22.08.2022

Anläss­lich des 30. Jah­res­tags der flücht­lings­feind­li­chen Pogro­me von Ros­tock-Lich­ten­ha­gen for­dern PRO ASYL und die Ama­deu Anto­nio Stif­tung ein kon­se­quen­tes Han­deln gegen ras­sis­ti­sche Gewalt, die Auf­lö­sung von Mas­sen­un­ter­künf­ten und eine Blei­be­rechts­re­ge­lung für Opfer ras­sis­ti­scher Gewalt.

„Was sich im August 1992 in Ros­tock-Lich­ten­ha­gen abspiel­te, war ein Pogrom mit Ansa­ge“, so Timo Reinfrank, Geschäfts­füh­rer der Ama­deu Anto­nio Stif­tung. „Die dama­li­ge Lan­des­re­gie­rung hat die Situa­ti­on absicht­lich eska­lie­ren las­sen und regel­recht zum Pogrom ein­ge­la­den.“ Trotz des mas­si­ven Ver­sa­gens von Poli­tik und Poli­zei gibt es bis heu­te kei­ne rich­ti­ge Auf­ar­bei­tung die­ser ver­hee­ren­den ras­sis­ti­schen Aus­schrei­tun­gen. „Das Pogrom ist kein loka­les Ereig­nis gewe­sen. Die ras­sis­ti­sche Gewalt hat weit über Ros­tock-Lich­ten­ha­gen hin­aus gewirkt. Die Auf­ar­bei­tung darf nicht auf Meck­len­burg-Vor­pom­mern beschränkt blei­ben, son­dern muss genau­so in Ber­lin statt­fin­den“, betont Reinfrank. Mit dem Pogrom in Ros­tock-Lich­ten­ha­gen ver­bun­den ist auch eine jahr­zehn­te­lan­ge Ver­harm­lo­sung rech­ter Gewalt. Täter konn­ten sich damals sicher füh­len, selbst schwers­te Straf­ta­ten wur­den kaum geahndet.

„Ros­tock-Lich­ten­ha­gen war der bun­des­wei­te Auf­takt für die Demon­ta­ge des Asyl­rechts. Das ging ein­her mit der Iso­lie­rung von Men­schen in Lagern und der Ein­füh­rung des zer­mür­ben­den Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes“, sagt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL. „Im Koali­ti­ons­ver­trag hat die aktu­el­le Bun­des­re­gie­rung zwar ange­kün­digt, das Kon­zept der Anker­zen­tren auf­zu­ge­ben, aber eine ent­spre­chend not­wen­di­ge Absen­kung der maxi­ma­len Auf­ent­halts­zeit in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen wur­de nicht ver­ein­bart“, kri­ti­siert Burk­hardt. Bereits vor 10 Jah­ren hat­ten bun­des­weit Flücht­lings­rä­te und PRO ASYL die Been­di­gung einer Poli­tik gefor­dert, die Geflüch­te­te ausgrenzt.

Blick in die Gegen­wart – täg­lich zwei flücht­lings­feind­li­che Angriffe

Beim Geden­ken an das Pogrom dür­fe der Blick in die Gegen­wart nicht feh­len, mah­nen Ama­deu Anto­nio Stif­tung und PRO ASYL. Geflüch­te­te, die mit Base­ball­schlä­gern ver­prü­gelt wer­den oder Kin­der, die auf dem Weg in die Schu­le bespuckt und geschla­gen wer­den, sind kei­ne Sze­nen, die sich allein in den 1990er abspiel­ten. Täg­lich wer­den in Deutsch­land im Schnitt zwei Asyl­be­wer­ber*innen ange­grif­fen. Noch immer sind Geflüch­te­ten­un­ter­künf­te Ziel­schei­be für ras­sis­ti­sche Gewalt. Anti­zi­ga­nis­mus ist wei­ter­hin die am meis­te akzep­tier­te Form von Ras­sis­mus. „Es fehlt der poli­ti­sche Wil­le, kon­se­quent gegen ras­sis­ti­sche Gewalt vor­zu­ge­hen“, kri­ti­siert Tahe­ra Ameer, Vor­stän­din der Ama­deu Anto­nio Stif­tung. „Wenn Poli­tik und Behör­den bei ras­sis­ti­scher Gewalt und men­schen­ver­ach­ten­der Het­ze mit Igno­ranz, Gleich­gül­tig­keit oder Ver­sa­gen reagie­ren, ermu­tigt das zu wei­te­ren Gewalt­ta­ten“, so Ameer.

Unse­re Forderungen:

  1. Um Ras­sis­mus und rech­tem Ter­ror prä­ven­tiv zu begeg­nen, müs­sen iso­lie­ren­de Mas­sen­un­ter­künf­te für Schutz­su­chen­de, die als Ziel­schei­be für rech­ten Ter­ror und Ver­fes­ti­gung von Vor­ur­tei­len die­nen, auf­ge­löst wer­den. Es braucht eine schnel­le Ver­tei­lung in die Kom­mu­nen und Inte­gra­ti­on von Anfang an.
  1. Das Bei­spiel Ukrai­ne zeigt, was in der Asyl­po­li­tik mög­lich ist, wenn der poli­ti­sche Wil­le zum Han­deln da ist. Es zeigt aber auch die mas­si­ve Ungleich­be­hand­lung von ukrai­ni­schen Geflüch­te­ten und Geflüch­te­ten aus Dritt­staa­ten. Wir for­dern die Gleich­stel­lung aller Geflüchteten.
  1. Gewalt gegen Geflüch­te­te wird in der offi­zi­el­len Sta­tis­tik immer noch nicht ange­mes­sen abge­bil­det. Es fehlt bei der Poli­zei an Sen­si­bi­li­tät, Auf­merk­sam­keit und Res­sour­cen, die­se Straf­ta­ten zu ver­fol­gen. Hier braucht es eine voll­stän­di­ge und trans­pa­ren­te Zäh­lung durch die Innen­mi­nis­te­ri­en der Län­der sowie eine zeit­na­he Ver­öf­fent­li­chung der Fälle.
  1. Seit Jah­ren for­dern wir, dass Men­schen, die Opfer von ras­sis­ti­scher Gewalt wur­den, ein Blei­be­recht erhal­ten. Nur so kann sicher­ge­stellt wer­den, dass sie vor Gericht aus­sa­gen und die Täter*innen ver­folgt wer­den können.

Zum Wei­ter­le­sen:

  • Web-Dos­sier „Rech­te Gewalt 1992“, Ama­deu Anto­nio Stiftung
  • Inter­view mit Hei­ko Kauff­mann: „Der Ras­sis­mus ist noch nicht überwunden“
  • Blin­de Fle­cken: Flücht­lings­feind­li­che Gewalt taucht in vie­len Poli­zei­sta­tis­ti­ken nicht auf.

Kon­takt:

Ama­deu Anto­nio Stif­tung: presse@amadeu-antonio-stiftung.de; Tel.: 030 – 240 886 16

PRO ASYL: presse@proasyl.de; Tel.: 069 – 2423 1430

 

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