Schnell, schneller – tödlich: Die Bundesregierung schiebt unbeirrt Menschen nach Afghanistan ab, diesmal gemeinsam mit Österreich
Der Bundesregierung kann es offenbar nicht schnell genug gehen. Ein zunächst für den 10. August geplanter Abschiebeflug mit dem Ziel Kabul wurde, wie PRO ASYL aus gut unterrichteten Kreisen weiß, kurzfristig auf den heutigen Dienstag vorverlegt. Die Bundesregierung beteiligt sich dabei an einem österreichischen Abschiebeflug. Zunächst wird also eine Maschine aus Deutschland gen Wien starten, voraussichtlich am Abend, und von dort weiter nach Kabul.
„Es ist völlig unverantwortlich, trotz des unaufhaltsamen Vorrückens der Taliban weiter nach Afghanistan abzuschieben“, kritisiert Wiebke Judith, rechtspolitische Referentin bei PRO ASYL. „Die Bundesregierung zieht alle Register, um die Menschen noch gerade rechtzeitig loszuwerden, bevor die Taliban auch Kabul eingenommen haben. Das offenbart eine menschenverachtende Haltung.“ Dass das SPD-geführte Auswärtige Amt jüngst einen neuen Lagebericht zu Afghanistan herausgegeben hat, der schon mit Erscheinen veraltet war, da er auf alten Zahlen, Daten und Fakten beruht, wie PRO ASYL analysierte, passt hier ins Bild: Abschieben um jeden Preis.
Abschiebungen als Wahlkampfthema – populistischer geht’s nicht mehr
Die Frage, ob Geflüchtete trotz der explosiven Lage nach Afghanistan abgeschoben werden sollen, ist zu einem deutschen Wahlkampfthema geworden. CDU-Chef Armin Laschet verkündet, er wolle an Abschiebungen festhalten. Ins gleiche Horn stößt Innenminister Horst Seehofer sowie Europas Abschiebekönig, der österreichische Kanzler Sebastian Kurz. Mit einem solchen Thema populistisch auf Stimmenfang zu gehen, ist mehr als verwerflich. Es geht um Menschenleben. Welch dramatische Folgen eine erzwungene Rückkehr nach Afghanistan für die Betroffenen haben kann, hat die Sozialwissenschaftlerin Friederike Stahlmann jüngst in einer Studie dargelegt.
Aber auch die SPD- und grün-regierten Bundesländer müssen sich fragen lassen, warum sie nicht längst auf Eigeninitiative hin die Abschiebungen nach Afghanistan für drei Monate ausgesetzt haben, wie es ihnen rechtlich möglich ist. Zwar kritisieren Bundespolitiker*innen von SPD und Grünen die Haltung der Union als „menschenfeindlich“ (SPD-Chef Walter-Borjans ) und „Skandal“ (Margarete Bause, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Menschenrechte), aber sie haben bislang offenbar nicht konsequent auf ihre Parteigenossen auf Länderebene hingewirkt, einen vorübergehenden Abschiebestopp zu erlassen. Dafür ist es nun höchste Zeit!
PRO ASYL kritisiert auch die Ignoranz und Überheblichkeit, die die Bundesregierung der afghanischen Regierung gegenüber an den Tag legt. Deutschland kommt der mehrfachen Aufforderung von afghanischer Seite, Abschiebeflüge auszusetzen, da die Sicherheit der Ankommenden nicht gewährleistet werden könne, nicht nach – anders als etwa die skandinavischen Länder. „Stattdessen scheint das Recht des Stärkeren zu gelten: Mit Blick auf Afghanistan handelt die Bundesregierung rücksichtslos und egoistisch, anstatt den Werten der internationalen Zusammenarbeit entsprechend, zu denen sie sich offiziell stets bekennt“, kommentiert Wiebke Judith.