04.06.2012

Ein Jahr nach dem Start der Kam­pa­gne „Jetzt erst Recht(e) für Flücht­lings­kin­der!“ zie­hen Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter der betei­lig­ten Orga­ni­sa­tio­nen eine Zwi­schen­bi­lanz. Die­se ist ernüch­ternd: Auch zwei Jah­re nach der Rück­nah­me der Vor­be­hal­te zur UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on durch die Bun­des­re­gie­rung im Mai 2010 wer­den die Rech­te von jun­gen Flücht­lin­gen von Behör­den sys­te­ma­tisch igno­riert. Die Bun­des­re­gie­rung sieht kei­ner­lei Handlungsbedarf.

Beson­ders ekla­tant ist die Ver­wei­ge­rung von Rech­ten im Auf­ent­halts­recht und im Sozi­al­recht. Dabei gilt die Kon­ven­ti­on spä­tes­tens seit der Vor­be­halts­rück­nah­me unstrit­tig für alle in Deutsch­land leben­den Kin­der und zwar unab­hän­gig von ihrer Staats­an­ge­hö­rig­keit und ihrem Auf­ent­halts­sta­tus. Nach Arti­kel 3 der Kon­ven­ti­on müs­sen die Rech­te und das Wohl in der Bun­des­re­pu­blik immer mit Vor­rang beach­tet wer­den. Das gilt ohne Abstri­che auch für Flücht­lings­kin­der. „Kin­der­rech­te sind die Rech­te aller Kin­der, auch die der Kin­der auf der Flucht“, so Prof. Dr. Lothar Krapp­mann, Schirm­herr der Kam­pa­gne. „Sie sind die wehr­lo­ses­ten Opfer von Krieg, Gewalt und Unter­drü­ckung und des­halb in beson­de­rem Maße auf Hil­fe und Für­sor­ge ange­wie­sen. Aber gera­de hier ver­letzt der Staat sei­ne beson­de­re Schutzpflicht.“ 

Nach dem Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu den Hartz-IV-Regel­sät­zen vom Febru­ar 2010 räum­te die Bun­des­re­gie­rung ein, dass das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz, dem vie­le Flücht­lings­kin­der unter­lie­gen, nicht den ver­fas­sungs­ge­mä­ßen Ansprü­chen genügt. Den­noch hat sie in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren weder dafür gesorgt, dass das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz in ver­fas­sungs­kon­for­mer Wei­se novel­liert wird, noch hat sie die sozia­len Leis­tun­gen den Vor­ga­ben der UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on wie dem Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot angepasst.

Ein 6‑jähriges Kind bekommt im Hartz-IV-Bezug 251 Euro monat­lich, ein gleich­alt­ri­ges Flücht­lings­kind muss mit 132 Euro mit fast der Hälf­te aus­kom­men. Das sind 4,40 Euro pro Tag für Nah­rung, Klei­dung, Hygie­ne, Bil­dung etc.: „Die ekla­tan­te Unter­schrei­tung des Exis­tenz­mi­ni­mums bei Flücht­lings­kin­dern durch das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz ver­letzt das Grund­ge­setz und gel­ten­des Völ­ker­recht. Sie gefähr­det mas­siv das Wohl und eine gesun­de Ent­wick­lung des Kin­des. Wenn hier­zu­lan­de Eltern ihren Kin­dern die Hälf­te ihres Hartz IV-Sat­zes vor­ent­hal­ten wür­den, wie der Staat es bei den Flücht­lings­kin­dern tut, wäre die öffent­li­che Empö­rung groß“, sag­te Dr. Sabi­ne Skut­ta, Spre­che­rin der Natio­nal Coali­ti­on für die Umset­zung der UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on in Deutschland.

„Seit der Rück­nah­me der Vor­be­hal­te hat die Regie­rung wert­vol­le Zeit ver­strei­chen las­sen, ohne das deut­sche Aus­län­der- und Asyl­recht an die zen­tra­len Bestim­mun­gen der UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on anzu­pas­sen“ erklär­te Albert Rie­dels­hei­mer, PRO ASYL. „Nach wie vor besteht drin­gen­der gesetz­li­cher Hand­lungs­be­darf, damit auch alle in Deutsch­land leben­den Flücht­lings­kin­der ihre Rech­te gel­tend machen können.“

Ins­be­son­de­re for­dern die in der Kam­pa­gne ver­tre­te­nen Verbände:

- Das Kin­des­wohl muss als vor­ran­gig zu berück­sich­ti­gen­des Prin­zip im Asyl- und Auf­ent­halts­recht ver­an­kert werden.

- Die Ver­fah­rens­mün­dig­keit muss auf 18 Jah­re her­auf­ge­setzt werden.

- Die Man­gel­ver­sor­gung nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz muss been­det werden.

- Abschie­bun­gen von Min­der­jäh­ri­gen in ande­re EU-Staa­ten müs­sen unter­blei­ben (Dub­lin-Ver­fah­ren).

- Abschie­bungs­haft für Min­der­jäh­ri­ge muss ver­bo­ten werden.

Ziel der Kam­pa­gne ist es, alle in der UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on garan­tier­ten Rech­te auch für die Flücht­lings­kin­der in Deutsch­land zu rea­li­sie­ren. Die in der Kam­pa­gne ver­tre­ten­den Ver­bän­de wer­den wei­ter­hin dafür strei­ten, dass die Rech­te aller Kin­der, die in Deutsch­land leben, respek­tiert, geschützt und ver­wirk­licht werden.

 Welt­kin­der­tag 2012 – EU will Abschie­bungs­haft für Flücht­lings­kin­der (20.09.12)

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