07.03.2025

Zum Inter­na­tio­na­len Frau­en­tag am 8. März 2025 kri­ti­sie­ren DaMi­gra, Frau­en­haus­ko­or­di­nie­rung e.V. und PRO ASYL: Geflüch­te­te und migran­ti­sche Frau­en sind immer noch in beson­de­rer Wei­se mit Gewalt kon­fron­tiert und struk­tu­rel­le Hür­den erschwe­ren ihnen den Weg zu adäqua­ter Hil­fe. Deutsch­land muss die Istan­bul-Kon­ven­ti­on wirk­sam umset­zen und das Schutz- und Hil­fe­sys­tem für Frau­en mit Flucht- und Migra­ti­ons­er­fah­rung drin­gend verbessern.

Frau­en mit Flucht- und Migra­ti­ons­er­fah­rung sind häu­fig mehr­fa­cher Gewalt aus­ge­setzt: Sie erle­ben struk­tu­rel­le Dis­kri­mi­nie­rung und sind sowohl ras­sis­ti­schen Über­grif­fen als auch geschlechts­spe­zi­fi­scher Gewalt aus­ge­setzt – sei es im öffent­li­chen Raum, in Unter­künf­ten für Geflüch­te­te oder im häus­li­chen Umfeld. Den­noch unter­nimmt Deutsch­land nach wie vor nicht genug, um Frau­en und Mäd­chen wirk­sam und umfas­send vor Gewalt zu schützen.

Die Ehe­be­stands­zeit zwingt gewalt­be­trof­fe­ne Frau­en, bis zu drei Jah­re in der Ehe zu ver­blei­ben, bevor sie ein eigen­stän­di­ges Auf­ent­halts­recht erhal­ten (§ 31 Auf­ent­halts­ge­setz). Ein Här­te­fall­an­trag ist mit gro­ßen Hür­den und unsi­che­rem Aus­gang ver­bun­den. Zudem liegt eine hohe Beweis­last bei den Betrof­fe­nen. Beson­ders psy­chi­sche, wirt­schaft­li­che oder digi­ta­le Gewalt wird von Behör­den oft nicht anerkannt.

Dr. Del­al Atma­ca vom Dach­ver­band der Migran­tin­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen DaMi­gra erklärt: „Die Ehe­be­stands­zeit ist in der Pra­xis ein gro­ßes Pro­blem. Gewalt­aus­üben­de Part­ner nut­zen die Vor­schrift als Druck­mit­tel und dro­hen der Frau im Fall der Tren­nung mit Abschie­bung durch die Behör­den. Vor­ge­se­he­ne Här­te­fall­re­ge­lun­gen schei­tern oft an der Behör­den­pra­xis. Frau­en und ihre Kin­der ver­har­ren so oft viel zu lang in einer gefähr­li­chen Situa­ti­on.” Vie­le Frau­en, die sich aus schwie­ri­gen Lebens­si­tua­tio­nen befrei­en wol­len, müs­sen erst ihren Lebens­un­ter­halt selbst sichern, um ein Auf­ent­halts­recht zu erhal­ten. Erschwe­rend hin­zu kom­men der Gen­der- und Migra­ti­ons-Pay-Gap, pre­kä­re Jobs und nicht aner­kann­te Abschlüs­se. „Die Poli­tik for­dert Eigen­stän­dig­keit, hält Frau­en aber struk­tu­rell in Abhän­gig­keit. Auf­ent­halts­recht­li­che Sicher­heit muss Vor­rang haben – erst dann wird öko­no­mi­sche Unab­hän­gig­keit möglich.”

Geflüch­te­te Frau­en unter­lie­gen oft einer Wohn­sitz­auf­la­ge, die ihnen den Umzug ver­bie­tet. Sibyl­le Schrei­ber von Frau­en­haus­ko­or­di­nie­rung e. V. (FHK) kri­ti­siert: „Die Wohn­sitz­auf­la­ge ver­hin­dert oft, dass Frau­en schnell und unbü­ro­kra­tisch in ein Frau­en­haus auf­ge­nom­men wer­den kön­nen. Die vor­han­de­ne Här­te­fall­re­ge­lung ist unzu­rei­chend. Zudem gibt es noch immer zu wenig Frau­en­haus­plät­ze und für Sprach­mitt­lung kei­ne Finan­zie­rung. Die durch das im Febru­ar 2025 beschlos­se­ne Gewalt­hil­fe­ge­setz geplan­ten Ver­bes­se­run­gen sind sehr begrü­ßens­wert – aber es wird noch Jah­re dau­ern, bis sie flä­chen­de­ckend in allen Bun­des­län­dern grei­fen. Das Sys­tem außer­halb der Schutz­häu­ser, wie etwa die spe­zia­li­sier­te psy­cho­so­zia­le und psy­cho­lo­gi­sche Ver­sor­gung von Gewalt­be­trof­fe­nen, ist unterfinanziert.”

Andrea Kothen von PRO ASYL kri­ti­siert: „Die Wohn­si­tua­ti­on geflüch­te­ter Frau­en ist vie­ler­orts kata­stro­phal und selbst struk­tu­rell gewalt­voll: Die Mise­re beginnt schon damit, dass sie, statt in Woh­nun­gen leben zu kön­nen, über vie­le Mona­te und sogar Jah­re in kaser­nen­ar­ti­ge Mas­sen­un­ter­künf­te gezwun­gen wer­den. Die Frau­en lei­den dort unter den beeng­ten Wohn­ver­hält­nis­sen, feh­len­der Pri­vat­sphä­re, einer iso­lier­ten Lage, man­geln­den Beschwer­de­struk­tu­ren und sogar ekla­tan­ten Sicher­heits­män­geln wie nicht abschließ­ba­ren Sani­tär­räu­men. Es muss end­lich flä­chen­de­cken­de und ver­bind­li­che Gewalt­schutz­stan­dards geben.”

Die 2024 erfolg­te Ver­schär­fung des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes, wonach Geflüch­te­te nun drei Jah­re statt wie zuvor 18 Mona­te von den nor­ma­len Gesund­heits­leis­tun­gen der Kran­ken­kas­sen aus­ge­schlos­sen blei­ben, ver­schlim­mert die Lage wei­ter. „Vie­le geflüch­te­te Frau­en, auch sol­che mit gra­vie­ren­den Gewalt­er­fah­run­gen und Trau­ma­ti­sie­run­gen, erhal­ten kaum Zugang zu medi­zi­ni­scher oder psy­cho­lo­gi­scher Hil­fe. Das ist nicht nur unzu­rei­chen­der Gewalt­schutz – hier wird die Gesund­heit und Zukunft der Frau­en aufs Spiel gesetzt“, beklagt Andrea Kothen von PRO ASYL.

Istan­bul-Kon­ven­ti­on für alle Frau­en in Deutsch­land umsetzen!

Die Istan­bul-Kon­ven­ti­on („Über­ein­kom­men des Euro­pa­ra­tes zur Ver­hü­tung und Bekämp­fung von Gewalt gegen Frau­en und häus­li­che Gewalt“) ver­pflich­tet die Bun­des­re­pu­blik dazu, aus­nahms­los alle Frau­en vor Gewalt zu schüt­zen und im Gewalt­fall Hil­fe zu gewäh­ren. DaMi­gra, FHK und PRO ASYL appel­lie­ren an die künf­ti­ge Bun­des­re­gie­rung, die Ver­pflich­tun­gen aus der Istan­bul-Kon­ven­ti­on schnellst­mög­lich anzu­pa­cken. Für die Besei­ti­gung kon­kre­ter Miss­stän­de, beson­ders mit Blick auf Migrier­te oder Geflüch­te­te, sieht das Euro­pa­rats­gre­mi­um GREVIO eine Umset­zungs­frist bis Dezem­ber 2025 vor.

 

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PRO ASYL: Tel. 069–20231430, presse@proasyl.de

Frau­en­haus­ko­or­di­nie­rung e. V.: Julia­ne Fieg­ler, Tel.: 0163–5142292, presse@frauenhauskoordinierung.de

DaMi­gra: Rita Stockho­we, Tel: 0159–04979969, presse@damigra.de

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