31.10.2023

Die Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te (GFF) erhebt gemein­sam mit PRO ASYL, dem Les­ben- und Schwu­len­ver­band Deutsch­land (LSVD) und elf geflüch­te­ten Men­schen Ver­fas­sungs­be­schwer­de gegen das novel­lier­te Gesetz zum Aus­län­der­zen­tral­re­gis­ter (AZR).

Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de rich­tet sich dage­gen, dass Asyl­be­schei­de und Gerichts­ent­schei­dun­gen im AZR im Voll­text gespei­chert wer­den. Die­se Doku­men­te ent­hal­ten häu­fig hoch­sen­si­ble Infor­ma­tio­nen etwa zur indi­vi­du­el­len Ver­fol­gung, poli­ti­schen Über­zeu­gung oder sexu­el­len Ori­en­tie­rung. Dar­über hin­aus wen­den sich die Orga­ni­sa­tio­nen gegen den unein­ge­schränk­ten Zugriff von Poli­zei und Geheim­diens­ten auf die Daten im AZR. Par­al­lel zur Ver­fas­sungs­be­schwer­de klagt das Bünd­nis mit zwei Geflüch­te­ten vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Ans­bach auf Unter­las­sung der Wei­ter­ga­be ihrer Daten an Poli­zei und Geheim­diens­te. Das erwei­ter­te AZR ver­letzt Grund­rech­te und gefähr­det Asylsuchende.

„Geflüch­te­te suchen in Deutsch­land Schutz vor Ver­fol­gung. Mit ihren per­sön­li­chen Daten müs­sen wir beson­ders vor­sich­tig umge­hen. Statt­des­sen prä­sen­tie­ren wir sie mög­li­chen Ver­fol­gern auf dem Sil­ber­ta­blett. Bei hun­dert­tau­sen­den Zugriffs­be­rech­tig­ten ist es für Geheim­diens­te aus den Ver­fol­ger­staa­ten oder für ras­sis­ti­sche Straftäter*innen mit Ver­bin­dun­gen in deut­sche Behör­den ein Leich­tes, an das Pro­fil eines Geflüch­te­ten samt Adres­se zu gelan­gen“, kri­ti­siert Sarah Lin­coln, Rechts­an­wäl­tin und Ver­fah­rens­ko­or­di­na­to­rin bei der Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te (GFF).

Im AZR wer­den alle Men­schen erfasst, die ohne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit in Deutsch­land leben. Ins­ge­samt kön­nen etwa 16.000 öffent­li­che Stel­len und mehr als 150.000 Behördenmitarbeiter*innen auf das Regis­ter zugrei­fen, neben den Aus­län­der­be­hör­den unter ande­rem auch Job­cen­ter, Jugend­äm­ter, Bun­des- und Lan­des­po­li­zei, der Ver­fas­sungs­schutz und der Bundesnachrichtendienst.

„Ich wur­de in der Tür­kei wegen mei­nes pro­kur­di­schen Enga­ge­ments ver­folgt und gehe auch in Deutsch­land auf pro­kur­di­sche Demons­tra­tio­nen und Ver­an­stal­tun­gen. Ich möch­te nicht, dass sich Sicher­heits­be­hör­den im Aus­län­der­zen­tral­re­gis­ter über mei­ne poli­ti­schen Über­zeu­gun­gen infor­mie­ren kön­nen“, sagt Miran*, einer der elf Kläger*innen.

„Que­e­re Geflüch­te­te müs­sen fürch­ten, dass künf­tig zahl­rei­che Behör­den­mit­ar­bei­ten­de ihre sexu­el­le Ori­en­tie­rung bzw. geschlecht­li­che Iden­ti­tät und intims­te Details ihrer Lebens- und Ver­fol­gungs­ge­schich­te nach­le­sen kön­nen. Das ver­letzt ihr Grund­recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung“, warnt Phil­ipp Braun aus dem Bun­des­vor­stand des Les­ben- und Schwu­len­ver­bands in Deutsch­land (LSVD).

„Der fähr­läs­si­ge Umgang mit den Daten Geflüch­te­ter reiht sich ein in die der­zei­ti­ge Ten­denz der Bun­des­re­gie­rung, die Grund­rech­te von geflüch­te­ten und migrier­ten Men­schen zu beschnei­den, um in der auf­ge­heiz­ten Stim­mung ver­meint­lich zu punk­ten“, sagt Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL.

Die GFF, PRO ASYL und der LSVD wol­len gemein­sam mit den Kläger*innen errei­chen, dass das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die grund­recht­li­chen Gren­zen für die Spei­che­rung von Daten geflüch­te­ter Men­schen klar­zieht. Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de wur­de von Mat­thi­as Bäcker, Pro­fes­sor für Öffent­li­ches Recht und Infor­ma­ti­ons­recht mit dem Schwer­punkt Daten­schutz­recht an der Johan­nes Guten­berg-Uni­ver­si­tät Mainz, ver­fasst. Rechts­an­walt Mat­thi­as Leh­nert ver­tritt die Kläger*innen vor dem Verwaltungsgericht.

*Name geän­dert

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum AZR-Ver­fah­ren fin­den Sie unter: 
https://freiheitsrechte.org/themen/soziale-teilhabe/azr

Die Stu­die der GFF zum AZR fin­den Sie hier: 
https://freiheitsrechte.org/uploads/publications/Digital/Studie-Auslaenderzentralregister-Gesellschaft-fuer-Freiheitsrechte-2022-AZR-Freiheit-im-Digitalen.pdf

Bei Rück­fra­gen wen­den Sie sich an:

Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te (GFF)
presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55

PRO ASYL
presse@proasyl.de
Tel. 069/24231430

Les­ben- und Schwu­len­ver­band Deutsch­land (LSVD)
presse@lsvd.de
Tel. 030/ 789 547 63

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