27.07.2010

Asyl­su­chen­der erhält Scha­den­er­satz für die ille­ga­le Inhaf­tie­rung unter erbärm­li­chen Bedingungen

Der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te hat am 22. Juli 2010 im Fall A.A. ent­schie­den, dass Grie­chen­land durch die ille­ga­le Inhaf­tie­rung eines Paläs­ti­nen­sers aus dem Liba­non meh­re­re Arti­kel der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ver­letzt hat. Grie­chen­land wur­de ver­ur­teilt, dem Betrof­fe­nen 15.000 Euro Schmer­zens­geld und sei­ne Kos­ten und Aus­la­gen zu zah­len ((A.A. v. Greece (appli­ca­ti­on no. 12186/08)). PRO ASYL begrüßt das Urteil aus Straß­burg mit sei­nen kla­ren Aus­sa­gen zum grie­chi­schen Asyl­sys­tem. Das Urteil liest sich wie ein Ver­dikt über das gesam­te grie­chi­sche Asylsystem.

Ver­tre­ten wur­de die Beschwer­de, die PRO ASYL mit Mit­teln sei­nes Rechts­hil­fe­fonds unter­stützt hat, von der Athe­ner Rechts­an­wäl­tin und Men­schen­rechts­preis­trä­ge­rin der STIFTUNG PRO ASYL, Mari­an­na Tze­fera­kou. Der Fall von A.A. steht exem­pla­risch für Tau­sen­de von Flücht­lin­gen, die in den letz­ten Jah­ren in ähn­li­cher Wei­se unter erbärm­li­chen Umstän­den in Grie­chen­land unrecht­mä­ßig inhaf­tiert wor­den sind.

Der Paläs­ti­nen­ser A.A. war von der grie­chi­schen Poli­zei auf der Insel Samos fest­ge­nom­men wor­den. Nach sei­nen Anga­ben war er miss­han­delt und unter unsäg­li­chen Bedin­gun­gen im Haft­zen­trum Samos fest­ge­hal­ten wor­den. Die Miss­stän­de wer­den im Urteil im Ein­zel­nen dar­ge­stellt und unter Zitie­rung von UNHCR als Ver­höh­nung der Men­schen­wür­de, Ver­dun­ke­lung des inter­na­tio­na­len Anse­hens Grie­chen­lands und eine abso­lu­te Ver­let­zung der Men­schen­rech­te zusammengefasst.

Im kon­kre­ten Fall kam hin­zu, dass nur durch die Bemü­hun­gen von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen die not­wen­di­ge medi­zi­ni­sche Behand­lung gewährt wurde.

Der Men­schen­rechts­ge­richts­hof stell­te fest, dass sowohl auf­grund der Lebens­be­din­gun­gen in den Haft­zen­tren also auch wegen der feh­len­den Sorg­falt bei der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung eine Ver­let­zung von Arti­kel 3 EMRK (ernied­ri­gen­de oder unmensch­li­che Behand­lung) vorliege.

Als zwei­ten Ver­stoß gegen die EMRK benann­te der Gerichts­hof den man­gel­haf­ten Rechts­schutz gegen die Inhaf­tie­rung. Es sei den Gerich­ten nach dem grie­chi­schen Recht unmög­lich, den Grund der Inhaf­tie­rung zu über­prü­fen. Wei­ter­hin sei die Effek­ti­vi­tät der Rechts­mit­tel dadurch behin­dert, dass die Inhaf­tier­ten ohne Rechts­an­wäl­te weder Anträ­ge stel­len könn­ten noch ange­hört wür­den. Das grie­chi­sche Haft­prü­fungs­sys­tem füh­re hier des­we­gen zu einer Ver­let­zung von Arti­kel 5 Absatz 4 der EMRK.

Als Drit­tes bemän­gelt der Gerichts­hof, dass A.A. auch noch nach sei­ner Asyl­an­trag­stel­lung wei­ter inhaf­tiert wor­den sei. Denn wäh­rend der Prü­fung des Asyl­an­tra­ges ist der Rück­füh­rungs­pro­zess aus­ge­setzt und die Inhaf­tie­rung nicht zuläs­sig. Erschwe­rend kommt im Fall des A.A. hin­zu, dass sein Asyl­an­trag erst nach dem drit­ten Ver­such ent­ge­gen genom­men wor­den ist. Straß­burg stellt fest, dass jeden­falls ab dem Zeit­punkt der Ent­ge­gen­nah­me des Asyl­an­trags eine Ver­let­zung von Arti­kel 5 Absatz 1 der EMRK vor­ge­le­gen habe, da die Haft fort­ge­setzt wurde.

PRO ASYL for­dert die Ver­ant­wort­li­chen in Grie­chen­land auf, die vom Men­schen­rechts­ge­richts­hof fest­ge­stell­ten Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen umge­hend ein­zu­stel­len und die Betrof­fe­nen zu entschädigen.

Hin­wei­se:

Die Pres­se­er­klä­rung zum Urteil steht zum Down­load bereit.

PRO ASYL hat­te den Fall des A.A. zusam­men mit vie­len ande­ren im Okto­ber 2007 in der Ver­öf­fent­li­chung „The truth may be bit­ter, but it must be told“ dar­ge­stellt – S. 10, S. 35.

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