Die Preisträger*innen des Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL nach der Preisverleihung (von links nach rechts): Johannes Borgetto, Halima Gutale (Vorsitzende Stiftungsrat), Immaculate Chienku, Richard Reischl (Foto: PRO ASYL)
Die Stiftung PRO ASYL hat am heutigen Samstag, 13. September, in Frankfurt am Main mit ihrem diesjährigen Menschenrechtspreis drei Persönlichkeiten gewürdigt, die sich seit vielen Jahren für ein gutes Ankommen von Geflüchteten in Deutschland und für deren Rechte einsetzen. Die Laudator*innen hoben die Beharrlichkeit, Menschlichkeit und Solidarität der Ausgezeichneten hervor – gerade in Zeiten, in denen Schutzsuchende oft nicht als Chance, sondern als Problem gesehen werden.
Ausgezeichnet wurden: Johannes Borgetto, der sich seit Jahrzehnten für das Recht auf Asyl einsetzt, steht stellvertretend für die Zivilgesellschaft, besonders den Koordinationskreis Asyl Darmstadt und Region (KOKAS). Immaculate Chienku wurde als Menschenrechtsaktivistin stellvertretend für den Verein Refugees Emancipation e.V. und das selbstverwaltete Wohnprojekt Refugees Emancipation Communitiy Center in Potsdam ausgezeichnet. Richard Reischl steht als Erster Bürgermeister der bayerischen Gemeinde Hebertshausen stellvertretend für die Kommune und die Zivilgesellschaft, hier der Helferkreis Asyl Hebertshausen e.V.
Solidarität hält Demokratie lebendig
„Zehn Jahre nach dem „Sommer der Solidarität“ von 2015 würdigte die Stiftung PRO ASYL damit Menschen, die in ihrem täglichen Engagement zeigen: Solidarität ist eine Haltung und eine Praxis. Solidarität schützt Rechte Geflüchteter, Solidarität schafft Zugänge – und sie hält unsere Demokratie lebendig“, sagte Halima Gutale, Vorsitzende des Stiftungsrats der Stiftung PRO ASYL.
Grundhaltung geprägt von Zugewandtheit, Freundlichkeit, Optimismus und Mut
Laudator Herbert Kordes, der einen Monitor-Fernsehbeitrag über Hebertshausen und seinen Bürgermeister Richard Reischl (damals noch CSU) gedreht hat, beschrieb seine Eindrücke aus dem 6.000-Einwohner-Ort im Münchner Speckgürtel: „Es ist die innere Haltung, auf die es ankommt! In diesem Fall die innere Haltung des Bürgermeisters, der, wo auch immer er ist, signalisiert: Ihr müsst keine Angst haben – wir kriegen das hin! Mit Engagement. Mit Offenheit. Und Menschlichkeit.“ Richard Reischl sei „einer der gradlinigsten Menschen, die ich kenne“. Er gehe Konflikten nicht aus dem Weg. „Er hat – wie man heute gern sagt – einen klaren Kompass und seine Grundhaltung ist geprägt von Zugewandtheit, Freundlichkeit, Optimismus und: Mut!“
Laudatorin Dr. Manuela Bojadžijev, Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin, sagte über die Preisträger*innen Immaculate Chienku und Johannes Borgetto, ihre Handlungen „sind ein stetiger, beharrlicher Versuch und ein Beispiel dafür, Humanität so zu behaupten, dass sie Horizonte öffnet. Und dabei geht es um nichts weniger als die Möglichkeit eines neuen Anfangs für die Asylpolitik, den wir alle brauchen.“
Geflüchtete können sich selbst organisieren
Das selbstverwaltete Wohnprojekt Refugees Emancipation Communitiy Center (RECC) in Potsdam setze „ein klares politisches Zeichen. Geflüchtete Menschen brauchen keine Heimleitung oder Sicherheitsdienste, sondern können sich selbst organisieren.“ Johannes Borgetto schließe mit seinem lebenslangen Engagement „die Lücken in der Aufnahme- und Hilfestruktur“ und sei damit „ein Lückenbüßer im besten Sinne“, sagte Manuela Bojadžijev.
Den Ungut-Menschen die Stirn zeigen
Preisträger Johannes Borgetto, der für sein lebenslanges haupt- und ehrenamtliches Engagement für die Rechte Geflüchteter geehrt wurde, beschrieb die Veränderungen im Engagement und rief dazu auf, nicht nur praktisch im Stillen zu helfen, sondern auch laut und öffentlich Position zu beziehen: „Den Ungut-Menschen die Stirn zeigen. Auf der Straße, im öffentlichen Raum präsent sein, zeigen, dass es uns gibt. Leider sind zu wenige helfende Hände gleichzeitig auch politisch, aufklärerisch aktiv.“
Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Geflüchteten führt zu Empowerment
Preisträgerin Immaculate Chienku hob hervor, wie wichtig es für Geflüchtete ist, Verantwortung für sich und die Gesellschaft übernehmen zu können. Mit Blick auf die Entwicklung des Vereins Refugees Emancipation e.V. und auf das selbstverwaltete Wohnprojekt Refugees Emancipation Communitiy Center (RECC) in Potsdam sagte sie: „Von den Internetcafés in den Asylheimen über die Büros bis hin zum Refugees Emancipation Communitiy Center sehen wir einen praktischen Weg, wie die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Geflüchteten zu Empowerment führen kann – indem Geflüchtete selbst Führungsrollen übernehmen.“ Deshalb sei es wichtig, solche Modelle auch in anderen Orten umzusetzen.
Die Wählerschaft der AfD reduzieren, indem Ängste abgebaut werden
Preisträger Richard Reischl betonte, dass die Auszeichnung ihm als Bürgermeister nur zum Teil gebühre, sie gebühre vor allem dem Helferkreis Asyl und dessen Koordinator Peter Barth sowie der Bevölkerung von Hebertshausen. Diese habe ihre zum Teil vorhandenen anfänglichen Ängste überwunden und lebe nun „Verständnis, Vertrauen, Menschlichkeit und Menschenrecht“. Mit Blick auf die relativ niedrigen Wahlergebnisse der AfD in seiner Gemeinde sagte Reischl: „Die Wählerschaft der AfD reduziert man nicht, indem man genauso spricht wie ein AfDler, sondern wenn man handelt und Ängste abbaut. “
Laudatorin Professorin Dr. Manuela Bojadžijev wies auf das Missverhältnis zwischen der solidarischen Arbeit und unzureichenden institutionellen Veränderungen in Bereichen wie Bildung, Wohnen und Gesundheit hin. Verschlechterungen gebe es auch bei den rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und auch an den europäischen Außengrenzen, an denen die Abschottungspolitik herrsche. „Seit 2015 erleben wir eine massive Verschärfung des Flüchtlings- und Asylrechts. Und das – so müssen wir festhalten – erleben auch jene, die mit ihrem kontinuierlichen solidarischen Einsatz und in ihrer Hilfeleistung gegen Behörden und rechtliche Hürden ankämpfen müssen“, sagte Manuela Bojadžijev.
Informationen zu den Preisträger*innen
Johannes Borgetto bekommt den Menschrechtspreis der Stiftung PRO ASYL auch für sein Lebenswerk. Nach dem Studium der Erziehungswissenschaft, Theologie und Politik arbeitete er 20 Jahre lang in der Katholischen Hochschulgemeinde Darmstadt, danach 14 Jahre lang bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2013 als Fachberater für Migrationsfragen beim Caritasverband Darmstadt. Seit seiner Jugend setzt sich Johannes Borgetto ehren- und hauptamtlich für Migration und Flüchtlinge ein. Unter anderem ist er Mitbegründer und Leiter des Koordinationskreis Asyl Darmstadt und Region (KOKAS), der seit 1991 zum Beispiel örtliche Asylkreise bei der Gründung begleitet, Sprachkurse angestoßen hat, Flüchtlinge unterstützt, Fortbildungen und Infoabende organisiert und monatliche Mahnwachen in Darmstadt abhält.
Immaculate Chienku arbeitet in dem 1998 von Chu Eben gegründeten Verein Refugees Emancipation e.V. Seit drei Jahren betreibt der Verein das selbstverwaltete Wohnprojekt Refugees Emancipation Communitiy Center (RECC) in Potsdam – ein Leuchtturmprojekt. Chienku engagiert sich in der Unterstützung von geflüchteten Menschen und kämpft an ihrer Seite für bessere Lebensbedingungen. In Flüchtlingsunterkünften gibt sie Workshops und informiert, motiviert und empowert Schutzsuchende. Im selbstverwalteten Wohnprojekt RECC leben 19 erwachsene Personen, ein Großteil von ihnen müsste sonst in Flüchtlingsunterkünften wohnen. Mit dem Projekt will der Verein auch ein politisches Zeichen setzen: Geflüchtete können und wollen Verantwortung für sich und andere in der Gesellschaft übernehmen. Sie hoffen zudem, dass ihr Projekt anderen Mut macht, weitere Community- und Wohnprojekte zu gründen.
Richard Reischl ist seit 2014 Erster Bürgermeister der Gemeinde Hebertshausen (Landkreis Dachau), bis zum Frühjahr 2025 für die CSU, jetzt parteilos. Seit dessen Gründung im Jahr 2013 ist der gelernte Elektrotechnikermeister Richard Reischl Mitglied im Helferkreis Asyl Hebertshausen. Ein Schwerpunkt ist, die Flüchtlinge so früh wie möglich in Arbeit zu bringen, vom städtischen Bauhof bis hin zu Betrieben in der Umgebung. Richard Reischl und Hebertshausen, wo im Gemeinderat die CSU die absolute Mehrheit hat, sind schon während der steigenden Asylzahlen 2013 bis 2016 wegen ihrer flüchtlingsfreundlichen Politik bundesweit positiv in die Schlagzeilen geraten. So hat der Ort mit seinen knapp 6.000 Einwohner*innen bis zu fünfmal mehr Asylsuchende aufgenommen als ihm zugeteilt worden wären, zu Hochzeiten waren es knapp 240 Flüchtlinge.
Der Preis
Den Menschenrechtspreis verleiht die Stiftung PRO ASYL seit 2006 jährlich an Personen, die sich in herausragender Weise für die Achtung der Menschenrechte und den Schutz von Flüchtlingen in Deutschland und Europa einsetzen. Der Preis ist mit 5.000 Euro und einer Skulptur des Künstlers Ariel Auslender, Professor an der Technischen Universität Darmstadt, dotiert. Eine Übersicht mit den bisherigen Preisträger*innen steht hier.
Interviews mit den Preisträger*innen 2025 stehen auf der Homepage von PRO ASYL unter der Rubrik News.