Seit Anfang November sind deutsche Grenzbeamte im Rahmen einer Frontex-Mission an der Landgrenze Griechenlands zur Türkei im Einsatz.
Letzte Woche besuchten Günter Burkhardt (Geschäftsführer) und Karl Kopp (Europareferent) von PRO ASYL gemeinsam mit Tom Koenigs, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages, das Evros-Gebiet. Ergänzend recherchierte PRO ASYL gemeinsam mit griechischen Rechtsanwälten und Unterstützern die Situation.
Das erschreckend Neue an den Ergebnissen dieser Reise ist, dass vermehrt Flüchtlinge aus dem Iran, dem Irak und Syrien akut von Abschiebung in die Türkei bedroht sind. PRO ASYL und Tom Koenigs stießen auf völlig überfüllte Haftlager, in denen selbst Familien mit Kindern und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert sind. Eine wochenlange Inhaftierung unter Bedingungen, wo sich Menschen noch nicht einmal niederlegen können, um zu schlafen, ist menschenverachtend. Die Haftbedingungen stellen einen Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention dar: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden“.
Deutsche und Grenzpolizisten anderer EU-Staaten werden in ein völlig chaotisches System eingebunden, das zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen führt. Angesichts ihrer Einbindung in nicht verantwortbare Zustände im Evros-Gebiet fallen sie in ein „moralisches Loch“.
Der Einsatz von Frontex hat die Lage aus Sicht von PRO ASYL nicht besser gemacht – im Gegenteil: Das hastige Screening (Identitätsfeststellungsverfahren) durch Frontex führt zu krassen Fehlentscheidungen. Koenigs und die PRO ASYL-Vertreter trafen im Haftlager Tychero Afghanen an, die als Iraner inhaftiert sind und die akut von der Abschiebung in die Türkei bedroht sind.
PRO ASYL klagt die Bundesregierung an, sich der Beihilfe zum Bruch der Europäischen Menschenrechtskonvention schuldig zu machen. Wenn deutsche Polizisten im Rahmen eines Frontex-Einsatzes in solche Zustände eingebunden sind und Kinder, Familien und Schutzbedürftige einer derart erniedrigenden Behandlung unterworfen werden, trägt der Bundesminister des Innern hierfür die Verantwortung.
Statt einer weiteren Abschottung der Grenzen fordert PRO ASYL ein Sofortprogramm in Deutschland und anderen europäischen Staaten zur Unterstützung von Flüchtlingen in Griechenland. Dazu gehören insbesondere:
- Aufnahmemaßnahmen für unbegleitete Flüchtlingskinder und Familien mit Kindern, die sich z.Zt. in Griechenland aufhalten.
- Ernsthafte Verhandlungen mit dem Ziel einer solidarischen Teilung der Verantwortung in Europa für die Aufnahme von Flüchtlingen. Dazu gehört die grundlegende Reform des europäischen Zuständigkeitssystems Dublin II. Eine europäische Gesamtlösung für den Schutz von Flüchtlingen ist erforderlich.
Kontakt:
Tel. 069 23 06 95
E‑Mail presse@proasyl.de