PRO ASYL: Qualitätskontrolle beim BAMF weitgehend inexistent
Die Bearbeitungsdauer von Asylanträgen beim Bundesamt ist länger geworden. Sie stieg von durchschnittlich 5,1 Monaten vor einem halben Jahr auf 7,3 Monate. Dies ergibt sich aus der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE, die „Ergänzende Informationen zur Asylstatistik für das zweite Quartal 2016“ (18/9146) erbeten hatte. Dabei geben die Durchschnittswerte noch nicht das Ausmaß der Probleme wieder. So müssen somalische Asylantragsteller*innen mittlerweile 21,9 Monate auf eine Bundesamtsentscheidung warten. Unter denen, die seit mehr als eineinhalb Jahren auf eine Entscheidung warten, sind in großer Zahl Menschen, die eine statistisch relativ große Chance haben, einen Schutzstatus zu erhalten. Überdurchschnittlich lange warten außerdem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – vertane Zeit in Sachen Integration.
Schwer erträglich sind die öffentlichen Äußerungen aus dem Bundesamt: Zurzeit würden besonders schwierige Asylfälle und Altfälle bearbeitet, dann werde die Verfahrensdauer wieder deutlich sinken. Richtig ist: Das Bundesamt hat im vergangenen Jahr Asylsuchende aus den Balkanstaaten mit der Folge schneller Ablehnungen bevorzugt bearbeitet, während syrische Antragssteller*innen im Schriftverfahren schnell anerkannt wurden. Jetzt steht der Normalbetrieb an. In all diesen Verfahren bedarf es einer individuellen Abwägung und Prüfung. Mit der Methode „Textbausteine nach dem Schema F“ ist es jetzt nicht mehr getan.
BAMF-Ausbildung als Crashkurs?
Das aber scheint schwierig zu sein, denn das beim BAMF eingesetzte Personal erhält nur noch eine hastige Kurzausbildung. Statt der früher üblichen sechsmonatigen Ausbildung gilt jetzt: „Anhörer erhalten eine dreiwöchige Schulung, Entscheider vier Wochen, Vollentscheider fünf Wochen“, so heißt es in der BT-Drucksache auf Seite 65. Nicht nur am Fließband wird ausgebildet, sondern auch die Arbeitsteilung folgt diesem Modell. Wo früher Bundesamtsmitarbeiter*innen von der Anhörung bis zur Entscheidung komplett zuständig waren, gibt es jetzt in der Regel eine Spezialisierung: Anhörer*innen führen ausschließlich Anhörungen durch, Entscheider*innen treffen nur Entscheidungen. Die sog. Vollentscheider*innen sind offenbar nur noch eine Restgröße.
Entschieden wird ohne persönlichen Eindruck in der Anhörung
PRO ASYL kritisiert seit vielen Jahren das Auseinanderfallen von anhörenden und entscheidenden Personen. Für eine sachgerechte Entscheidung ist der persönliche Eindruck von der Glaubhaftigkeit der Asylsuchenden wesentlich. Das wird vom Bundesamt mit Billigung der Bundesregierung grundsätzlich missachtet, mehr noch: Es wird nicht einmal statistisch erfasst, in wie vielen Fällen die anhörende und entscheidende Person nicht identisch waren. Das Prinzip der Einheit von anhörender und entscheidender Person werde derzeit zwecks Verfahrensbeschleunigung nicht angewendet, so das Bundesamt. Die von oben gewollte Arbeitsteilung dürfte für das Gewissen der Bundesamtsentscheider*innen entlastend sein. Einer hört an, ist aber mit den Konsequenzen nicht wirklich befasst, einer zieht nur die Konsequenzen und entscheidet, hat das Schicksal der Asylsuchenden aber nicht auf sich wirken lassen müssen.
Personalgewinnung ohne Bewerbungsgespräche
Hat man das Verfahren so arbeitsteilig-fachidiotisch ausgerichtet, dann muss man bei der Personalgewinnung auch nicht allzu sehr hinschauen. Das Bundesamt gibt zu, dass zum Rückstandsabbau eingesetzte Anhörer*innen nur nach der Papierform ihrer Bewerbungsunterlagen ausgewählt wurden: „Auf Bewerbungsgespräche wurde zugunsten der Auswahl auf Aktenlage verzichtet.“ Mit solch Personalgewinnungsmethoden kann man nicht einmal einen Kiosk betreiben.
Qualitätskontrolle beim BAMF fast nicht vorhanden
Angesichts solcher Fakten bestünde aller Anlass, im Bundesamt wenigstens eine einigermaßen lückenlose Qualitätskontrolle der Entscheidungen einzuführen, bei der untaugliche Produkte in Form von fehlerhaften Asylentscheidungen im Hause selbst aus dem Verkehr gezogen werden. Ein solches lückenloses Prüfsystem nach dem Vier-Augen-Prinzip ist eine ständige Forderung von PRO ASYL. In der Anfragebeantwortung werden für 2015 jedoch lediglich 136 Einzelfallprüfungen, für 2016 bislang 78 Einzelfallprüfungen ausgewiesen. Die Zahl sonstiger Qualitätskontrollen in den Außenstellen, Ankunfts- und Entscheidungszentren könne nicht beziffert werden. Bis das Bundesamt irgendwann eine nennenswerte Qualitätskontrolle installiert hat, verlässt man sich offenbar auf die Verwaltungsgerichte als Korrekturinstanz, die derzeit im Akkord fehlerhafte Entscheidungen aufheben müssen.
Die Verantwortung für das ganze Bundesamtsdesaster tragen selbstverständlich nicht die oft gutwilligen und engagierten Mitarbeiter*innen. Im Zentrum der Probleme steht der politische Druck auf das Bundesamt im Wahljahr 2017 die Rückstände abgebaut zu haben – um fast jeden Preis.