29.01.2025

Mit zwei Anträ­gen und zwei Gesetz­ent­wür­fen ver­sucht der Uni­ons-Kanz­ler­kan­di­dat Fried­rich Merz in die­ser Woche den Bun­des­tag dazu zu bewe­gen, ein rechts­wid­ri­ges Asyl- und Migra­ti­ons­pa­ket zu ver­ab­schie­den. Um eine Art „Fes­tung Deutsch­land“ zu errich­ten, nimmt er die Unter­stüt­zung von Rechts­extre­men als Mehr­heits­be­schaf­fer in Kauf. Die soge­nann­te Brand­mau­er droht zu zerbröseln.

Angriff auf Rechts­staat und Menschenrechte

„Merz und die Uni­on schei­nen bereit zu sein, die Fun­da­men­te Deutsch­lands und der EU zur Dis­po­si­ti­on zu stel­len: das Grund­ge­setz, die EU-Char­ta der Grund­rech­te, das Uni­ons­recht und die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on. In einem Rechts­staat kön­nen die­se nicht – wie in Trump­scher Manier – am ers­ten Tag einer Regie­rungs­über­nah­me außer Kraft gesetzt wer­den“, warnt Karl Kopp, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

Fried­rich Merz gefähr­det mit sei­nem migra­ti­ons­po­li­ti­schen „All-in“ nach der schreck­li­chen Tat von Aschaf­fen­burg nicht nur die soge­nann­te Brand­mau­er. Der Inhalt und die Art der poli­ti­schen Wei­chen­stel­lun­gen von CDU und CSU dro­hen, den Weg in eine ande­re Repu­blik zu ebnen.

Das gefähr­li­che Kal­kül der CDU/CSU

Die mar­tia­li­sche Ankün­di­gung von Fried­rich Merz, am ers­ten Tag sei­ner Kanz­ler­schaft einen „fak­ti­schen Ein­rei­se­stopp“ zu ver­hän­gen und Zurück­wei­sun­gen von Schutz­su­chen­den an sämt­li­chen Bin­nen­gren­zen durch­zu­set­zen, ist alar­mie­rend. Das gefähr­li­che Kal­kül: „Die Uni­on zer­legt die Schen­gen-Frei­zü­gig­keit, schiebt Grund­ge­setz, Völ­ker- und Uni­ons­recht zur Sei­te – und will damit einen Domi­no­ef­fekt erzie­len: Alle ande­ren Mit­glied­staa­ten sol­len gezwun­gen wer­den, die glei­chen rechts­wid­ri­gen Maß­nah­men zu ergrei­fen – bis hin zu den EU-Außen­gren­zen. Und die CDU/CSU nimmt dabei das Leid der Geflüch­te­ten, die sie an den Gren­zen zurück­sto­ßen will, bewusst in Kauf – auch das Leid von Kin­dern mit ihren Fami­li­en“, kri­ti­siert Kopp. Die damit ver­bun­de­nen häss­li­chen Bil­der sind nicht uner­wünsch­te Neben­wir­kun­gen, son­dern kal­ku­lier­te Botschaften.

Mit die­sem rein natio­na­lis­ti­schen Ansatz des mäch­tigs­ten EU-Mit­glied­staats droht das euro­päi­sche Asyl­sys­tem end­gül­tig zusam­men­zu­bre­chen. „Die einst als Euro­pa­par­tei geach­te­te CDU ist unter der Füh­rung von Merz bereit, das euro­päi­sche Pro­jekt nach­hal­tig zu beschä­di­gen“, betont Kopp.

Angeb­li­che Not­la­ge als Vorwand

Die CDU/CSU behaup­tet, Zurück­wei­sun­gen sei­en längst gän­gi­ge Pra­xis in der EU – etwa in Ita­li­en und Grie­chen­land. Nur Deutsch­land sei der „Geis­ter­fah­rer“ (Thors­ten Frei, par­la­men­ta­ri­scher Geschäfts­füh­rer der CDU/C­SU-Bun­des­tags­frak­ti­on). Zudem beruft sich die Uni­on auf eine angeb­li­che Not­la­ge gemäß Arti­kel 72 des Ver­trags über die Arbeits­wei­se der Euro­päi­schen Uni­on (AEUV), der unter „außer­ge­wöhn­li­chen Umstän­den“ natio­na­le Maß­nah­men erlaubt.

Doch die Wahr­schein­lich­keit, dass der Euro­päi­sche Gerichts­hof (EuGH) eine sol­che Not­la­ge aner­kennt, gilt als äußerst gering. Die­se juris­ti­sche Nie­der­la­ge nimmt die Uni­on offen­bar in Kauf, um zunächst har­te Fak­ten zu schaf­fen. Unter der Füh­rung von Fried­rich Merz wür­den dem bereits gras­sie­ren­den Rechts­bruch in der EU end­gül­tig Tür und Tor geöffnet.

Die zen­tra­len Vor­schlä­ge der CDU/CSU im Überblick

Dau­er­haf­te Grenzkontrollen

Das Rei­sen ohne Grenz­kon­trol­len ist eine der größ­ten Errun­gen­schaf­ten der EU. Ent­spre­chend begrenzt sind die Mög­lich­kei­ten, rechts­kon­form Bin­nen­grenz­kon­trol­len ein­zu­füh­ren. Der Schen­ge­ner Grenz­ko­dex sieht nur in abso­lu­ten Aus­nah­me­fäl­len und als letz­te Hand­lungs­op­ti­on vor, dass bei kon­kre­ten Gefah­ren vor­über­ge­hend Bin­nen­grenz­kon­trol­len ange­ord­net wer­den kön­nen. Unbe­fris­te­te und dau­er­haf­te Grenz­kon­trol­len sind also europarechtswidrig.

Hin­zu kommt, dass Grenz­kon­trol­len inner­halb der EU immer auch poli­tisch bri­sant sind. Bereits die von der Ampel-Regie­rung kurz­fris­tig an allen Bin­nen­gren­zen ein­ge­führ­ten Kon­trol­len führ­ten zu erheb­li­chen Irri­ta­tio­nen bei den Regie­run­gen der Nachbarländer.

Zurück­wei­sun­gen an deut­schen Binnengrenzen

Merz kün­digt an, am ers­ten Tag sei­nes Amts­an­tritts einen fak­ti­schen Ein­rei­se­stopp zu erlas­sen und schutz­su­chen­de Men­schen an den deut­schen Gren­zen abzu­wei­sen. Das sind soge­nann­te Push­backs, die gegen euro­päi­sches und inter­na­tio­na­les Recht verstoßen.

Gel­ten­des Recht besagt: Wenn ein Asyl­su­chen­der einen Asyl­an­trag an der deut­schen Gren­ze stellt, muss geprüft wer­den, ob er gefähr­det wird, wenn er in einen Dritt­staat oder in das Her­kunfts­land zurück­ge­schickt wird. Auch in Län­dern der EU gibt es immer wie­der men­schen­rechts­wid­ri­ge Zustän­de, die Rück­füh­run­gen dort­hin ver­bie­ten. Das EU-Recht gibt mit der Dub­lin-III-Ver­ord­nung zudem einen ein­deu­ti­gen Ver­fah­rens­weg vor, der beschrit­ten wer­den muss, wenn Asyl­su­chen­de in einen ande­ren EU-Mit­glied­staat gebracht wer­den sollen.

Inhaf­tie­rung aller aus­rei­se­pflich­ti­gen Personen
Zuneh­mend wer­den in der Rhe­to­rik der CDU/CSU alle aus­rei­se­pflich­ti­gen Per­so­nen zu einer Gefahr sti­li­siert, ganz nach dem Vor­bild von Donald Trump, der aus­schließ­lich von „cri­mi­nal ali­ens“ spricht, um so Angst zu schü­ren. Mit der For­de­rung, alle „voll­zieh­bar aus­rei­se­pflich­ti­gen“ Per­so­nen inhaf­tie­ren zu wol­len, ist die CDU/CSU mit jeder Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on im Kon­flikt, da die Inhaf­tie­rung von Men­schen zur Flucht- und Migra­ti­ons­kon­trol­le stets nur als letz­tes Mit­tel ange­wen­det wer­den darf. Sie haben kei­ne Straf­tat began­gen, für die sie in Haft müss­ten. Eine sol­che Maß­nah­me wür­de Tau­sen­de Men­schen tref­fen. Auch das deut­sche Grund­ge­setz setzt jeder Inhaf­tie­rung enge Grenzen.

Haft­an­trä­ge durch die Bundespolizei 

Die CDU/CSU for­dert, dass die Bun­des­po­li­zei selbst­stän­dig Haft­an­trä­ge stel­len darf, wenn sie aus­rei­se­pflich­ti­ge Per­so­nen kon­trol­liert hat. In der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land sind poli­zei­li­che und staats­an­walt­schaft­li­che Befug­nis­se jedoch klar gere­gelt und getrennt, ins­be­son­de­re bei Ein­grif­fen in die per­sön­li­che Frei­heit. Die­se kla­re Tren­nung ist eine Leh­re aus dem Natio­nal­so­zia­lis­mus. In Deutsch­land kann kei­ne ein­zi­ge Poli­zei­be­hör­de einen Haft­be­fehl bean­tra­gen. Die Staats­an­walt­schaf­ten sind „Her­rin des Ver­fah­rens“. Des­we­gen liegt aus­schließ­lich bei ihnen das Recht, Haft­an­trä­ge bei Gericht zu stel­len. Die­ses Sys­tem der Gewal­ten­tei­lung und Über­prü­fung ist ein Grund­pfei­ler unse­res funk­tio­nie­ren­den Rechts­staats und darf nicht auf­ge­weicht werden.

Aus dem Gesetz­ent­wurf des soge­nann­ten Zustrom­be­gren­zungs­ge­set­zes

Abschaf­fung der Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung für sub­si­di­är Schutzberechtigte
Eine Abschaf­fung der Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung für sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­te ver­stößt gegen inter­na­tio­na­le, euro­päi­sche und deut­sche Rechts­nor­men. Die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (Arti­kel 8) garan­tiert das Recht auf Ach­tung des Fami­li­en­le­bens. Ein gene­rel­les Ver­bot wür­de die­ses Recht ver­let­zen. Die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on (Arti­kel 10) ver­pflich­tet Staa­ten, Anträ­ge auf Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung human und beschleu­nigt zu behan­deln. Ein Ver­bot wür­de dem Kin­des­wohl wider­spre­chen. Auch das Grund­ge­setz (Arti­kel 6: Schutz von Ehe und Fami­lie, sowie Arti­kel 1: Men­schen­wür­de) wür­de durch einen völ­li­gen Aus­schluss verletzt.

Ein Stopp des Fami­li­en­nach­zugs hät­te zudem gra­vie­ren­de sozia­le Fol­gen für Geflüch­te­te, die sich sowohl auf ihre per­sön­li­che Situa­ti­on als auch auf ihre Inte­gra­ti­on in die Gesell­schaft auswirken.

Appell

PRO ASYL ist bestürzt über das Vor­ge­hen von CDU und CSU, die ver­fas­sungs- und men­schen­recht­li­chen Grund­la­gen in Deutsch­land und der Euro­päi­schen Uni­on zur Dis­po­si­ti­on stel­len. Wir appel­lie­ren an alle demo­kra­ti­schen Par­tei­en, ins­be­son­de­re an die bis­lang schwei­gen­den Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter der CDU und CSU: Set­zen Sie ein kla­res Zei­chen für gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt, Rechts­staat­lich­keit, Demo­kra­tie und Menschenrechte.

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