14.09.2025

Die Preisträger*innen des Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL nach der Preisverleihung (von links nach rechts): Johannes Borgetto, Halima Gutale (Vorsitzende des Stiftungsrats), Immaculate Chienku, Richard Reischl. (Foto: PRO ASYL)

Die Preisträger*innen des Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL nach der Preisverleihung (von links nach rechts): Johannes Borgetto,  Halima Gutale (Vorsitzende Stiftungsrat), Immaculate Chienku, Richard Reischl (Foto: PRO ASYL)

Die Stif­tung PRO ASYL hat am heu­ti­gen Sams­tag, 13. Sep­tem­ber, in Frank­furt am Main mit ihrem   dies­jäh­ri­gen Men­schen­rechts­preis drei Per­sön­lich­kei­ten gewür­digt, die sich seit vie­len Jah­ren für ein gutes Ankom­men von Geflüch­te­ten in Deutsch­land und für deren Rech­te ein­set­zen. Die Laudator*innen hoben die Beharr­lich­keit, Mensch­lich­keit und Soli­da­ri­tät der Aus­ge­zeich­ne­ten her­vor – gera­de in Zei­ten, in denen Schutz­su­chen­de oft nicht als Chan­ce, son­dern als Pro­blem gese­hen werden.

Aus­ge­zeich­net wur­den: Johan­nes Bor­get­to, der sich seit Jahr­zehn­ten für das Recht auf Asyl ein­setzt, steht stell­ver­tre­tend für die Zivil­ge­sell­schaft, beson­ders den Koor­di­na­ti­ons­kreis Asyl Darm­stadt und Regi­on (KOKAS). Imma­cu­la­te Chien­ku wur­de als Men­schen­rechts­ak­ti­vis­tin stell­ver­tre­tend für den Ver­ein Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on e.V. und das selbst­ver­wal­te­te Wohn­pro­jekt Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter in Pots­dam aus­ge­zeich­net. Richard Rei­schl steht als Ers­ter Bür­ger­meis­ter der baye­ri­schen Gemein­de Heberts­hau­sen stell­ver­tre­tend für die Kom­mu­ne und die Zivil­ge­sell­schaft, hier der Hel­fer­kreis Asyl Heberts­hau­sen e.V.

Soli­da­ri­tät hält Demo­kra­tie lebendig

„Zehn Jah­re nach dem „Som­mer der Soli­da­ri­tät“ von 2015 wür­dig­te die Stif­tung PRO ASYL damit Men­schen, die in ihrem täg­li­chen Enga­ge­ment zei­gen: Soli­da­ri­tät ist eine Hal­tung und eine Pra­xis. Soli­da­ri­tät schützt Rech­te Geflüch­te­ter, Soli­da­ri­tät schafft Zugän­ge – und sie hält unse­re Demo­kra­tie leben­dig“, sag­te Hali­ma Gut­ale, Vor­sit­zen­de des Stif­tungs­rats der Stif­tung PRO ASYL.

Grund­hal­tung geprägt von Zuge­wandt­heit, Freund­lich­keit, Opti­mis­mus und Mut

Lau­da­tor Her­bert Kor­des, der einen Moni­tor-Fern­seh­bei­trag über Heberts­hau­sen und sei­nen Bür­ger­meis­ter Richard Rei­schl (damals noch CSU) gedreht hat, beschrieb sei­ne Ein­drü­cke aus dem 6.000-Einwohner-Ort im Münch­ner Speck­gür­tel: „Es ist die inne­re Hal­tung, auf die es ankommt! In die­sem Fall die inne­re Hal­tung des Bür­ger­meis­ters, der, wo auch immer er ist, signa­li­siert: Ihr müsst kei­ne Angst haben – wir krie­gen das hin! Mit Enga­ge­ment. Mit Offen­heit. Und Mensch­lich­keit.“ Richard Rei­schl sei „einer der grad­li­nigs­ten Men­schen, die ich ken­ne“. Er gehe Kon­flik­ten nicht aus dem Weg. „Er hat – wie man heu­te gern sagt – einen kla­ren Kom­pass und sei­ne Grund­hal­tung ist geprägt von Zuge­wandt­heit, Freund­lich­keit, Opti­mis­mus und: Mut!“

Lau­da­to­rin Dr. Manue­la Boja­dži­jev, Pro­fes­so­rin an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin, sag­te über die Preisträger*innen Imma­cu­la­te Chien­ku und Johan­nes Bor­get­to, ihre Hand­lun­gen „sind ein ste­ti­ger, beharr­li­cher Ver­such und ein Bei­spiel dafür, Huma­ni­tät so zu behaup­ten, dass sie Hori­zon­te öff­net. Und dabei geht es um nichts weni­ger als die Mög­lich­keit eines neu­en Anfangs für die Asyl­po­li­tik, den wir alle brauchen.“

Geflüch­te­te kön­nen sich selbst organisieren

Das selbst­ver­wal­te­te Wohn­pro­jekt Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter (RECC) in Pots­dam set­ze „ein kla­res poli­ti­sches Zei­chen. Geflüch­te­te Men­schen brau­chen kei­ne Heim­lei­tung oder Sicher­heits­diens­te, son­dern kön­nen sich selbst orga­ni­sie­ren.“ Johan­nes Bor­get­to schlie­ße mit sei­nem lebens­lan­gen Enga­ge­ment „die Lücken in der Auf­nah­me- und Hil­fe­st­ruk­tur“ und sei damit „ein Lücken­bü­ßer im bes­ten Sin­ne“, sag­te Manue­la Bojadžijev.

Den Ungut-Men­schen die Stirn zeigen

Preis­trä­ger Johan­nes Bor­get­to, der für sein lebens­lan­ges haupt- und ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment für die Rech­te Geflüch­te­ter geehrt wur­de, beschrieb die Ver­än­de­run­gen im Enga­ge­ment und rief dazu auf, nicht nur prak­tisch im Stil­len zu hel­fen, son­dern auch laut und öffent­lich Posi­ti­on zu bezie­hen: „Den Ungut-Men­schen die Stirn zei­gen. Auf der Stra­ße, im öffent­li­chen Raum prä­sent sein, zei­gen, dass es uns gibt. Lei­der sind zu weni­ge hel­fen­de Hän­de gleich­zei­tig auch poli­tisch, auf­klä­re­risch aktiv.“

Zusam­men­ar­beit zwi­schen Zivil­ge­sell­schaft und Geflüch­te­ten führt zu Empowerment

Preis­trä­ge­rin Imma­cu­la­te Chien­ku hob her­vor, wie wich­tig es für Geflüch­te­te ist, Ver­ant­wor­tung für sich und die Gesell­schaft über­neh­men zu kön­nen. Mit Blick auf die Ent­wick­lung des Ver­eins Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on e.V. und auf das selbst­ver­wal­te­te Wohn­pro­jekt Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter (RECC) in Pots­dam sag­te sie: „Von den Inter­net­ca­fés in den Asyl­hei­men über die Büros bis hin zum Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter sehen wir einen prak­ti­schen Weg, wie die Zusam­men­ar­beit zwi­schen Zivil­ge­sell­schaft und Geflüch­te­ten zu Empower­ment füh­ren kann – indem Geflüch­te­te selbst Füh­rungs­rol­len über­neh­men.“ Des­halb sei es wich­tig, sol­che Model­le auch in ande­ren Orten umzusetzen.

Die Wäh­ler­schaft der AfD redu­zie­ren, indem Ängs­te abge­baut werden

Preis­trä­ger Richard Rei­schl beton­te, dass die Aus­zeich­nung ihm als Bür­ger­meis­ter nur zum Teil gebüh­re, sie gebüh­re vor allem dem Hel­fer­kreis Asyl und des­sen Koor­di­na­tor Peter Barth sowie der Bevöl­ke­rung von Heberts­hau­sen. Die­se habe ihre zum Teil vor­han­de­nen anfäng­li­chen Ängs­te über­wun­den und lebe nun „Ver­ständ­nis, Ver­trau­en, Mensch­lich­keit und Men­schen­recht“. Mit Blick auf die rela­tiv nied­ri­gen Wahl­er­geb­nis­se der AfD in sei­ner Gemein­de sag­te Rei­schl: „Die Wäh­ler­schaft der AfD redu­ziert man nicht, indem man genau­so spricht wie ein AfD­ler, son­dern wenn man han­delt und Ängs­te abbaut. “

Lau­da­to­rin Pro­fes­so­rin Dr. Manue­la Boja­dži­jev wies auf das Miss­ver­hält­nis zwi­schen der soli­da­ri­schen Arbeit und unzu­rei­chen­den insti­tu­tio­nel­len Ver­än­de­run­gen in Berei­chen wie Bil­dung, Woh­nen und Gesund­heit hin. Ver­schlech­te­run­gen gebe es auch bei den recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen in Deutsch­land und auch an den euro­päi­schen Außen­gren­zen, an denen die Abschot­tungs­po­li­tik herr­sche. „Seit 2015 erle­ben wir eine mas­si­ve Ver­schär­fung des Flücht­lings- und Asyl­rechts. Und das – so müs­sen wir fest­hal­ten – erle­ben auch jene, die mit ihrem kon­ti­nu­ier­li­chen soli­da­ri­schen Ein­satz und in ihrer Hil­fe­leis­tung gegen Behör­den und recht­li­che Hür­den ankämp­fen müs­sen“, sag­te Manue­la Bojadžijev.

 

Infor­ma­tio­nen zu den Preisträger*innen

Johan­nes Bor­get­to bekommt den Men­sch­rechts­preis der Stif­tung PRO ASYL auch für sein Lebens­werk. Nach dem Stu­di­um der Erzie­hungs­wis­sen­schaft, Theo­lo­gie und Poli­tik arbei­te­te er 20 Jah­re lang in der Katho­li­schen Hoch­schul­ge­mein­de Darm­stadt, danach 14 Jah­re lang bis zu sei­nem Ruhe­stand im Jahr 2013 als Fach­be­ra­ter für Migra­ti­ons­fra­gen beim Cari­tas­ver­band Darm­stadt. Seit sei­ner Jugend setzt sich Johan­nes Bor­get­to ehren- und haupt­amt­lich für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge ein.  Unter ande­rem ist er Mit­be­grün­der und Lei­ter des Koor­di­na­ti­ons­kreis Asyl Darm­stadt und Regi­on (KOKAS), der seit 1991 zum Bei­spiel ört­li­che Asyl­krei­se bei der Grün­dung beglei­tet, Sprach­kur­se ange­sto­ßen hat, Flücht­lin­ge unter­stützt, Fort­bil­dun­gen und Info­aben­de orga­ni­siert und monat­li­che Mahn­wa­chen in Darm­stadt abhält.

Imma­cu­la­te Chien­ku  arbei­tet in dem 1998 von Chu Eben gegrün­de­ten Ver­ein Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on e.V. Seit drei Jah­ren betreibt der Ver­ein das selbst­ver­wal­te­te Wohn­pro­jekt Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter (RECC) in Pots­dam – ein Leucht­turm­pro­jekt. Chien­ku enga­giert sich in der Unter­stüt­zung von geflüch­te­ten Men­schen und kämpft an ihrer Sei­te für bes­se­re Lebens­be­din­gun­gen. In Flücht­lings­un­ter­künf­ten gibt sie Work­shops und infor­miert, moti­viert und empowert Schutz­su­chen­de. Im selbst­ver­wal­te­ten Wohn­pro­jekt RECC leben 19 erwach­se­ne Per­so­nen, ein Groß­teil von ihnen müss­te sonst in Flücht­lings­un­ter­künf­ten woh­nen. Mit dem Pro­jekt will der Ver­ein auch ein poli­ti­sches Zei­chen set­zen: Geflüch­te­te kön­nen und wol­len Ver­ant­wor­tung für sich und ande­re in der Gesell­schaft über­neh­men. Sie hof­fen zudem, dass ihr Pro­jekt ande­ren Mut macht, wei­te­re Com­mu­ni­ty- und Wohn­pro­jek­te zu gründen.

Richard Rei­schl ist seit 2014 Ers­ter Bür­ger­meis­ter der Gemein­de Heberts­hau­sen (Land­kreis Dach­au), bis zum Früh­jahr 2025 für die CSU, jetzt par­tei­los. Seit des­sen Grün­dung im Jahr 2013 ist der gelern­te  Elek­tro­tech­ni­ker­meis­ter Richard Rei­schl Mit­glied im Hel­fer­kreis Asyl Heberts­hau­sen. Ein Schwer­punkt ist, die Flücht­lin­ge so früh wie mög­lich in Arbeit zu brin­gen, vom städ­ti­schen Bau­hof bis hin zu Betrie­ben in der Umge­bung. Richard Rei­schl und Heberts­hau­sen, wo im Gemein­de­rat die CSU die abso­lu­te Mehr­heit hat, sind schon wäh­rend der stei­gen­den Asyl­zah­len 2013 bis 2016 wegen ihrer flücht­lings­freund­li­chen Poli­tik bun­des­weit posi­tiv in die Schlag­zei­len gera­ten. So hat der Ort mit sei­nen knapp 6.000 Einwohner*innen bis zu fünf­mal mehr Asyl­su­chen­de auf­ge­nom­men als ihm zuge­teilt wor­den wären, zu Hoch­zei­ten waren es knapp 240 Flüchtlinge.

Der Preis

Den Men­schen­rechts­preis ver­leiht die Stif­tung PRO ASYL seit 2006 jähr­lich an Per­so­nen, die sich in her­aus­ra­gen­der Wei­se für die Ach­tung der Men­schen­rech­te und den Schutz von Flücht­lin­gen in Deutsch­land und Euro­pa ein­set­zen. Der Preis ist mit 5.000 Euro und einer Skulp­tur des Künst­lers Ari­el Aus­len­der, Pro­fes­sor an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Darm­stadt, dotiert. Eine Über­sicht mit den bis­he­ri­gen Preisträger*innen steht hier.

Inter­views mit den Preisträger*innen 2025 ste­hen auf der Home­page von PRO ASYL unter der Rubrik News.

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