05.04.2019

PRO ASYL-Geschäfts­füh­rer Gün­ter Burk­hardt for­dert Bun­des­in­nen­mi­nis­ter See­ho­fer auf, »über sei­nen Schat­ten zu sprin­gen und end­lich aktiv zu wer­den, um das unwür­di­ge Gescha­che­re um die Ret­tung von Men­schen­le­ben im Mit­tel­meer zu been­den«. Deutsch­land müs­se die Initia­ti­ve ergrei­fen, sodass in einem geord­ne­ten Ver­fah­ren Geret­te­te auf­ge­nom­men wer­den, so Burk­hardt wei­ter. Bis­her ver­har­re die deut­sche Regie­rung in einer uner­träg­li­chen Prin­zi­pi­en­rei­te­rei und wol­le mög­lichst alle Boots­flücht­lin­ge in den Erstan­lan­de­staa­ten des Mit­tel­meers belas­sen, um kei­nen Prä­ze­denz­fall schaf­fen, der als Ver­tei­lungs­schlüs­sel zum Modell eines neu­en euro­päi­schen Auf­nah­me­me­cha­nis­mus wer­den könnte.

Die See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on Sea-Eye ist mit ihrem Schiff »Alan Kur­di« unter deut­scher Flag­ge im Mit­tel­meer im Ein­satz. Am ver­gan­ge­nen Mitt­woch ret­te­te die Crew 64 Men­schen aus einem manö­vrier­un­fä­hi­gen Schlauch­boot und befin­det sich seit dem auf der Suche nach einem siche­ren Hafen. Nach­dem Mal­ta bereits die Anlan­dung aus­ge­schla­gen hat, warn­te Ita­li­en davor in ita­lie­ni­sches Hoheits­ge­wäs­ser zu fah­ren. Die von »Sea-Eye« Geret­te­ten gera­ten dadurch unver­meid­bar in eine noch kata­stro­pha­le­re Situa­ti­on. »Wer aus Liby­en flieht, ist trau­ma­ti­siert und nur knapp Fol­ter und Tod ent­ron­nen. Die Men­schen müs­sen sofort an Land«, for­dert Burkhardt.

Der ita­lie­ni­sche Innen­mi­nis­ter Sal­vi­ni füh­re mit sei­ner men­schen­ver­ach­ten­den rechts­ra­di­ka­len Gesin­nung die demo­kra­ti­schen Poli­ti­ke­rIn­nen vor und zie­le auf die Aus­he­be­lung unver­äu­ßer­li­cher Men­schen­rech­te wie des Rechts auf Leben und des Rechts auf Asyl. Es sei zynisch, dass er nun die Soli­da­ri­tät Euro­pas ein­for­dert, kri­ti­siert Burkhardt.

Dies alles ist die mora­li­sche Bank­rott­erklä­rung Euro­pas. See­ho­fer dür­fe sich nicht von Rechts­extre­mis­ten trei­ben las­sen son­dern müs­se als deut­scher Innen­mi­nis­ter end­lich gestal­tend han­deln. »In Deutsch­land und ande­ren EU-Staa­ten gibt es eine auf­nah­me­be­rei­te Zivil­ge­sell­schaft, die sofort umsetz­ba­re Vor­schlä­ge an die Bun­des­kanz­le­rin und die gesam­te Bun­des­re­gie­rung am 3. April her­an­ge­tra­gen hat«, betont Burk­hardt. »Wir sehen alle, was in Liby­en geschieht: Mord, Krieg, Fol­ter, Tot­schlag«. Euro­pa muss han­deln, die Koope­ra­ti­on mit War­lords und der soge­nann­ten liby­schen Küs­ten­wa­che been­den und Flücht­lin­ge retten.

Der Offe­ne Brief, der von mehr als 250 Orga­ni­sa­tio­nen unter­zeich­net wur­de, lautet:

Offe­ner Brief mit drei kon­kre­ten For­de­run­gen aus der Zivilgesellschaft 

Ange­sichts des Ster­bens auf dem Mit­tel­meer und der kata­stro­pha­len Lage in Liby­en wen­den sich mehr als 250 zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen in einem offe­nen Brief an die Bun­des­kanz­le­rin. PRO ASYL, Ärz­te ohne Gren­zen (MSF), Amnes­ty Inter­na­tio­nal, Sea-Watch, See­brü­cke, Dia­ko­nie, Cari­tas, der Pari­tä­ti­sche, Brot für die Welt, der Deut­sche Gewerk­schafts­bund und die vie­len wei­te­ren unter­zeich­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen kri­ti­sie­ren: »Wir sind erschüt­tert ange­sichts der gegen­wär­ti­gen euro­päi­schen Poli­tik, die immer stär­ker auf Abschot­tung und Abschre­ckung setzt – und dabei tau­send­fa­ches Ster­ben bil­li­gend in Kauf nimmt. Die Pflicht zur See­not­ret­tung ist Völ­ker­recht und das Recht auf Leben nicht ver­han­del­bar.«

Eine völ­ker­rechts­ba­sier­te See­not­ret­tung auf dem Mit­tel­meer muss sicher­ge­stellt wer­den. Die EU hat sich ver­pflich­tet, Schutz­su­chen­den Zugang zu einem fai­ren Asyl­ver­fah­ren zu gewäh­ren. Es ist ein Skan­dal, dass zivi­le Helfer*innen kri­mi­na­li­siert wer­den, die der unter­las­se­nen Hil­fe­leis­tung der euro­päi­schen Staa­ten nicht wei­ter zuse­hen wollen.

Das Bünd­nis, dar­un­ter Flüch­t­­lings- und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen, See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen, Wohl­fahrts­ver­bän­de, Kir­chen, Gewerk­schaf­ten und Jugend­ver­bän­de, for­dert eine Neu­aus­rich­tung der deut­schen und euro­päi­schen Politik:

  1. Not­fall­plan für Boots­flücht­lin­ge: Auf­nah­me­be­rei­te Mit­glieds­staa­ten müs­sen in einem geord­ne­ten Ver­fah­ren aus See­not geret­te­te und in EU-Mit­­tel­­meer­an­rai­­ner­­staa­­ten gestran­de­te Schutz­su­chen­de soli­da­risch auf­neh­men. Der Euro­päi­sche Flücht­lings­rat hat dazu einen prak­ti­ka­blen Vor­schlag aus­ge­ar­bei­tet, der im Rah­men des gel­ten­den Euro­pa­rechts sofort zur Anwen­dung kom­men kann.
  2. »Siche­re Häfen« ermög­li­chen: Vie­le deut­sche Städ­te und Kom­mu­nen haben sich bereit­erklärt, Geflüch­te­te auf­zu­neh­men. Für sie muss eine Mög­lich­keit geschaf­fen wer­den, frei­wil­lig zusätz­li­che Schutz­su­chen­de aufzunehmen.
  3. Kei­ne Rück­füh­rung nach Liby­en: Nach Liby­en zurück­ge­brach­te Flücht­lin­ge sind sys­te­ma­tisch Fol­ter, Ver­skla­vung und Gewalt aus­ge­setzt. Jede Unter­stüt­zung und Aus­bil­dung der soge­nann­ten liby­schen Küs­ten­wa­che muss ein­ge­stellt wer­den. Die EU und Deutsch­land müs­sen das Non-Refou­­le­­ment-Gebot als zwin­gen­des Völ­ker­recht ach­ten und umsetzen.

Die aktu­el­le Poli­tik muss been­det wer­den, denn sie bedroht nicht nur das Leben von Men­schen, sie setzt auch unse­re eige­ne Huma­ni­tät und unse­re Wer­te aufs Spiel.

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