03.03.2017

PRO ASYL und Euro­Med Rights appel­lie­ren an Bun­des­re­gie­rung, Flücht­lings­schutz nicht wei­ter auszulagern!

Nach ihrem Besuch in Ägyp­ten trifft Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel am heu­ti­gen Frei­tag In Tunis den tune­si­schen Prä­si­dent Beji Caid Esseb­si und den Minis­ter­prä­si­den­ten Yous­sef Cha­hed. Die Koope­ra­ti­on zu Migra­ti­ons- und Sicher­heits­fra­gen steht oben auf der Agenda.

Bereits im Vor­feld eines Tref­fens mit dem tune­si­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Cha­hed am 14. Febru­ar 2016 hat­te Ange­la Mer­kel ange­kün­digt, man wol­le auch über mög­li­che »Auf­fang­la­ger« in Tune­si­en spre­chen. Nach Kri­tik, die auch von der tune­si­schen Regie­rung geäu­ßert wur­de, ruder­te sie zurück. Die wei­ter­hin viru­len­te Debat­te um »Lager in Nord­afri­ka« lässt befürch­ten, dass wei­ter­hin auf die nord­afri­ka­ni­schen Staa­ten Druck aus­ge­übt wird – mit ver­hee­ren­den Fol­gen für den Flüchtlingsschutz.

Hin­wei­se auf die gefähr­li­che Stoß­rich­tung der aktu­ell ver­folg­ten Plä­ne bie­tet eine Mit­te Febru­ar gele­ak­te deutsch-fran­zö­si­sche Note. Nach dem Vor­bild des EU-Tür­kei-Deals sol­len Schutz­su­chen­de in Nicht-EU-Staa­ten zurück­ge­scho­ben wer­den, ohne inhalt­li­che Prü­fung ihrer Asyl­grün­de. Die recht­li­chen Garan­tien, Schutz­su­chen­de in Dritt­staa­ten abzu­schie­ben, sol­len im Fal­le eines »Mas­sen­zu­stroms« voll­kom­men her­ab­ge­stuft wer­den. Ein Kri­sen-Mecha­nis­mus soll Mit­glied­staa­ten ermög­li­chen, Staa­ten als »siche­re Dritt­staa­ten« zu erach­ten, wenn in bestimm­ten Regio­nen eines Staa­tes fol­gen­de Mini­mal­be­din­gun­gen als erfüllt gel­ten: Respekt des Non-Refou­le­ment-Prin­zips und Gewäh­rung »siche­rer und huma­ner Lebens­be­din­gun­gen« für Asyl­su­chen­de, »die min­des­tens die in Arti­kel 3 der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on fest­ge­leg­ten Stan­dards erfül­len« – das Ver­bot von Fol­ter und unmensch­li­cher Behand­lung. Die­ses Kri­te­ri­um mit siche­ren und men­schen­wür­di­gen Lebens­be­din­gun­gen gleich­zu­set­zen ist blan­ker Zynis­mus. Wei­te­re Rechts­ga­ran­tien wie das Recht auf ein effek­ti­ves Rechts­mit­tel sol­len aus­ge­höhlt wer­den. Der Vor­stoß zeigt: Um Schutz­su­chen­de fern zu hal­ten, ist jedes Mit­tel Recht – bis hin zum Aus­stieg aus dem inter­na­tio­na­len Flüchtlingsschutz.

Euro­Med Rights und PRO ASYL beto­nen: Tune­si­en ver­fügt über kein funk­tio­nie­ren­des Asyl­sys­tem. Ein rechts­staat­li­ches Ver­fah­ren, in dem die indi­vi­du­el­len Flucht­grün­de gewür­digt und nega­ti­ve Behör­den­ent­schei­dun­gen von einem Gericht über­prüft wer­den, gibt es nicht.

Außer­dem ver­sucht die Bun­des­re­gie­rung seit über einem Jahr Alge­ri­en, Tune­si­en und Marok­ko als »siche­re Her­kunfts­län­der« ein­zu­stu­fen, um Abschie­bun­gen in nord­afri­ka­ni­sche Län­der wei­ter zu for­cie­ren. Obwohl sich im Bun­des­rat für das Gesetz bis­her kei­ne Mehr­heit gefun­den hat, hält die Bun­des­re­gie­rung an ihrem Vor­ha­ben fest und ver­han­delt hin­ter ver­schlos­se­nen Türen mit den Län­dern. Immer wie­der haben Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen auf die deso­la­te Men­schen­rechts­la­ge in Alge­ri­en, Tune­si­en und Marok­ko hin­ge­wie­sen: Es kommt zu Fol­ter, Ver­fol­gung von Jour­na­lis­ten und poli­tisch Oppo­si­tio­nel­len und Unter­drü­ckung von Homo‑, bise­xu­el­len und trans­ge­schlecht­li­chen Per­so­nen. Ein am 13. Febru­ar 2017 ver­öf­fent­lich­ter Bericht von Amnes­ty Inter­na­tio­nal doku­men­tiert, dass in Tune­si­en Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen ein dra­ma­ti­sches Aus­maß ange­nom­men haben. So kom­me es zu mas­si­ven Über­grif­fen durch die Sicher­heits­kräf­te, will­kür­li­chen Ver­haf­tun­gen sowie zu Fol­ter und Todes­fäl­len in Haftanstalten.

PRO ASYL und Euro­Med Rights ver­ur­tei­len jeden Vor­stoß aufs Schärfs­te, die Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz in nord­afri­ka­ni­sche Staa­ten aus­zu­la­gern. Die Bemü­hun­gen jeg­li­che recht­li­chen Garan­tien für Flücht­lin­ge unter dem Vor­wand angeb­li­cher »Mas­sen­zu­strö­me« außer Kraft zu set­zen sind ein Skandal.

PRO ASYL und Euro­Med Rights for­dern die Bun­des­re­gie­rung zu Soli­da­ri­tät mit Tune­si­en auf und war­nen davor, die Aus­la­ge­rung des Flücht­lings­schut­zes in nord­afri­ka­ni­sche Staa­ten wei­ter zu for­cie­ren. Statt die Aus­la­ge­rung des Flücht­lings­schut­zes feder­füh­rend vor­an­zu­trei­ben und eine »aus­tra­li­sche Lösung« für Euro­pa zu pro­pa­gie­ren, muss die Bun­des­re­gie­rung alles dar­an set­zen, dass ein tat­säch­li­ches Schutz­sys­tem in Euro­pa end­lich Rea­li­tät wird.

Euro­Med Rights ist ein Netz­werk aus mehr als 80 Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen, Insti­tu­tio­nen und Ein­zel­per­so­nen in 30 ver­schie­de­nen Län­dern in Euro­pa und rund um das Mit­tel­meer, das sich für Men­schen­rech­te in der Mit­tel­meer-Regi­on einsetzt.

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