07.06.2022

PRO ASYL begrüßt es, dass Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser einen Gesetz­ent­wurf zum Chan­cen-Auf­ent­halts­recht vor­ge­legt hat. Es steht aller­dings zu befürch­ten, dass weni­ger gedul­de­te Men­schen in Deutsch­land davon pro­fi­tie­ren, als es der Koali­ti­ons­ver­trag vorsieht.

End­lich sol­len Gedul­de­te, die jah­re­lang  Angst vor einer Abschie­bung hat­ten, die Chan­ce auf ein dau­er­haf­tes Blei­be­recht erhal­ten. Das betrifft sehr vie­le Män­ner, Frau­en und Jugend­li­che: Über 200.000 Men­schen leben in Deutsch­land mit einer pre­kä­ren Dul­dung, haben damit kei­ne fes­te Per­spek­ti­ve und kön­nen in vie­len Fäl­len jeder­zeit abge­scho­ben wer­den. Cir­ca 100.000 von ihnen sind bereits seit fünf Jah­ren oder län­ger in Deutsch­land und könn­ten somit vom geplan­ten Chan­cen-Auf­ent­halts­recht pro­fi­tie­ren. Die­ses könn­te für sie eine halt­ge­ben­de Brü­cke sein, über die sie in ein gesi­cher­tes Blei­be­recht kommen.

Doch Pres­se­be­rich­te las­sen  nun befürch­ten, dass im Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um bei der Aus­ar­bei­tung der Geset­zes­grund­la­ge so restrik­tiv vor­ge­gan­gen wird, dass die Mög­lich­keit, mit dem Chan­cen-Auf­ent­halts­recht einer signi­fi­kan­ten Anzahl von Men­schen aus der Dul­dung zu hel­fen, gefähr­det wird. PRO ASYL kri­ti­siert, dass Men­schen, denen vor­ge­wor­fen wird, fal­sche Anga­ben zu ihrer Iden­ti­tät gemacht zu haben, laut Refe­ren­ten­ent­wurf aus dem BMI vom Chan­cen-Auf­ent­halts­recht aus­ge­nom­men sein könnten.

„Aus der Pra­xis krie­gen wir regel­mä­ßig mit, wie schwie­rig sich Iden­ti­täts­klä­rung und Pass­be­schaf­fung für vie­le Geflüch­te­te gestal­ten. Es ist des­halb wich­tig, dass dies beim Chan­cen-Auf­ent­halts­recht – das ja noch kein tat­säch­li­ches Blei­be­recht dar­stellt – nicht zur Vor­aus­set­zung gemacht wird. Der Koali­ti­ons­ver­trag sieht kon­kre­te Vor­aus­set­zun­gen für das Chan­cen-Auf­ent­halts­recht vor, von einem Aus­schluss wegen angeb­li­cher Täu­schung bei Iden­ti­tät oder Staats­an­ge­hö­rig­keit ist dort aber nicht die Rede“, erklärt Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Refe­ren­tin von PRO ASYL. „Es wäre fatal, wenn nun das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um nach­träg­lich Vor­aus­set­zun­gen ein­führt, die ers­tens die Umset­zung ver­kom­pli­zie­ren und zwei­tens Tür und Tor öff­nen für eine beson­ders restrik­ti­ve Hand­ha­bung durch die Aus­län­der­be­hör­den. Hin­zu kommt: Je mehr Kri­te­ri­en geprüft wer­den müs­sen, des­to höher ist der büro­kra­ti­sche Auf­wand. Dabei sind die Aus­län­der­be­hör­den jetzt schon über­las­tet mit der Regis­trie­rung von Geflüch­te­ten aus der Ukrai­ne“, so Judith.

Laut Koali­ti­ons­ver­trag gibt es nur drei Vor­aus­set­zun­gen für das Chancen-Aufenthaltsrecht:

»Der bis­he­ri­gen Pra­xis der Ket­ten­dul­dun­gen set­zen wir ein Chan­cen-Auf­ent­halts­recht ent­ge­gen:  Men­schen, die am 1. Janu­ar 2022 seit fünf Jah­ren in Deutsch­land leben, nicht straf­fäl­lig gewor­den sind und sich zur frei­heit­li­chen demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung beken­nen, sol­len eine ein­jäh­ri­ge Auf­ent­halts­er­laub­nis auf Pro­be erhal­ten kön­nen, um in die­ser Zeit die übri­gen Vor­aus­set­zun­gen für ein Blei­be­recht zu erfül­len (ins­be­son­de­re Lebens­un­ter­halts­si­che­rung und Iden­ti­täts­nach­weis gemäß §§ 25 a und b Auf­enthG).« [Unter­stri­che hinzugefügt]

PRO ASYL for­dert eine zügi­ge Umset­zung der im Koali­ti­ons­ver­trag beschlos­se­nen Ver­bes­se­run­gen für gedul­de­te Men­schen. Dazu gehört vor allem auch ein Stopp der Abschie­bun­gen von Men­schen, die unter die im Koali­ti­ons­ver­trag vor­ge­se­he­nen Blei­be­rechts­re­ge­lun­gen fallen.

 

 

 

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