01.08.2011

PRO ASYL kri­ti­siert die Aus­künf­te in der Beant­wor­tung einer par­la­men­ta­ri­schen Anfra­ge als irre­füh­rend: Wei­ter­hin kein men­schen­wür­di­ges Asylsystem.

Die Bun­des­re­gie­rung hat am 15. Juli 2011 eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge der Bun­des­tags­frak­ti­on DIE LINKE zur men­schen­recht­li­chen und sozia­len Situa­ti­on von Flücht­lin­gen in Grie­chen­land beant­wor­tet. PRO ASYL kri­ti­siert einen Groß­teil der Ant­wor­ten als irre­füh­rend. Soweit die Bun­des­re­gie­rung sich auf Anga­ben der grie­chi­schen Regie­rung bezieht, bele­gen ande­re offi­zi­el­le Quel­len, dass von einem auch nur halb­wegs exis­tie­ren­den Asyl­sys­tem in Grie­chen­land nicht gespro­chen wer­den kann. Die Bun­des­re­gie­rung ver­sucht mit einer beschö­ni­gen­den Dar­stel­lung der Lage den Weg frei zu machen, um Anfang nächs­ten Jah­res Asyl­su­chen­de wie­der in das grie­chi­sche Asyl­cha­os zurückzuschieben.

Die Bun­des­re­gie­rung behaup­tet in ihrer Anfra­ge­be­ant­wor­tung, die Lage habe sich erst in den letz­ten Mona­ten zum Posi­ti­ven ver­än­dert. Inzwi­schen arbei­te­ten mehr Asyl­kom­mis­sio­nen par­al­lel als bis­her. Dadurch sin­ke die durch­schnitt­li­che Bear­bei­tungs­zeit für einen Antrag.

Dem ist ent­ge­gen­zu­hal­ten: Bis Mai 2011 wur­den etwa 400 von über 47.000 Alt­fäl­len bear­bei­tet. Man kann sich aus­rech­nen, wie vie­le Jah­re allein die Bear­bei­tung der Alt­fäl­le in Anspruch neh­men wird, selbst wenn sich die­ses Tem­po noch ein wenig beschleu­nigt. Gleich­zei­tig ist die Situa­ti­on in Bezug auf Erst­an­trä­ge von neu ankom­men­den Asyl­su­chen­den nicht bes­ser gewor­den. Die Situa­ti­on vor der zen­tral zustän­di­gen Athe­ner Aus­län­der­be­hör­de ist kata­stro­phal wie eh und je. Im Febru­ar und März wur­de die Annah­me neu­er Anträ­ge für meh­re­re Wochen ganz ein­ge­stellt, weil die Behör­de kei­nen Toner für ihre Dru­cker hatte.

Da trös­tet es nicht, dass die pro­zen­tua­le Aner­ken­nungs­quo­te – bei einer sehr nied­ri­gen Zahl von Ent­schei­dun­gen – nach Anga­ben der Bun­des­re­gie­rung inzwi­schen gestie­gen sein soll und bei 30 % liege.

Auch auf die sozia­le Situa­ti­on von Asyl­su­chen­den, die in Grie­chen­land nach wie vor über­wie­gend auf der Stra­ße und in der durch die Nicht­an­nah­me von Asyl­an­trä­gen ver­ur­sach­ten Ille­ga­li­tät leben, geht die Bun­des­re­gie­rung nicht ein. Statt­des­sen ver­traut man auf Anga­ben der grie­chi­schen Regie­rung, die dabei sei, neue Auf­nah­me­ka­pa­zi­tä­ten zu schaf­fen. Die exis­tie­ren fast aus­nahms­los nur auf dem Papier. Was von grie­chi­schen Absichts­er­klä­run­gen die­ser Art zu hal­ten ist, hat das UN-Komi­tee zur Ver­hin­de­rung von Fol­ter und inhu­ma­ner oder ernied­ri­gen­der Behand­lung oder Stra­fe (CPT) in einem „Public state­ment con­cer­ning Greece“ vom 15. März 2011 erklärt. Emp­feh­lun­gen, die Situa­ti­on zu ver­bes­sern, wür­den igno­riert. Man habe CPT z.B. von Sei­ten der grie­chi­schen Behör­den in einem Brief vom 23. Novem­ber 2009 infor­miert, dass die Admi­nis­tra­tiv­haft für irre­gu­lä­re Migran­ten in Poli­zei- und Grenz­schutz­sta­tio­nen been­det und statt­des­sen spe­zi­el­le Haft­ein­rich­tun­gen geschaf­fen wür­den. Beim jüngs­ten Besuch von CPT in Grie­chen­land im Janu­ar 2011 habe sich jedoch her­aus­ge­stellt: „Poli­zei- und Grenz­schutz­sta­tio­nen sind wei­ter­hin mit noch grö­ße­ren Zah­len irre­gu­lä­rer Migran­ten unter sogar noch schlim­me­ren Bedin­gun­gen belegt.“ Igno­riert wer­de auch die Recht­spre­chung des Euro­päi­schen Gerichts­ho­fes für Men­schen­rech­te, der die Unter­brin­gungs­be­din­gun­gen in Grie­chen­land als Ver­stoß gegen Art. 3 der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on bezeich­net hatte.

Ein ver­hee­ren­des Zeug­nis stellt der grie­chi­schen Regie­rung auch die Euro­päi­sche Grund­rech­te­agen­tur in einem Bericht aus, der auf einem Besuch vor Ort im Januar/Februar 2011 basiert. Im Dezem­ber 2009, so heißt es dort, habe die EU Grie­chen­land 9,8 Mil­lio­nen Euro Not­hil­fe aus dem Euro­päi­schen Flücht­lings­fonds gewährt. Geschaf­fen wer­den soll­ten dadurch ver­bes­ser­te Ver­hält­nis­se im Bereich Gesund­heits­ver­sor­gung, Nah­rung und sozia­le Betreu­ung sowie beim Neu­bau von Unter­brin­gungs­zen­tren. Beim Besuch der Grund­rech­te­agen­tur habe man jedoch kei­nen Beleg dafür fin­den kön­nen, dass die För­der­mit­tel ver­wen­det wor­den sei­en, um die gegen­wär­ti­ge Situa­ti­on an der Evros-Gren­ze (wo beson­ders vie­le Men­schen unter üblen Bedin­gun­gen inhaf­tiert sind) zu ver­bes­sern. Die Grund­rech­te­agen­tur stellt ein weit­ge­hen­des Ver­sa­gen Grie­chen­lands fest. Es gebe bis­lang kei­ne Alter­na­ti­ve zur fort­dau­ern­den Inhaf­tie­rung von Menschen.

Die grie­chi­sche Regie­rung ver­schwen­det also nicht viel Ener­gie auf die Kon­struk­ti­on Potem­kin­scher Dör­fer. Die Män­gel und die dar­aus resul­tie­ren­den Men­schen­rechts­ver­stö­ße sind mit Hän­den zu grei­fen. Die Bun­des­re­gie­rung soll­te des­halb nicht wei­ter ver­su­chen, aus den losen Plan­ken grie­chi­scher Des­in­for­ma­ti­ons­po­li­tik die Behaup­tung zu zim­mern, es gebe ein men­schen­wür­di­ges grie­chi­sches Asylsystem.

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