28.07.2021

Der deut­sche Son­der­be­auf­trag­te für Afgha­ni­stan soll das afgha­ni­sche Minis­te­ri­um auf­ge­for­dert haben, Abge­scho­be­ne zurück­zu­neh­men – ent­ge­gen dem Wil­len der afgha­ni­schen Sei­te. Das zeigt, eben­so wie der neue Lage­be­richt des Aus­wär­ti­gen Amts, dass der Bun­des­re­gie­rung die Sicher­heit der Afgha­nen egal ist.

Trotz der eska­lie­ren­den Lage am Hin­du­kusch und dem Vor­rü­cken der Tali­ban hat die Bun­des­re­gie­rung die afgha­ni­sche Regie­rung offen­bar erneut unter Druck gesetzt, abge­scho­be­ne Afgha­nen wei­ter­hin auf­zu­neh­men. Jas­per Wieck, seit Juli 2021 Son­der­be­auf­trag­ter für Afgha­ni­stan und Paki­stan, ist am 27. Juli im afgha­ni­schen Minis­te­ri­um für Flücht­lin­ge und Rück­füh­rung gewe­sen. PRO ASYL lie­gen Hin­wei­se vor, dass er dort Druck auf die afgha­ni­sche Sei­te aus­ge­übt hat, die für August ter­mi­nier­te Abschie­bung nicht zu ver­hin­dern, son­dern die­je­ni­gen Afgha­nen, die Deutsch­land abschie­ben will, aufzunehmen.

„Eine sol­che Hal­tung zeugt ent­we­der von einer völ­li­gen Fehl­ein­schät­zung der Lage vor Ort oder davon, dass Deutsch­land bewusst in Kauf nimmt, abge­scho­be­ne Men­schen in Lebens­ge­fahr zu brin­gen“, kri­ti­siert Peter von Auer, Rechts­exper­te und Afgha­ni­stan-Spe­zia­list bei PRO ASYL. Denn die afgha­ni­sche Regie­rung habe klar gemacht, dass sie abge­scho­be­ne Rück­keh­rer der­zeit nicht schüt­zen kön­ne. Wel­chen Gefah­ren die­se aus­ge­setzt sind, zeigt auch eine Stu­die der Sozi­al­wis­sen­schaft­le­rin Frie­de­ri­ke Stahlmann.

Deut­sche Sor­gen mit Blick auf die Bundestagswahl

Laut Quel­len vor Ort geht Öster­reich noch wei­ter und droht sogar mit der Schlie­ßung der Bot­schaft, soll­ten die geplan­ten Abschie­bun­gen von Afgha­ni­stan nicht akzep­tiert wer­den. Dem Euro­päi­schen Flücht­lings­rat ECRE zufol­ge hat Schwe­den die Auf­for­de­rung Afgha­ni­stans, der­zeit kei­ne Men­schen mehr dort­hin abzu­schie­ben, akzep­tiert. Auch Finn­land und Nor­we­gen haben ver­kün­det, Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan auszusetzen.

Der deut­sche Ver­tre­ter hin­ge­gen habe auf den öffent­li­chen Druck und die in Deutsch­land anste­hen­den Wah­len ver­wie­sen, erfuhr PRO ASYL dank Kon­tak­ten vor Ort. „Es ist absurd zu sehen, wie Deutsch­land mit dem Leben von Afgha­nen spielt, um bei den Wah­len im eige­nen Land zu punk­ten“, sagt eine Kon­takt­per­son von PRO ASYL in Kabul, die aus Sicher­heits­grün­den anonym blei­ben möchte.

Jas­per Wieck und das Aus­wär­ti­ge Amt haben am Diens­tag nicht auf die Anfra­ge von PRO ASYL reagiert. Ste­ve Alter, Spre­cher des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums, hat­te aller­dings auf der Regie­rungs­pres­se­kon­fe­renz am 26. Juli die Posi­ti­on deut­lich gemacht, „dass uns dar­an gele­gen ist, bestimm­te Per­so­nen, also etwa Straf­tä­ter, wei­ter­hin nach Afgha­ni­stan abzu­schie­ben. Die Lage, wie sie sich uns dar­stellt, erlaubt das auch. Man muss Abschie­bun­gen aus unse­rer Sicht nicht gänz­lich, und in jedem Fall pau­schal ein­stel­len. Die afgha­ni­sche Regie­rung hat nun genau das von uns ver­langt, dar­über fin­den Gesprä­che statt, und die dau­ern an.“

Die nächs­te Abschie­bung nach Kabul ist für den 10. August geplant. PRO ASYL for­dert das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um sowie die Bun­des­län­der auf, die Abschie­bun­gen auf­grund der vola­ti­len Sicher­heits­la­ge unver­züg­lich auszusetzen.

Ver­al­te­ter Lage­be­richt des Aus­wär­ti­gen Amts

„Mit Blick auf Afgha­ni­stan unter­läuft der Bun­des­re­gie­rung eine Pein­lich­keit nach der ande­ren: Zuerst wer­den die Orts­kräf­te scham­los im Stich gelas­sen, dann ver­öf­fent­licht das Aus­wär­ti­ge Amt einen neu­en Lage­be­richt, der aber auf alten Zah­len, Daten und Fak­ten beruht und die aktu­el­le Situa­ti­on über­haupt nicht berück­sich­tigt, und nun wird die afgha­ni­sche Regie­rung von der Bun­des­re­gie­rung anschei­nend unter Druck gesetzt. Eine wer­te­ge­lei­te­te Außen­po­li­tik und Part­ner­schaft auf Augen­hö­he sehen anders aus“, kom­men­tiert Peter von Auer. Sei­ne Ein­schät­zung des aktu­el­len Lage­be­richts des Aus­wär­ti­gen Amtes, der schon bei Erschei­nen ver­al­tet war, fin­det sich hier.

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