30.09.2022

In einer Pres­se­kon­fe­renz am Frei­tag kün­dig­te EU-Kom­mis­sa­rin Ylva Johans­son neue Ver­schär­fun­gen für die Ein­rei­se von rus­si­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen an. Ins­be­son­de­re sol­len Mit­glied­staa­ten laut dem neu­en Leit­fa­den der Kom­mis­si­on wei­ter­hin kei­ne Visums­an­trä­ge von Russ*innen anneh­men, die bereits in einen Dritt­staat geflüch­tet sind. Damit ver­langt die Kom­mis­si­on, dass die Men­schen in Russ­land in der Fal­le war­ten, bis über einen Visums­an­trag ent­schie­den ist, kri­ti­sie­ren PRO ASYL und der Repu­bli­ka­ni­sche Anwäl­tin­nen- und Anwäl­te­ver­ein e.V..

Wäh­rend Johans­son mehr­fach in der Pres­se­kon­fe­renz wie­der­holt hat, dass der neue Leit­fa­den nicht das Recht auf Asyl beein­träch­tigt, so geht dies am Kern des Pro­blems vor­bei. Wenn kein Zugang zur EU besteht, dann kön­nen Kriegsdienstverweiger*innen, Oppo­si­tio­nel­le oder Journalist*innen auch kei­nen Asyl­an­trag stellen.

Die Flucht vie­ler Kriegsgegner*innen schei­tert bis­lang, denn die Hür­den, um Schutz in Deutsch­land und Euro­pa zu erhal­ten, sind hoch. In einer gemein­sa­men Stel­lung­nah­me for­dern die Orga­ni­sa­tio­nen des­we­gen tat­säch­li­che Flucht­we­ge und Schutz der Men­schen, die sich dem ver­bre­che­ri­schen Regime und Krieg ent­zie­hen wollen:

LASST SIE REIN! FÜR EIN RECHT ZU KOMMEN UND ZU BLEIBEN

DEN KRIEGSGEGNER*INNEN IN RUSSLAND MUSS JETZT UND OHNE AUSREDEN SCHUTZ GEWÄHRT WERDEN!

Gegen­wär­tig gilt: Die restrik­ti­ve und lang­wie­ri­ge Pra­xis der Visa­ver­ga­be an deut­schen Bot­schaf­ten und Kon­su­la­ten ver­hin­dert die lega­le Ein­rei­se. Die, die es bis nach Deutsch­land schaf­fen, sind im Rah­men des Dub­lin-Ver­fah­rens von Ver­zö­ge­rung und Abschie­bung in euro­päi­sche Nach­bar­staa­ten bedroht. Die Asyl­ver­fah­ren dau­ern zu lan­ge. Die aktu­el­le Ver­fol­gungs­ge­fahr in der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on wird zudem vom Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge bis­lang regel­mä­ßig verkannt.

Wir for­dern: Han­delt jetzt!

Es darf kein zwei­tes Afgha­ni­stan geben, kein erneu­tes Ver­sa­gen der bun­des­deut­schen und euro­päi­schen Asyl- und Auf­nah­me­po­li­tik. Es ist drin­gend not­wen­dig, ent­schlos­sen zu han­deln und rus­si­schen Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rern, Deser­teu­ren und Men­schen, die gegen den Krieg sind, jetzt Schutz zu bie­ten, wie es auch bei Ukrainer*innen gesche­hen ist. Die Bun­des­re­gie­rung muss ent­spre­chend ihrer huma­ni­tä­ren Ver­ant­wor­tung und den men­schen­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen han­deln. Den Ankün­di­gun­gen von Regie­rungs­mit­glie­dern, denen Schutz zu gewäh­ren, die sich dem Krieg ent­ge­gen­stel­len, müs­sen effek­ti­ve Taten folgen.

Effek­ti­ver Schutz bedeu­tet zum einen: Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge muss sich im Hin­blick auf die am 22. Sep­tem­ber 2022 von Putin erklär­te Teil­mo­bil­ma­chung posi­tio­nie­ren und sei­ne Aner­ken­nungs­pra­xis trans­pa­rent machen.
Damit der Umgang mit schutz­su­chen­den Men­schen in und aus Russ­land nicht zu einem wei­te­ren Ver­sa­gen führt, braucht es jetzt eine effek­ti­ve und unbü­ro­kra­ti­sche Pra­xis in den Bot­schaf­ten und Kon­su­la­ten eben­so wie im Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge. Deutsch­land kann nicht auf eine euro­päi­sche Lösung war­ten, son­dern muss voranschreiten.

Wir rufen in Erin­ne­rung: Ein Recht auf Schutz besteht nicht erst dann, wenn Ver­fol­gung bereits erfolgt ist. Das Recht auf Schutz bedeu­tet, sich vor dem Erlei­den von Ver­fol­gung in Sicher­heit zu brin­gen. Schutz benö­ti­gen all die­je­ni­gen, die gegen den Krieg und somit aus Sicht des rus­si­schen Regimes Feind*innen sind.

Gleich­zei­tig gilt: Eine Flücht­lings­po­li­tik, die sich an den kurz­fris­ti­gen Auf­merk­sam­keits­span­nen für Kri­sen­si­tua­tio­nen ori­en­tiert, ist abzu­leh­nen. Tag­täg­lich ster­ben Flücht­lin­ge oder ver­zwei­feln auf der Bal­kan-Rou­te, an der bela­rus­sisch-pol­ni­schen Gren­ze, in grie­chi­schen Flücht­lings­la­gern oder in den liby­schen Fol­ter­la­gern. Push-Backs erfol­gen sys­te­ma­tisch mit dem Wis­sen und der Zustim­mung, zumin­dest aber dem taten­lo­sen Zuschau­en aller euro­päi­schen Regierungen.

Wir for­dern: Flücht­lin­ge müs­sen Zugang zum Recht auf Schutz haben. Die Ver­let­zung die­ses flücht­lings­po­li­ti­schen Grund­sat­zes muss umge­hend been­det werden.

Wir for­dern von der Bun­des­re­gie­rung und den Landesregierungen:

  • eine umge­hen­de Wei­sung, wonach jede deut­sche Aus­lands­ver­tre­tung zur Annah­me von Visa­an­trä­gen zustän­dig ist und die­se umge­hend und prio­ri­tär zu bear­bei­ten sind; ein­schließ­lich einer sofor­ti­gen Auf­sto­ckung der per­so­nel­len und sach­li­chen Res­sour­cen an den Bot­schaf­ten ins­be­son­de­re der Nach­bar­staa­ten Russ­lands sowie an jenen in der Tür­kei und Armenien;
  • die schnel­le Ertei­lung von huma­ni­tä­ren Visa für alle gefähr­de­ten Men­schen in gere­gel­ten Verfahren;
  • die Aus­set­zung der Dublin-Verfahren;
  • die Auf­nah­me von Schutz­su­chen­den aus den Nachbarstaaten;
  • einen sofor­ti­gen und von der IMK und dem BMI zu beschlie­ßen­den, unbe­fris­te­ten Abschie­be­stopp für die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on, Geor­gi­en und Moldawien;
  • grund­sätz­lich for­mel­le Abschie­be­stopps in aku­te Kri­sen­ge­bie­te wie der­zeit den Iran und Irak.
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