14.08.2017

PRO ASYL: Das Bun­des­amt darf die eige­nen Auf­ga­ben nicht an die Gerich­te abwäl­zen. Feh­ler­haf­te Beschei­de sind bereits außer­ge­richt­lich aufzuheben.

Tau­sen­de feh­ler­be­haf­te­te Beschei­de und die rigo­ro­se Ableh­nungs­pra­xis beim BAMF haben zur Fol­ge, dass Gerich­te die Ent­schei­dun­gen des Bun­des­am­tes neu prü­fen müs­sen. Die Zahl der Kla­gen gegen Asy­l­ent­schei­dun­gen steigt dra­ma­tisch: Mit 200.000 Ver­fah­ren rech­net der Bund Deut­scher Ver­wal­tungs­rich­ter die­ses Jahr. Das ent­spricht einer Ver­dopp­lung der Kla­gen zum Vor­jahr (100.000) und eine Ver­vier­fa­chung im Ver­gleich zu 2015 (50.000).

Auch die Richter*innen selbst stöh­nen vor Über­las­tung. Eine Auf­sto­ckung der Rich­ter­stel­len sei drin­gend erfor­der­lich. Der Vor­sit­zen­de des Rich­ter­bun­des, Robert Seegmül­ler, schlägt dazu vor, dass das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) nun los­ge­löst vom Ein­zel­fall über grund­sätz­li­che Fra­gen ent­schei­den sol­le. Doch: Die Klä­rung vor dem BVerwG löst nicht das Pro­blem, dass das Bun­des­amt die Ver­ant­wor­tung auf die Gerich­te abwälzt. Das BAMF selbst muss viel­mehr sei­ne eige­nen Auf­ga­ben wahr­neh­men – d.h. Sach­ver­hal­te gründ­lich ermit­teln, Län­der­in­for­ma­tio­nen aus­rei­chend berück­sich­ti­gen und feh­ler­haf­te Beschei­de auch außer­halb des Gerichts­ver­fah­rens aufheben.

Kei­ne Son­der­re­ge­lung im Asyl­recht: Fach­dis­kus­sio­nen erforderlich

Der Vor­schlag, dass das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt nun vor­ab grund­le­gen­de Fra­gen in tat­säch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht klä­ren soll, wider­spricht dem deut­schen Rechts­sys­tem. Es gibt kein sol­ches »Vor­ab­ver­fah­ren«, kei­ne »Vor­la­ge­fra­gen« beim höchs­ten Ver­wal­tungs­ge­richt – das gibt es nur vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt oder dem euro­päi­schen Gerichts­hof. Im Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt aber sit­zen Rich­ter, die im Asyl­recht erst nach ers­ter und zwei­ter Instanz allein recht­li­che Fra­gen klä­ren sollen.

Eine Ver­kür­zung die­ses Rechts­wegs als Son­der­re­ge­lung im Asyl­recht macht kei­nen Sinn: Gera­de hier ist eine gründ­li­che Auf­be­rei­tung der Fäl­le ent­schei­dend. Die Ver­wal­tungs- und Ober­ver­wal­tungs­ge­rich­te klä­ren recht­li­che und tat­säch­li­che Fra­gen, füh­ren Beweis­erhe­bun­gen durch, holen Stel­lung­nah­men und wei­te­re Aus­künf­te ein. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ent­schei­det als Revi­si­ons­in­stanz nur über recht­li­che Fra­gen auf der Grund­la­ge der bereits auf­be­rei­te­ten Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen. Die vor­in­stanz­li­chen Gerich­te haben dabei einen grö­ße­ren Erfah­rungs­schatz durch die Viel­zahl der unter­schied­li­chen Fäl­le. Soll­te es in ähn­li­chen Fall­kon­stel­la­tio­nen unter­schied­li­che Ansich­ten geben, so gibt es durch die Instan­zen­zü­ge eine brei­te Dis­kus­si­on auf Fach­ebe­ne. Eine Ver­kür­zung bei Grund­satz­fra­gen allein auf die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt wür­de letzt­lich zum Qua­li­täts­ver­lust führen.

Bun­des­amt muss Haus­auf­ga­ben machen

Der Vor­schlag lenkt vom eigent­li­chen Pro­blem ab: Das Bun­des­amt nimmt sei­ne eige­nen Auf­ga­ben nicht aus­rei­chend wahr. Anhö­run­gen erfol­gen unter Zeit­druck, Sach­ver­hal­te wer­den nicht gründ­lich ermit­telt. Trotz­dem müs­sen die oft unzu­rei­chen­den Pro­to­kol­le als Ent­schei­dungs­grund­la­ge im Gerichts­ver­fah­ren her­hal­ten. Es gibt immer noch die Tren­nung von anhö­ren­der und ent­schei­den­der Per­son beim Bun­des­amt. Den Beschei­den fehlt es an indi­vi­du­el­ler Begrün­dung, abs­trakt vor­for­mu­lier­te Text­bau­stei­ne erset­zen oft­mals ein­zel­ne Ausführungen.

Auch in den Gerichts­ver­fah­ren ist die Stra­te­gie des BAMF: kein Erschei­nen vor Gericht, man­geln­de Reak­ti­on auf Rück­fra­gen der Rich­ter. Schon im Juni for­mu­lier­te die Neue Rich­ter­ver­ei­ni­gung einen offe­nen Brief an Innen­mi­nis­ter de Mai­ziè­re und Bun­des­amts­prä­si­den­tin Cordt: Das Ver­hal­ten des Bun­des­am­tes füh­re zu Kla­gen, die nicht nur ver­meid­bar wären, son­dern auch ins­ge­samt die Ver­fah­ren in die Län­ge ziehen.

Mit der Ver­la­ge­rung der Pro­ble­me auf die Jus­tiz, wo im Asyl­recht qua­li­fi­zier­te Richter*innen ohne­hin Man­gel­wa­re sind, wird das Pro­blem nicht zu lösen sein. Das Bun­des­amt selbst muss nun end­lich mit der eige­nen Über­prü­fung der feh­ler­haf­ten Ableh­nun­gen beginnen.

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