03.07.2020

Zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen zie­hen in einer von PRO ASYL, der Dia­ko­nie Hes­sen und dem Initia­tiv­aus­schuss für Migra­ti­ons­po­li­tik in Rhein­land-Pfalz initi­ier­ten Erklä­rung eine Bilanz der Auf­nah­me von Flücht­lin­gen seit 2015. Unter­zeich­net haben die Erklä­rung unter ande­ren der Deut­sche Gewerk­schafts­bund, die Neu­en Deut­schen Medi­en­ma­cher, lan­des­wei­te Flücht­lings­rä­te sowie zahl­rei­che wei­te­re Orga­ni­sa­tio­nen der Asyl- und Inte­gra­ti­ons­ar­beit auf Bun­des- und Landesebene.

„Men­schen sind gekom­men und das war gut so!“
Men­schen sind gekom­men, weil sie vor Bom­ben und Kugeln, vor Ter­ror und poli­ti­scher Ver­fol­gung, vor Fol­ter und Miss­hand­lung flie­hen muss­ten. Und Men­schen haben sie auf­ge­nom­men! Der lan­ge Som­mer der Flucht im Jahr 2015 traf auf eine leben­di­ge Huma­ni­tät, Empa­thie und die Idee der Men­schen­rech­te ver­wirk­li­chen­de Zivil­ge­sell­schaft. Schon das allein ist eine Erfolgsgeschichte.

Aus Flücht­lin­gen sind seit­dem Kolleg*innen, Nachbar*innen und Freund*innen gewor­den, die Deutsch­land viel­fäl­ti­ger und offe­ner machen. Die Angst­er­zäh­lun­gen von Rechtspopulist*innen und die Poli­tik der Abschre­ckung, Aus­gren­zung und Ent­rech­tung von Flücht­lin­gen, die dem »Som­mer des Will­kom­mens« unmit­tel­bar folg­te, haben zu die­sem Erfolg nichts beigetragen.

»Wäh­rend die Poli­tik debat­tier­te, mach­ten sich Zehn­tau­sen­de in Deutsch­land buch­stäb­lich über Nacht auf, um gra­vie­ren­de Leer­stel­len in der Auf­nah­me und Ver­sor­gung der Geflüch­te­ten zu fül­len«, heißt es in der Erklä­rung. An vie­len Stel­len hat die Poli­tik sich gegen das neue zivil­ge­sell­schaft­li­che Enga­ge­ment gewen­det. Recht­li­che Hür­den wur­den auf­ein­an­der­ge­türmt. Wohn­sitz­auf­la­gen ver­hin­dern noch grö­ße­re Erfol­ge bei der Inte­gra­ti­on. Die Angst vor vie­len Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen auf der Flucht und vor allem die Angst vor Rassist*innen und Rechts­extre­men in den Par­la­men­ten bestimm­te gro­ße Tei­le der Gesetz­ge­bung. Statt die Bereit­schaft der Vie­len, aktiv und krea­tiv an der Bewäl­ti­gung neu­er Her­aus­for­de­run­gen mit­zu­ar­bei­ten, posi­tiv zu wür­di­gen und für die Wei­ter­ent­wick­lung die­ser Gesell­schaft zu nut­zen, wur­de ihr Enga­ge­ment an vie­len Stel­len behin­dert, zer­mürbt und ausgebremst.

Aber die Erfah­run­gen seit 2015 zei­gen: #offen­geht!

Die Unter­zeich­nen­den fordern:

#offen­geht: Der Zugang zum Asyl­recht muss an Euro­pas Gren­zen gewähr­leis­tet sein. Men­schen­rechts­wid­ri­ge Push-Backs, direk­te Abschie­bun­gen ohne Prü­fung eines Asyl­an­tra­ges – durch Grie­chen­land oder ande­re EU-Mit­glied­staa­ten – müs­sen aufhören.

#offen­geht: Wir kön­nen und wir soll­ten eine erheb­li­che Zahl von Geflüch­te­ten auf­neh­men, die heu­te in Elend­sla­gern auf den grie­chi­schen Inseln und an ande­ren Orten an der euro­päi­schen Außen­gren­ze verzweifeln.

#offen­geht: Vie­le Flücht­lings­un­ter­künf­te in den Kom­mu­nen ste­hen zur­zeit leer. Ande­re kön­nen kurz­fris­tig reak­ti­viert wer­den. Es gibt hin­rei­chend Res­sour­cen, Kapa­zi­tä­ten und Kom­pe­ten­zen in Deutsch­land, um wei­te­re Flücht­lin­ge auf­zu­neh­men und unse­rer inter­na­tio­na­len Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz nachzukommen.

#offen­geht: Die Situa­ti­on in den Haupt­her­kunfts­län­dern von Flücht­lin­gen wird in abseh­ba­rer Zeit nicht bes­ser wer­den, weder in Syri­en noch im Irak, Afgha­ni­stan, Eri­trea, Soma­lia oder der Tür­kei. Dar­um soll­te nicht auf Abschie­bun­gen gesetzt wer­den, son­dern auf Inte­gra­ti­on vom ers­ten Tag an.

#offen­geht: Asyl­su­chen­de müs­sen so schnell wie mög­lich in die Kom­mu­nen ver­teilt wer­den, um ihre Unter­stüt­zung und Inte­gra­ti­on zu fördern.

#offen­geht: Die Viel­falts­fä­hig­keit zen­tra­ler Insti­tu­tio­nen und Ein­rich­tun­gen muss gezielt geför­dert wer­den, nicht nur im Blick auf neu ankom­men­de Geflüch­te­te, son­dern für alle in einer hete­ro­ge­ner wer­den­den Migrationsgesellschaft.

#offen­geht: Unter­schied­li­che Rechts­sta­tus hier leben­der Men­schen müs­sen mög­lichst zügig ange­gli­chen wer­den. Statt neue und noch schlech­te­re Dul­dungs­sta­tus ein­zu­füh­ren, soll­te jede*r spä­tes­tens nach fünf Jah­ren Auf­ent­halt den »Lang­hei­mi­schen« recht­lich gleich­ge­stellt werden.

#offen­geht: Damit alle gleich­be­rech­tigt an der Gestal­tung der Lebens­ver­hält­nis­se im Gemein­we­sen teil­neh­men kön­nen, soll­ten demo­kra­ti­sche Rech­te nicht an der Staats­an­ge­hö­rig­keit, son­dern am Wohn­ort anknüp­fen. Eine »Wohn­bür­ger­schaft« bedeu­tet unter ande­rem, dass jede*r ein bedin­gungs­lo­ses Wahl­recht hat an dem Ort, an dem sie*er lebt.

#offen­geht: Das hat die Gesell­schaft in Deutsch­land in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten wie­der­holt bewie­sen, wäh­rend der Krie­ge im ehe­ma­li­gen Jugo­sla­wi­en in den 1990er Jah­ren zum Bei­spiel, als Deutsch­land hun­dert­tau­sen­de Flücht­lin­ge auf­ge­nom­men hat, nach dem Mili­tär­putsch in der Tür­kei 1980 und bei der Auf­nah­me von mehr als 12 Mil­lio­nen Geflüch­te­ter nach dem Zwei­ten Welt­krieg. In einer viel wohl­ha­ben­de­ren Gesell­schaft als damals bekräf­ti­gen wir: #offen­geht auch heute!

Die Dia­ko­nie Hes­sen, der Initia­tiv­aus­schuss für Migra­ti­ons­po­li­tik in Rhein­land-Pfalz und PRO ASYL rufen dazu auf, vor Ort in Ver­an­stal­tun­gen die gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen seit 2015 zu bilan­zie­ren und auf die­ser Grund­la­ge Zukunfts­per­spek­ti­ven und For­de­run­gen zu ent­wi­ckeln. Eine gute Gele­gen­heit hier­für ist der Tag des Flücht­lings, der im Rah­men der Inter­kul­tu­rel­len Woche began­gen wird und die­ses Jahr am 2. Okto­ber stattfindet.

Für Rück­fra­gen ste­hen zur Verfügung:
· Dia­ko­nie Hes­sen: Hil­de­gund Nie­b­ch, stv. Lei­te­rin der Abtei­lung Flucht, Inter­kul­tu­rel­le Arbeit, Migra­ti­on, hildegund.niebch@diakonie-hessen.de
· Initia­tiv­aus­schuss für Migra­ti­ons­po­li­tik in Rhein­land-Pfalz: Tors­ten Jäger, Geschäfts­füh­rer, tj@zgv.info
· PRO ASYL: Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer, presse@proasyl.de

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