­ven Pra­xis nicht erfüllt wer­den. Der Bun­des­tag for­dert zur Deser­ti­on auf, garan­tiert aber kei­nen Schutz und gefähr­det damit die Deserteure.“

Gün­ter Burk­hardt for­dert: „Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern und das Bun­des­amt für Migra­ti­on müs­sen umge­hend ihre Ent­schei­dungs­pra­xis ändern, sodass der Beschluss des Bun­des­tags prak­tisch wirk­sam wird. Der Zugang zu Schutz ist so zuge­mau­ert wor­den, dass die Hür­den kaum über­wun­den wer­den kön­nen. Der Beschluss des Bun­des­ta­ges droht ins Lee­re zu laufen.“

Nach­weis für anste­hen­de völ­ker­rechts­wid­ri­ge Hand­lun­gen erforderlich

Der Angriff der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on auf die Ukrai­ne ist ein völ­ker­rechts­wid­ri­ger Krieg. Und des­halb gilt für rus­si­sche  Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten, die sich dem Ein­satz im Mili­tär und somit dem mög­li­chen Kriegs­ein­satz in der Ukrai­ne ent­zo­gen haben oder deser­tiert sind, Arti­kel 9 der  Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­ne der Euro­päi­schen Uni­on: Den­je­ni­gen Men­schen wird flücht­lings­recht­li­cher Schutz zuge­sagt, die sich völ­ker­rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen oder Krie­gen ent­zie­hen und des­we­gen Bestra­fung fürch­ten müs­sen (Arti­kel 9 Abs. 2e).

Doch die Erfah­rung sieht anders aus: Bis­he­ri­ge Asyl­ver­fah­ren, die sich auf Arti­kel 9 Absatz 2 der Richt­li­nie bezo­gen, haben gezeigt, dass deut­sche Behör­den und Gerich­te sehr hohe Beweis­an­for­de­run­gen stel­len, die vie­le der Betrof­fe­nen nicht erfül­len kön­nen. So for­dern deut­sche Behör­den und Gerich­te von den betrof­fe­nen Per­so­nen unter ande­rem den Nach­weis der Ein­be­ru­fung und Ein­satz­be­feh­le, die den Ein­satz im Kriegs­ge­biet oder anste­hen­de völ­ker­rechts­wid­ri­ge Hand­lun­gen bele­gen – was in der Pra­xis aber schier unmög­lich ist. Zudem wird von den Behör­den und Gerich­ten ver­langt, dass betrof­fe­ne Per­so­nen bereits in Russ­land einen Antrag auf Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung gestellt haben.

In der Pra­xis ste­hen Deser­teu­re asyl­recht­lich schutz­los da

Damit ver­liert die vom Bun­des­tag ver­spro­che­ne Schutz­zu­sa­ge ihre Essenz. Kaum einer der Antrag­stel­ler wird in der Lage sein, die not­wen­di­gen Nach­wei­se zu erbrin­gen. In der Kon­se­quenz wür­den sie also asyl­recht­lich schutz­los gestellt.

PRO ASYL, Con­nec­tion e.V. und vier­zig wei­te­re Orga­ni­sa­tio­nen for­der­ten bereits Ende März in einem Appell an den Deut­schen Bun­des­tag, sowohl rus­si­schen und bela­rus­si­schen als auch ukrai­ni­schen Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rern und Deser­teu­ren Schutz und Asyl zu gewäh­ren. Deutsch­land und alle ande­ren EU-Län­der müs­sen die­se Men­schen, die vor dem Kriegs­ein­satz flie­hen, unbü­ro­kra­tisch auf­neh­men und ihnen ein dau­er­haf­tes Blei­be­recht ermög­li­chen – und auch dafür sor­gen, dass das Men­schen­recht auf Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung aner­kannt wird.

Gemein­sam machen Rudi Fried­rich und Gün­ter Burk­hardt heu­te zudem deut­lich: „Der Bun­des­tags­be­schluss hat weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen für alle Poli­tik­be­rei­che und erhöht die Gefahr, dass Deutsch­land immer wei­ter in das Kriegs­ge­sche­hen invol­viert ist und in eine mili­tä­ri­sche Eska­la­ti­ons­spi­ra­le hin­ein­schlit­tert. Es feh­len rea­lis­ti­sche Impul­se, wie die­ser Krieg gestoppt wer­den, wei­te­res unsäg­li­ches Leid ver­hin­dert und der Grund für die Flucht von Mil­lio­nen Men­schen been­det wer­den kann.“

Kon­takt:

Rudi Fried­rich, Con­nec­tion e.V., 069–82375534
Pres­se­stel­le PRO ASYL, 069- 24231430

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen unter https://de.connection-ev.org/legal.advice.asylum und www.proasyl.de

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