25.08.2016

PRO ASYL: Qua­li­täts­kon­trol­le beim BAMF weit­ge­hend inexistent

Die Bear­bei­tungs­dau­er von Asyl­an­trä­gen beim Bun­des­amt ist län­ger gewor­den. Sie stieg von durch­schnitt­lich 5,1 Mona­ten vor einem hal­ben Jahr auf 7,3 Mona­te. Dies ergibt sich aus der Beant­wor­tung einer Klei­nen Anfra­ge der Bun­des­tags­frak­ti­on DIE LINKE, die „Ergän­zen­de Infor­ma­tio­nen zur Asyl­sta­tis­tik für das zwei­te Quar­tal 2016“ (18/9146) erbe­ten hat­te. Dabei geben die Durch­schnitts­wer­te noch nicht das Aus­maß der Pro­ble­me wie­der. So müs­sen soma­li­sche Asylantragsteller*innen mitt­ler­wei­le 21,9 Mona­te auf eine Bun­des­amts­ent­schei­dung war­ten. Unter denen, die seit mehr als ein­ein­halb Jah­ren auf eine Ent­schei­dung war­ten, sind in gro­ßer Zahl Men­schen, die eine sta­tis­tisch rela­tiv gro­ße Chan­ce haben, einen Schutz­sta­tus zu erhal­ten. Über­durch­schnitt­lich lan­ge war­ten außer­dem unbe­glei­te­te min­der­jäh­ri­ge Flücht­lin­ge – ver­ta­ne Zeit in Sachen Integration.

Schwer erträg­lich sind die öffent­li­chen Äuße­run­gen aus dem Bun­des­amt: Zur­zeit wür­den beson­ders schwie­ri­ge Asyl­fäl­le und Alt­fäl­le bear­bei­tet, dann wer­de die Ver­fah­rens­dau­er wie­der deut­lich sin­ken. Rich­tig ist: Das Bun­des­amt hat im ver­gan­ge­nen Jahr Asyl­su­chen­de aus den Bal­kan­staa­ten mit der Fol­ge schnel­ler Ableh­nun­gen bevor­zugt bear­bei­tet, wäh­rend syri­sche Antragssteller*innen im Schrift­ver­fah­ren schnell aner­kannt wur­den. Jetzt steht der Nor­mal­be­trieb an. In all die­sen Ver­fah­ren bedarf es einer indi­vi­du­el­len Abwä­gung und Prü­fung. Mit der Metho­de „Text­bau­stei­ne nach dem Sche­ma F“ ist es jetzt nicht mehr getan.

BAMF-Aus­bil­dung als Crashkurs? 
Das aber scheint schwie­rig zu sein, denn das beim BAMF ein­ge­setz­te Per­so­nal erhält nur noch eine has­ti­ge Kurz­aus­bil­dung. Statt der frü­her übli­chen sechs­mo­na­ti­gen Aus­bil­dung gilt jetzt: „Anhö­rer erhal­ten eine drei­wö­chi­ge Schu­lung, Ent­schei­der vier Wochen, Voll­ent­schei­der fünf Wochen“, so heißt es in der BT-Druck­sa­che auf Sei­te 65. Nicht nur am Fließ­band wird aus­ge­bil­det, son­dern auch die Arbeits­tei­lung folgt die­sem Modell. Wo frü­her Bundesamtsmitarbeiter*innen von der Anhö­rung bis zur Ent­schei­dung kom­plett zustän­dig waren, gibt es jetzt in der Regel eine Spe­zia­li­sie­rung: Anhörer*innen füh­ren aus­schließ­lich Anhö­run­gen durch, Entscheider*innen tref­fen nur Ent­schei­dun­gen. Die sog. Vollentscheider*innen sind offen­bar nur noch eine Restgröße.

Ent­schie­den wird ohne per­sön­li­chen Ein­druck in der Anhörung
PRO ASYL kri­ti­siert seit vie­len Jah­ren das Aus­ein­an­der­fal­len von anhö­ren­den und ent­schei­den­den Per­so­nen. Für eine sach­ge­rech­te Ent­schei­dung ist der per­sön­li­che Ein­druck von der Glaub­haf­tig­keit der Asyl­su­chen­den wesent­lich. Das wird vom Bun­des­amt mit Bil­li­gung der Bun­des­re­gie­rung grund­sätz­lich miss­ach­tet, mehr noch: Es wird nicht ein­mal sta­tis­tisch erfasst, in wie vie­len Fäl­len die anhö­ren­de und ent­schei­den­de Per­son nicht iden­tisch waren. Das Prin­zip der Ein­heit von anhö­ren­der und ent­schei­den­der Per­son wer­de der­zeit zwecks Ver­fah­rens­be­schleu­ni­gung nicht ange­wen­det, so das Bun­des­amt. Die von oben gewoll­te Arbeits­tei­lung dürf­te für das Gewis­sen der Bundesamtsentscheider*innen ent­las­tend sein. Einer hört an, ist aber mit den Kon­se­quen­zen nicht wirk­lich befasst, einer zieht nur die Kon­se­quen­zen und ent­schei­det, hat das Schick­sal der Asyl­su­chen­den aber nicht auf sich wir­ken las­sen müssen.

Per­so­nal­ge­win­nung ohne Bewerbungsgespräche
Hat man das Ver­fah­ren so arbeits­tei­lig-fach­idio­tisch aus­ge­rich­tet, dann muss man bei der Per­so­nal­ge­win­nung auch nicht all­zu sehr hin­schau­en. Das Bun­des­amt gibt zu, dass zum Rück­stands­ab­bau ein­ge­setz­te Anhörer*innen nur nach der Papier­form ihrer Bewer­bungs­un­ter­la­gen aus­ge­wählt wur­den: „Auf Bewer­bungs­ge­sprä­che wur­de zuguns­ten der Aus­wahl auf Akten­la­ge ver­zich­tet.“ Mit solch Per­so­nal­ge­win­nungs­me­tho­den kann man nicht ein­mal einen Kiosk betreiben.

Qua­li­täts­kon­trol­le beim BAMF fast nicht vorhanden
Ange­sichts sol­cher Fak­ten bestün­de aller Anlass, im Bun­des­amt wenigs­tens eine eini­ger­ma­ßen lücken­lo­se Qua­li­täts­kon­trol­le der Ent­schei­dun­gen ein­zu­füh­ren, bei der untaug­li­che Pro­duk­te in Form von feh­ler­haf­ten Asy­l­ent­schei­dun­gen im Hau­se selbst aus dem Ver­kehr gezo­gen wer­den. Ein sol­ches lücken­lo­ses Prüf­sys­tem nach dem Vier-Augen-Prin­zip ist eine stän­di­ge For­de­rung von PRO ASYL. In der Anfra­ge­be­ant­wor­tung wer­den für 2015 jedoch ledig­lich 136 Ein­zel­fall­prü­fun­gen, für 2016 bis­lang 78 Ein­zel­fall­prü­fun­gen aus­ge­wie­sen. Die Zahl sons­ti­ger Qua­li­täts­kon­trol­len in den Außen­stel­len, Ankunfts- und Ent­schei­dungs­zen­tren kön­ne nicht bezif­fert wer­den. Bis das Bun­des­amt irgend­wann eine nen­nens­wer­te Qua­li­täts­kon­trol­le instal­liert hat, ver­lässt man sich offen­bar auf die Ver­wal­tungs­ge­rich­te als Kor­rek­tur­instanz, die der­zeit im Akkord feh­ler­haf­te Ent­schei­dun­gen auf­he­ben müssen.

Die Ver­ant­wor­tung für das gan­ze Bun­des­amts­de­sas­ter tra­gen selbst­ver­ständ­lich nicht die oft gut­wil­li­gen und enga­gier­ten Mitarbeiter*innen. Im Zen­trum der Pro­ble­me steht der poli­ti­sche Druck auf das Bun­des­amt im Wahl­jahr 2017 die Rück­stän­de abge­baut zu haben – um fast jeden Preis.

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