Das schwere Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion hat bereits über tausend Menschenleben gefordert. Internationale Unterstützung wurde für die Türkei zugesagt. Es liegt in der Verantwortung der Internationalen Gemeinschaft, jetzt auch ein Großaufgebot an Hilfe in den ebenfalls schwer betroffenen Norden Syriens zu schicken. Ansonsten stehen Tausende weitere Menschenleben auf dem Spiel.
Die Auswirkungen der Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion sind noch nicht vollständig überschaubar. Die Opferzahl steigt stündlich, weitere Erd- und Nachbeben sind zu erwarten. Klar ist schon jetzt, dass sie verheerend sind und die ohnehin dramatische und für viele Menschen im Norden Syriens existenzbedrohende Situation immens verschlimmern.
Insbesondere der Nordwesten Syriens leidet seit Jahren massiv unter den anhaltenden Bombardierungen des Assad-Regimes und Russlands. Die medizinische Infrastruktur ist in der gesamten Region nahezu gänzlich zerstört. Seit mehreren Jahren leiden die Menschen zusätzlich unter Corona, Cholera und einer hohen Inflation. Die Gesamtsituation hatte bereits vor dem Erdbeben das Überleben hier fast unmöglich gemacht. Allein in Idlib sind vier Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen – davon kommt aber nur wenig an. Während der Nordwesten halbjährlich um die Verlängerung des letzten verbliebenen offenen Grenzübergangs für UN-Hilfen bangt, ist der Nordosten seit der Schließung des Grenzübergangs für Hilfen von außen im Jahr 2020 gänzlich von unabhängiger internationaler humanitärer Hilfe abgeschnitten.
Nun sind Tausende weitere Menschen über Nacht obdachlos geworden, viele sind schwer verletzt. Nachbeben könnten aufgrund der maroden, vom Krieg zerstörten Infrastruktur weitere Hauseinstürze nach sich ziehen. Besonders betroffen sind die Regionen Idlib und Aleppo – genau jene Gebiete, die in den vergangenen Jahren immer wieder massiv bombardiert wurden. Von den Folgen des Erdbebens sind damit in Syrien diejenigen Bevölkerungsgruppen betroffen, die bereits am stärksten unter den Auswirkungen des Krieges leiden.
„Wir unterstützen die internationale Hilfe für die Betroffenen in der Türkei. Aber auch in Syrien dürfen wir jetzt keine Zeit verlieren! Unsere Partner*innen schreiben uns Nachrichten, dass vor Ort gerade dringend Wasser, Lebensmittel, Medikamente und schweres Gerät benötigt werden, um die Trümmer zu heben und Menschen zu bergen. Die UN muss jetzt sofort alles Notwendige tun, um den Menschen in den betroffenen Gebieten schnell zu helfen!“, fordert Svenja Borgschulte, Head of Outreach & PR bei der deutsch-syrischen Menschenrechtsorganisation Adopt a Revolution.
Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL fordert: „Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe sollten politische Befindlichkeiten zurückgestellt und allen Opfern gleichermaßen geholfen werden. Dafür müssen die Grenzen zu den betroffenen Gebieten im Norden Syriens geöffnet werden, damit dort Hilfe zu den Menschen gelangen kann und besonders schwer Verletzte herausgeholt werden können. Besonders vulnerable Personen müssen unter Umständen auch nach Deutschland ausgeflogen werden.“
Konkret fordern Adopt a Revolution und PRO ASYL:
- Ein sofortiges und anhaltendes Großaufgebot an humanitärer und technischer UN-Hilfe und medizinischer Versorgung in die betroffenen Gebiete im Nordosten und Nordwesten Syriens.
- Dafür müssen jetzt mehr Grenzübergänge von der Türkei und dem Irak geöffnet werden, die auch dauerhaft passierbar bleiben.
- Die Geberländer, darunter die deutsche Bundesregierung, müssen Hilfslieferungen auch ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats über Grenzübergänge in den Norden Syriens schicken. Hilfe darf nicht über das Assad-Regime, sondern muss über unabhängige Wege in die betroffenen Gebiete gelangen.
- Gleichzeitig muss die Syrien-Hilfe generell von der UN entkoppelt und stattdessen direkt lokale humanitäre Hilfsorganisationen unterstützt werden.
- Verletzte müssen aus Syrien herausgeholt und medizinisch versorgt werden, weil diese vor Ort nicht ausreichend versorgt werden können.
- Es braucht einen humanitären Korridor aus Idlib heraus und Aufnahmeprogramme, um besonders vulnerable Personen aus den Gebieten herausholen zu können.
Ansprechpartner*innen:
Adopt a Revolution: Svenja Borgschulte, presse@adoptrevolution.org, mobil: 063–78 43 912
PRO ASYL: presse@proasyl.de, Tel.: 069–24231430
Adopt a Revolution vermittelt Ihnen gerne Interviews mit und Zitate von Projektpartner*innen aus den betroffenen Regionen.
Über Adopt a Revolution
Adopt a Revolution unterstützt seit Anfang 2012 die Arbeit der syrischen Zivilgesellschaft und vermittelt hierzulande Informationen aus der syrischen Demokratiebewegung. Unter https://adoptrevolution.org/ stellt die Menschenrechtsorganisation aktuelle Entwicklungen aus der syrischen Zivilgesellschaft dar. Zivile Initiativen in Syrien hat Adopt a Revolution bisher mit über zwei Millionen Euro aus Kleinspenden finanziell unterstützt.