23.05.2013

Am 26. Mai 1993 ver­än­der­te der Deut­sche Bun­des­tag das aus his­to­ri­scher Erfah­rung ent­stan­de­ne Asyl­recht des Arti­kels 16 GG zur Unkennt­lich­keit. Die Ver­fas­sungs­än­de­rung und die restrik­ti­ven Begleit­ge­set­ze waren  die Initi­al­zün­dung für einen Wett­lauf der Schä­big­kei­ten gegen­über Schutz­su­chen­den, der die EU-Flücht­lings­po­li­tik bis heu­te prägt.

Ange­sichts der dem Beschluss vor­an­ge­gan­ge­nen Pogro­me und der auf ihn fol­gen­den Anschlä­ge hat­te PRO ASYL der ver­fas­sungs­än­dern­den Mehr­heit vor­ge­wor­fen, man habe sehen­den Auges in Kauf genom­men, dass die Grund­ge­setz­än­de­rung in der rech­ten Sze­ne als Signal für eine „eth­ni­sche Säu­be­rung“ Deutsch­lands  ver­stan­den wor­den sei. „Dies ist ein Sieg der Stra­ße und eine Nie­der­la­ge des Rechts­staa­tes“, so PRO ASYL.

Am Tag der Bun­des­tags­ab­stim­mung hat­te der dama­li­ge Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der CDU/CSU im Bun­des­tag, Wolf­gang Schäub­le, behaup­tet: „Das sich eini­gen­de Euro­pa schot­tet sich nicht ab. Wir ver­la­gern mit der Ent­schei­dung, die wir heu­te zu tref­fen haben, unse­re Pro­ble­me auch nicht auf unse­re Nach­barn in Euro­pa.“ Der Rea­li­täts­ge­halt die­ser Behaup­tung Schäubles hat gera­de­zu das Niveau der Ulb­richt­schen Ver­laut­ba­rung aus dem Jah­re 1961, nie­mand habe die Absicht, eine Mau­er zu errichten. 

Heu­te ste­hen die neu­en Mau­ern und Zäu­ne der euro­päi­schen  Abwehr­po­li­tik in Mel­li­la, am Evros und anders­wo. Die „Pro­ble­me“, kon­kret: schutz­su­chen­de Men­schen, wur­den den Staa­ten an den EU-Außen­gren­zen zuge­scho­ben – aber ein gemein­sa­mes Asyl­recht ist immer noch nicht in Sicht.

Die Rea­li­tät ist – mehr als vor 20 Jah­ren denk­bar – geprägt von cir­ca 20.000 Flücht­lin­gen, Migran­tin­nen und Migran­ten, die seit­dem an den Außen­gren­zen star­ben, und von einem  Sys­tem der umfas­sen­den Inhaf­tie­rung von Schutz­su­chen­den. Muss­ten sich frü­her Flücht­lings­in­itia­ti­ven mit den Rea­li­tä­ten in den Ver­fol­ger­staa­ten aus­ein­an­der­set­zen, so ver­wen­den  sie heu­te einen Groß­teil ihrer Ener­gie dar­auf, Flücht­lin­ge davor zu bewah­ren, in men­schen­rechts­wid­ri­ge Lebens­um­stän­de in ande­ren  EU- Staa­ten abge­scho­ben zu werden.

Nicht erst seit der Grund­ge­setz­än­de­rung kämp­fen Betrof­fe­ne und die Asyl­be­we­gung in lang­jäh­ri­gen und zähen Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die Wie­der­her­stel­lung von Flücht­lings­rech­ten, durch­aus mit Erfolgen:

  • Es erfor­der­te zehn Jah­re inten­si­ven Ein­sat­zes, bis auch in Deutsch­land Opfer nicht-staat­li­cher und geschlechts­spe­zi­fi­scher Ver­fol­gung in den Schutz­be­reich der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on fielen. 
  • Fast 20 Jah­re dau­er­te es, bis das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt mit ein­deu­ti­gen Wor­ten gro­ße Tei­le des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes für ver­fas­sungs­wid­rig erklärte. 
  • Nach 18 Jah­ren erst mach­ten der Men­schen­ge­richts­hof in Straß­burg und der Euro­päi­sche Gerichts­hof in  Luxem­burg dem deut­schen Son­der­weg ein Ende und stell­ten klar: Ein „blin­des Ver­trau­en“ in die Sicher­heit ande­rer EU-Staa­ten dür­fe es nicht geben. 

Für vie­le Opfer der restrik­ti­ven bun­des­deut­schen und euro­päi­schen Flücht­lings­po­li­tik kam  sol­che Gerech­tig­keit zu spät. Die Kon­trol­le durch die Jus­tiz kann poli­ti­sche Gestal­tung nicht ersetzen.

Die Not­wen­dig­keit einer Grund­ge­setz­än­de­rung wur­de vor 20 Jah­ren ins­be­son­de­re damit begrün­det, das deut­sche Asyl­recht kön­ne nur so „euro­pa­fä­hig“ werden.

Heu­te ist die aktu­el­le poli­ti­sche und mora­li­sche Auf­ga­be so zu for­mu­lie­ren: Euro­pa muss end­lich asyl­fä­hig wer­den. D.h. kei­ne Lip­pen­be­kennt­nis­se mehr in Sachen Flücht­lings­schutz, statt­des­sen ein gemein­sa­mes EU-Asyl­recht mit hohem Schutz­ni­veau und die akti­ve Auf­nah­me von Flücht­lin­gen aus Kriegs- und Krisengebieten.

 26. Mai: 20 Jah­re Ände­rung des Grund­rechts auf Asyl (23.05.13)

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